Offiziell heißt das Gremium "Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung". Bekannter sind seine Mitglieder aber unter ihrem inoffiziellen Titel: "Wirtschaftsweise". Damit ist der Anspruch benannt: Hier soll geballter ökonomischer Sachverstand zusammenkommen. Mit dem Ziel, die Politik in wirtschaftspolitischen Fragen mit fundierten Berichten zu unterstützen – ohne selbst Wirtschaftspolitik zu betreiben.
Wie genau setzt sich das Gremium zusammen und wie wird seine Unabhängigkeit gewährleistet? BR24 beantwortet die wichtigsten Fragen.
Seit wann gibt es die "Wirtschaftsweisen" und welche Aufgaben haben sie?
Der Sachverständigenrat Wirtschaft wurde 1963 gegründet. Im Laufe der Jahrzehnte hat er sich zu einer der renommiertesten ökonomischen Einrichtungen Deutschlands entwickelt. Ein Platz in diesem Gremium geht mit Prestigegewinn und öffentlicher Aufmerksamkeit einher. Seine Bedeutung kann man auch daran festmachen, dass es ein eigenes Gesetz für den Sachverständigenrat gibt. Darin ist zum Beispiel festgelegt, welche Aufgaben das Gremium hat. Ein wichtiger Punkt: Es handelt sich um ein Beratungsgremium. Entscheidungen wie die über staatliche Investitionen in Schienen und Straßen oder über die Höhe von Unternehmenssteuern trifft die Politik.
Zentral für die Arbeit des Sachverständigenrats ist das Jahresgutachten, das immer im November erscheint. In seinem aktuellen Bericht geht das Gremium davon aus, dass die deutsche Wirtschaftsleistung in diesem Jahr leicht schrumpft und im kommenden Jahr etwas Fahrt aufnimmt.
Wie wird man Mitglied im Sachverständigenrat?
Wer in das Gremium aufgenommen werden will, muss natürlich über besondere wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse verfügen. Der Sachverständigenrat hat fünf Mitglieder. Die Bundesregierung schlägt sie vor, der Bundespräsident beruft sie jeweils für fünf Jahre.
Vorsitzende ist zurzeit Monika Schnitzer, Professorin für Komparative Wirtschaftsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Außerdem gehören dem Gremium an: Veronika Grimm (Professorin an der Technischen Universität Nürnberg), Ulrike Malmendier (University of California in Berkeley), Achim Truger (Universität Duisburg-Essen) und Martin Werding (Ruhr-Universität Bochum).
Sind die "Wirtschaftsweisen" wirklich neutral?
Der Sachverständigenrat bezeichnet sich selbst als unabhängig. Er soll die Politik beraten, aber eben aus Expertensicht und nicht durch eine parteipolitische Brille. Er kann bei seiner Arbeit auf ein eigenes wissenschaftliches Team zurückgreifen – und auf Daten des Statistischen Bundesamts. Um die Unabhängigkeit des Sachverständigenrats zu gewährleisten, legt das Gesetz zum Beispiel dies fest: Regierungsmitglieder sind außen vor, und auch Bundestags- oder Landtagsabgeordnete haben keine Chance auf Mitgliedschaft.
Außerdem dürfen "Wirtschaftsweise" keine Wirtschaftsverbände oder Gewerkschaften vertreten. Allerdings ist es üblich, dass jeweils ein Mitglied dem Arbeitgeber- beziehungsweise dem Arbeitnehmerlager zumindest nahesteht.
Was passiert, wenn die "Wirtschaftsweisen" nicht einer Meinung sind?
Wer eine andere Ansicht als die übrigen Experten im Gremium vertritt, kann ein sogenanntes Minderheitsvotum abgeben. Eine Möglichkeit, die Veronika Grimm diesmal gleich dreimal genutzt hat. Sie wollte damit etwa deutlich machen, dass für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur strukturelle Reformen nötig seien. Mit dem Ziel, mehr finanzielle Spielräume zu schaffen.
Uneins sind die "Wirtschaftsweisen" auch in einer organisatorischen Frage. Seit Monaten gibt es Streit um ein Aufsichtsratsmandat von Grimm bei "Siemens Energy". Die vier anderen Mitglieder des Gremiums sehen darin ein Problem und warnen vor einem Interessenkonflikt. Grimm weist das zurück.
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