SPD-Politiker haben empört auf Medienberichte reagiert, wonach die FDP sich seit Wochen auf ein Ende der Ampel-Koalition vorbereitet haben soll. Sozialdemokraten und Liberale hatten sich in den vergangenen Tagen gegenseitig vorgeworfen, sie hätten den Bruch provoziert.
SPD-Minister Heil spricht von "Bösartigkeit"
SPD-Chefin Saskia Esken erklärte am Samstag: "Christian Lindner und seine FDP haben sich mit diesem Schmierentheater auf Kosten des Landes als politische Kraft disqualifiziert", sagte Esken. Sie glaube allerdings kaum, dass Lindner die Größe habe, sich dafür zu entschuldigen.
SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil schrieb auf "X": "Verantwortung als Fremdwort, Bösartigkeit als Methode: Ich bin tief erschüttert über dieses Verhalten der FDP, die diese Recherche der 'Zeit' enthüllt." Der Chef des Gesundheitsressorts, Karl Lauterbach (SPD), nannte den angeblichen Vorgang eine unfassbare Enttäuschung. Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt quittierte die "bemerkenswerten" Berichte mit einem knappen "aha".
Projekt "D-Day": FDP soll Ampel-Ausstieg lange geplant haben
Laut Recherchen der "Zeit" (externer Link; möglicherweise Bezahl-Inhalt) soll sich die FDP seit Ende September akribisch auf ein Ampel-Ende vorbereitet und in mehreren Spitzentreffen verschiedene Szenarien durchgespielt haben. Teilgenommen hätten unter anderen die damaligen FDP-Minister. Die "Zeit" beruft sich auf Schilderungen mehrerer Personen, die mit den Vorgängen vertraut seien. Zudem habe die Redaktion Dokumente eingesehen, die in diesen Wochen entstanden seien.
Aus führenden FDP-Kreisen heißt es auf Nachfrage des "Spiegel" mit Blick auf diese Darstellung, der Text sei teilweise falsch. Allerdings titelt auch die "Süddeutsche Zeitung" (externer Link; möglicherweise Bezahl-Inhalt), dass die FDP wochenlang den Bruch der Ampelkoalition geplant habe. Beiden Medien zufolge wurde das Ausstiegsprojekt intern "Projekt 'D-Day'" genannt. Ausgangspunkt soll dabei ein Treffen am 29. September in Potsdam gewesen sein.
Lindner: "Es ist Wahlkampf. Wo ist die Nachricht?"
Lindner erklärte zu den Berichten am Samstag in Berlin: "Es ist Wahlkampf. Wo ist die Nachricht?" Selbstverständlich hätte die FDP ohne Wirtschaftswende die Koalition verlassen müssen, sagte er mit Blick auf den monatelangen Streit in der Ampelkoalition um den richtigen Kurs in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik. "Deshalb hatte ich Olaf Scholz ja auch einen gemeinsamen, geordneten Weg zu Neuwahlen vorgeschlagen. Also, wo ist die Nachricht?" Kanzler Scholz habe zudem "eingeräumt, dass er bereits im Sommer über meine Entlassung nachgedacht hat".
In die Offensive ging FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki: Er warf der SPD vor, den Bruch der Ampel betrieben zu haben. "Seit Juli bereiten die Sozialdemokraten nach dem Drehbuch des Koalitionsbruchs 1982 das Ampel-Aus vor", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Wenn 80 Prozent der Menschen das Ende der Koalition als Befreiung empfinden, ist es völlig egal, wer wie und warum das Ende der Kanzlerschaft Olaf Scholz herbeigeführt hat." Er habe "nur noch Mitleid mit einem gescheiterten Mann".
Grüne: FDP "nicht regierungsfähig"
Scharfe Kritik an der FDP kommt indes auch von den Grünen: "Wir haben in den letzten drei Jahren immer wieder erlebt, dass die FDP nicht verbindlich war beim Einhalten von Absprachen", sagte die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge. "Wenn man jetzt sieht, dass offensichtlich - wenn die Berichte stimmen - ganz gezielt das Ende dieser Koalition geplant wurde und inszeniert wurde, dann ist das schon sehr enttäuschend", fügt sie hinzu. Sie halte die FDP deshalb, "so wie sie jetzt gerade agiert, für nicht regierungsfähig".
Die Ampelkoalition war am 6. November zerbrochen. Lindner hatte in der Woche zuvor ein 18-seitiges Forderungspapier für eine "Wirtschaftswende" veröffentlicht, das SPD und Grüne als Affront bewerteten - laut Zeit.online wurde es bei den Liberalen parteiintern "Torpedo" genannt. Kanzler Scholz entschied dann beim Koalitionsausschuss vergangene Woche, Lindner zu entlassen. Die Ampelkoalition war damit Geschichte.
Mit Informationen von dpa
Zum Audio: Hat die FDP den Ausstieg aus der Koalition vorbereitet?
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