Die Äußerungen von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich aus der vergangenen Woche zu einem möglichen Einfrieren des Ukraine-Kriegs sorgen weiter für Diskussionen. Während Mützenich von Alt-Kanzler Gerhard Schröder Unterstützung bekam, ging Verteidigungsminister Pistorius auf Distanz. Außenministerin Annalena Baerbock erneuerte ihre Kritik. Wer den jüngsten UN-Bericht zu russischen Kriegsverbrechen im Osten der Ukraine lese, könne nicht mehr davon sprechen, dass man den Konflikt vielleicht einfrieren könnte, so Baerbock.
In einem vorab aufgezeichneten Interview mit den ARD-Tagesthemen verwies die Grünen-Politikerin unter anderem auf willkürliche Erschießungen in den von Russland besetzten Gebieten. Frauen müssten dort in Angst vor Vergewaltigungen leben, Kinder in Angst vor einer Verschleppung nach Russland. Dies sei alles andere als ein steriler eingefrorener Konflikt.
Pistorius: Diktatfrieden darf es nicht geben
Auch Verteidigungsminister Boris Pistorius ging auf Distanz zu seinem Parteikollegen Rolf Mützenich. "Es würde am Ende nur Putin helfen", sagte Pistorius am Montag nach einem Treffen mit dem polnischen Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz in Warschau. Dies sei zwar eine Position, die man vertreten könne, um sich für den Frieden auszusprechen. "Aber einen Diktatfrieden darf es nicht geben und keinen Frieden, der dazu führt, oder einen Waffenstillstand oder ein Einfrieren, bei dem Putin am Ende gestärkt herausgeht und den Konflikt fortsetzt, wann immer es ihm beliebt."
Mützenich hatte vergangenen Donnerstag in der Bundestags-Debatte über eine Lieferung der Taurus-Marschflugkörper gefragt: "Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?" Dafür war er auch schon in den vergangenen Tagen aus Reihen der Koalitionspartner Grüne und FDP kritisiert worden.
Beifall von Ex-Kanzler und Putinfreund Schröder
Unterstützung bekam Mützenich dagegen von Altkanzler Gerhard Schröder. In einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur sagte Schröder: "Mir scheint, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Rolf Mützenich, auf dem richtigen Weg ist." Mützenichs Position sollte von der Partei und Fraktion unterstützt werden, so die Forderung des ehemaligen SPD-Kanzlers.
Der 79-jährige Schröder ist seit seiner Kanzlerschaft von 1998 bis 2005 mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin befreundet und weiterhin für die mehrheitlich russischen Gesellschaften der Nord-Stream-Pipelines durch die Ostsee tätig. Von der SPD-Spitze wird er ausgegrenzt, ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn scheiterte aber.
Polen von Mützenich-Aussage irritiert
Auch der polnische Minister Kosiniak-Kamysz kritisierte den Vorstoß Mützenichs. "Das ist keine Idee, die man erwägen sollte", sagte er laut offizieller Übersetzung bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Pistorius. Sie sei sogar "gefährlich". Gleichzeitig erteilte der polnische Minister der Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine eine Absage. "Polen hat keine Absicht, Truppen in die Ukraine zu schicken." Das sei die Position der Regierung. "Und ich werde das wiederholen in allen Foren."
Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte vor drei Wochen gefordert, den Einsatz von westlichen Truppen in der Ukraine als Option auf dem Tisch zu lassen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hielt dagegen und schloss das aus. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hatte sich bereits wie sein Verteidigungsminister geäußert. Der polnische Außenminister Radek Sikorski hat den Vorstoß Macrons allerdings unterstützt.
Pistorius und Kosiniak-Kamysz kündigten an, dass sie sich so bald wie möglich zu dritt mit ihrem französischen Kollegen Sébastien Lecornu treffen wollen. Die Dreier-Treffen haben Tradition, aber bisher vor allem auf Ebene der Staats- und Regierungschefs und der Außenminister. Sie werden nach dem Ort des Auftakts im Jahr 1991 als "Weimarer Dreieck" bezeichnet.
Mit Informationen von dpa
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