122 Gesetzesvorhaben der Ampelkoalition hängen seit dem Ampel-Bruch in der Schwebe. Die rot-grüne Bundesregierung kann sie nur noch durch Mitstreiter verabschieden. Für das meiste wird sie wohl keine finden, das signalisiert nicht nur der Ex-Koalitionspartner FDP.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) rief Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch zu: "Wir sind nicht der Auswechselspieler für Ihre zerbrochene Regierung." Allerdings wissen die Parteichefs Merz und Christian Lindner (FDP), dass Verweigerung auch Risiken birgt – etwa steuerliche Entlastungen zu verweigern, die man vorher selbst gefordert hat. Ob sie will oder nicht, auch die Union hängt nun in der Schwebe zwischen Oppositionsrolle und Verantwortung. Sie muss sich positionieren. Was noch kommen könnte und was eher nicht:
1. Der Nachtragshaushalt 2024
Das Geld für dieses Jahr reicht nicht. Gründe dafür sind geringere Steuereinnahmen als erwartet, höhere Ausgaben fürs Bürgergeld und ein Riesenloch bei der Ökostromförderung. Die Ampelregierung hatte deshalb einen Nachtragshaushalt erarbeitet. Dem will die FDP so nicht mehr zustimmen. Die Union auch nicht. Sie schickt den Nachtragshaushalt für Überarbeitungen zurück in den Haushaltsausschuss.
Kein Geld mehr heißt eigentlich: Der neue Finanzminister Jörg Kukies (SPD) müsste eine Haushaltssperre verhängen. Förderprogramme könnten kurzfristig auf der Kippe stehen. Kukies sieht offenbar einen anderen Weg: Die Milliarden, mit denen der Bau des Intel-Werks finanziert werden sollten, könnten die Sperre verhindern. Sie werden dann allerdings im kommenden Jahr fehlen.
Fazit: Der geplante Nachtragshaushalt ist mit CDU/CSU und FDP nicht zu machen. Trotzdem könnte die Haushaltssperre für dieses Jahr umgangen werden.
2. Kindergeld und Kindergrundsicherung
Verbesserungen für Familien stellte die Ampel schon in Aussicht, als die Inflation sehr hoch war. Geplant war, den Kinderfreibetrag zu erhöhen und das Kindergeld anzuheben um fünf Euro auf 255 Euro im Monat. Die FDP dürfte das mittragen. Auch wenn es im Detail unterschiedliche Pläne gibt, könnten auch CDU und CSU zustimmen.
Die Pläne der Ampel waren ursprünglich weitergehend: Eine Kindergrundsicherung sollte ab 2025 das Kindergeld ablösen und zusätzliche Leistungen, die bisher einzeln beantragt werden müssen, orientiert am Einkommen der Eltern automatisch überwiesen werden. Darüber hatten sich FDP und Grüne bereits zu Koalitionszeiten zerstritten.
Fazit: Kindergelderhöhung und die Steuerbegünstigungen kommen wahrscheinlich. Die Kindergrundsicherung wird keine Mehrheit finden.
3. Kalte Progression
Kalte Progression bedeutet, dass es möglich ist, sich nach einer Gehaltserhöhung sogar weniger leisten zu können als zuvor. Verantwortlich ist dafür die Inflation. Die FDP hatte sich für die Abfederung der Progression eingesetzt und sie in Gesetzesform gepackt. Viele bei SPD und Grünen wehrten sich dagegen, denn der Ausgleich ist für Vielverdiener am lukrativsten. Allerdings profitieren relativ zum Verdienst gesehen besonders die mittleren Einkommen.
Kanzler Scholz hat sich auch nach dem Ampelende dazu bekannt, die Entlastung umsetzen zu wollen. Die FDP will das auch, wird aber wohl nicht allen Maßnahmen aus dem Steuerentwicklungsgesetz zustimmen. Die Union kündigt am Mittwoch noch einmal an, dass sie vorerst keine fiskalischen Maßnahmen von Rot-Grün mittragen werde.
Fazit: Vermutlich wird das Steuergesetzespaket aufgemacht und einzelne Maßnahmen abgestimmt. So könnte die Gesetzgebung zur kalten Progression mit der alten Ampel-Mehrheit noch umgesetzt werden.
4. Deutschlandticket
Vor allem dem Flächenland Bayern ist das Ticket ein Dorn im Auge. Wenn der Bund nicht zahle, "dann muss es fallen", sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Dabei steht die Finanzierung für 2025 bereits. Es geht nur um ein Gesetz, das übriges Geld aus dem Vorjahr freigibt. Die CSU würde das Ticketgeld lieber in die Infrastruktur des ÖPNV investieren. Ähnliches hört man aus der CDU. Es gibt aber auch noch andere Stimmen. Sollten Union und FDP dagegen stimmen, wäre es nicht das Ende des Ticktes. Es würde wohl teurer als die bereits vereinbarten 58 Euro.
Fazit: Wahrscheinlich ist, dass es das Deutschlandticket 2025 noch gibt. Es ist mit 13 Millionen Nutzern beliebt. Wie es dann weitergeht - völlig offen.
5. Rentenreform
Die Stabilisierung der gesetzlichen Rente ist wohl der wichtigste Punkt für Bundeskanzler Scholz. Das Vorhaben hat bereits die erste Runde durch den Bundestag genommen. Es soll ein stabiles Rentenniveau garantieren und die Rentenbezüge sollen Schritt halten mit der Lohnentwicklung.
Weil die Zahl der Rentenbezieher aber zunimmt, lässt das die Beiträge für die Jungen steigen. Dieser Anstieg wiederum soll durch Renditen vom Aktienmarkt gedämpft werden. Das Gesamtprojekt war hochumstritten auch beim Ex-Koalitionspartner FDP. Generationen-Ungerechtigkeit sieht auch die Union.
Fazit: Das Rentenpaket, so wie es vorgelegt wurde, ist gescheitert. Die Frage der Rente wird aber auch die nächste Bundesregierung beschäftigen.
Im Video: Nach dem Ampel-Aus – welche Vorhaben noch umgesetzt werden könnten
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