Autor Thomas Köck
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Autor Thomas Köck: "Österreich war schon immer Nazi-Avantgarde"

Autor Thomas Köck: "Österreich war schon immer Nazi-Avantgarde"

Vor gut einem Jahr begann der Schriftsteller Thomas Köck den rechtspopulistischen Verfall in seinem Heimatland Österreich zu dokumentieren. Herausgekommen ist eine Art Tagebuch, der Titel: "Chronik der laufenden Entgleisungen".

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Am 29. September stehen Nationalratswahlen in Österreich an. Umfragen zufolge dürfte die FPÖ mit ihrem Spitzenkandidaten Herbert Kickl auf zwischen 25 und 30 Prozent kommen und damit als stärkste Kraft hervorgehen. Der Schriftsteller Thomas Köck hat die teils makabren Auftritte der Rechtspopulisten für einige Monate dokumentiert, etwa ein öffentliches "Messerschleifen" im vergangenen Sommer.

Erschienen ist nun eine Art Tagebuch, das vom Sommer 2023 bis zum Frühjahr 2024 reicht: Die "Chronik der laufenden Entgleisungen", entstanden als Auftragswerk der Schauspielhäuser Graz und Wien, wo es auch seinen Weg auf die Bühne finden soll. In ihm reflektiert Köck das politische und gesellschaftliche Geschehen, wobei er auch immer wieder in die Vergangenheit schaut.

Rechtspopulismus als "Tarnung"?

Für den zweifelhaften Erfolg der Rechtsextremen findet Köck sehr deutliche Worte: "Österreich war schon immer Nazi-Avantgarde", schreibt er gleich zu Beginn des Buches. Gemeint sei damit nicht allein der Austrofaschismus vor 1938, sagt er im Gespräch mit dem BR, sondern die jüngere Vergangenheit des Landes. Die FPÖ gibt es bereits seit den Siebzigern. Bereits Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger habe sie eine Blaupause für den heutigen Rechtspopulismus geschaffen "als Tool, Diskurse zu verschieben", sagt Köck.

"Würde man sich die Begriffe, mit denen die FPÖ argumentiert, oder die Wahlprogramme ansehen – und das neben die Rechtsextremismus-Definition legen, zum Beispiel vom DÖW, vom Dokumentationsarchiv Österreichischer Widerstand, dann würde man sehen, dass das eigentlich eine rechtsextreme Narration ist und eine Partei, die rechtsextreme Werte vertritt", meint Köck.

Mit dem Rechtspopulismus unter Jörg Haider sei es erstmals gelungen, rechtsextreme Narrative als Populismus zu "tarnen". "Diese rhetorische Verschiebung, die über Jahrzehnte stattgefunden hat, ist ein sehr großes österreichisches Spezifikum", sagt er.

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"Chronik der laufenden Entgleisungen" von Thomas Köck

Der "Herbert-Komplex"

Ein weiteres Beispiel: Die Trump-Losung "America First", die in Österreich bereits Jahre vorher in Form eines Volksbegehrens mit dem Titel 'Österreich zuerst', initiiert von der FPÖ, auftauchte. Der Berater und Slogan-Erfinder des damaligen FPÖ-Gesichts Jörg Haider war wiederum Herbert Kickl, der heutige Spitzenkandidat. Köck spricht in Bezug auf die FPÖ von einem "Herbert-Komplex": "Der Spitzenkandidat der FPÖ hat diese Partei seit Jahrzehnten begleitet und dabei nicht nur die Reden – zum Teil auch mit schwer antisemitischen Formulierungen – ausgestattet, sondern etwa auch die 'Rap'-Texte für H.C. Strache geschrieben."

Dem Land attestiert Köck eine mangelnde Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit. Erst in den Neunzigern sei die Mitschuld am Nationalsozialismus offen ausgesprochen worden. Einen Zusammenhang sieht er auch in der Geschichte von rechtem Denken und dem Neoliberalismus vom Schlage Friedrich von Hayek, der aus den feudalen Strukturen des Habsburgerreichs stammte.

"Die Kränkung durch den Untergang des Reiches und der Verlust von bestimmten Privilegien konnte er nie verdauen. Die Idee von neoliberalen Wirtschaften war in dessen Folge nicht unwesentlich für den Aufstieg rechter Parteien." Laut Köck gibt es in diesem Denken eine vermeintliche Chancengleichheit, das Klassenfragen negiere. Nur um den Aufstieg von rechts zu erklären, wäre dann plötzlich wieder die Reden von den "enttäuschten Massen".

Europaweite Verschiebung

Was wird nun also passieren, wenn die FPÖ wie prognostiziert stärkste Kraft wird? Köck erinnert daran, dass vor 24 Jahren erstmals die FPÖ an einer Regierung beteiligt war – daraufhin hatten damals vierzehn EU-Regierungen beschlossen, die bilateralen Beziehungen zur österreichischen Bundesregierung auf Regierungs- und diplomatischer Ebene drastisch zu reduzieren. Laut Köck wird es diesmal anders ausgehen: "Ich befürchte, dass sich das dieses Mal, wenn die FPÖ wieder vorne mit dabei ist, nur in eine Verschiebung in ganz Europa einreihen wird."

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