Krimi im Bundestag: Nach stundenlangen Verhandlungen und einer hitzigen Aussprache ist der Gesetzentwurf der Unionsfraktion zu einer Verschärfung der Asylpolitik im Bundestag gescheitert. Die Regelung erhielt in namentlicher Abstimmung keine Mehrheit. 349 Abgeordnete stimmten dagegen, 338 dafür. Es gab fünf Enthaltungen.
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) sagte, aus der CDU/CSU-Fraktion hätten zwölf Abgeordnete nicht abgestimmt. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte, er sei den Abgeordneten aus der Unions-Fraktion, die ihrem Vorsitzenden nicht gefolgt seien, ausdrücklich dankbar. Bei der FDP hatten laut Merz nur 67 Angeordnete zugestimmt, zwei enthielten sich, fünf stimmten mit Nein und 16 nahmen nicht an der Abstimmung teil. Die Asylwende sei an den Sozialdemokraten und an den Grünen gescheitert, so Merz.
Erleichterung und Kritik
Die Grünen reagierten erleichtert: Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte, nach einem sehr schwierigen Tag im Bundestag sei dies eine gute Nachricht. Zugleich sagte sie, es seien "große Risse" in der demokratischen Mitte sichtbar geworden.
Auch die Vorsitzende der Linke-Gruppe, Heidi Reichinnek, zeigte sich "sehr erleichtert", nannte es im Interview mit dem TV-Sender Phoenix zugleich "schrecklich, dass es überhaupt so weit kommen musste".
Die AfD spricht von einer Implosion der Union. Bei der AfD habe es keine Abweichler gegeben, sagt Co-Parteichefin Alice Weidel. Co-AfD-Chef Tino Chrupalla ergänzt, die Union müsse sich fragen, wer der eigentliche Kanzlerkandidat sei - Merz oder die frühere Kanzlerin Merkel.
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, kritisierte das Verhalten der demokratischen Parteien. Schuster: "Der Verlust des Willens zum Konsens der politischen und parlamentarischen Mitte in diesem Land beunruhigt mich zutiefst."
Vorschlag, Abstimmung zu verschieben, wurde abgelehnt
Kurz vor der Abstimmung war ein Vorschlag von SPD und Grünen, die Abstimmung doch noch zu verschieben, gescheitert. "Wenn Sie ausschließen, dass Sie Mehrheiten mit den Rechtsextremen suchen, wir gehen sofort miteinander an den Verhandlungstisch zurück", sagte Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge. SPD, Grüne und Linke stimmten dafür, den Antrag in den Innenausschuss zurückzuschicken. Union, FDP, AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) waren dagegen. Am Vormittag hatte auch die FDP zeitweise vorgeschlagen, den Entwurf in den Innenausschuss zu schicken. Die Parteien konnten sich aber nicht einigen.
Unions-Antrag mit AfD-Zustimmung
Am Mittwoch hatte die FDP neben der AfD für einen umstrittenen Antrag der Union zur Verschärfung der Migrationspolitik gestimmt. Seitdem steht Unions-Kanzlerkandidat Merz (CDU) massiv in der Kritik, weil er in Kauf nimmt, Vorlagen im Migrationsbereich mit Stimmen der AfD zu beschließen. Auch die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte, es sei falsch, "sehenden Auges" eine Mehrheit mit AfD-Stimmen zu ermöglichen. Am Donnerstagabend hatten tausende Menschen vor der CDU-Zentrale in Berlin gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD protestiert.
Hitzige Debatte im Bundestag
Angesichts der Proteste und der Kritik verlief auch die vorherige Aussprache am Freitag im Bundestag äußerst hitzig: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte: "Ein Gesetz mit den Stimmen der AfD zu beschließen, wäre ein weiterer tiefer Bruch unserer Geschichte seit 1949." Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grünen) appellierte an Union und FDP: "Tun Sie das Richtige".
Wagenknecht: Hysterische Debatte sei Wahlkampfhilfe für die AfD
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht warf SPD und Grünen Wahlkampfhilfe für die AfD vor. "Eine bessere Wahlkampfhilfe als diese hysterische Debatte, die Sie hier inszenieren, eine bessere Wahlkampfhilfe hätte sich die AfD überhaupt nicht vorstellen können."
Heidi Reichinnek (Linke) kritisierte Merz wegen der Abstimmung am Mittwoch scharf: "Das ist eine Schande nicht nur für Ihre Partei, sondern für dieses Parlament und für unser Land."
Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, warf der Union vor, Asyl-Forderungen seiner Partei nur zu kopieren.
Merz verteidigte dagegen die Einbringung des Entwurfs. Es gebe aus Sicht vieler Menschen Handlungsnotwendigkeit nach den Anschlägen in Magdeburg und Aschaffenburg auch wegen "täglich stattfindender Gruppenvergewaltigungen aus dem Asylmilieu" heraus.
Mit Informationen von dpa, Reuters, KNA und AFP
Im Video: Asyl-Gesetzentwurf der Union abgelehnt
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