Es kann eigentlich kein Zufall sein, dass Bodo Wartke und Marti Fischer die Fortsetzung ihres um die Welt gehenden Raps "Barbaras Rhabarberbar" kurz vor dem Pfingstfest veröffentlicht haben: Lässt doch das Pfingstwunder laut Apostelgeschichte die Jünger Jesu in Zungen reden. Sie ergehen sich in Glossolalie, in brabbelnder, unverständlicher Rede. Mit anderen Worten: Sie rhabarbern.
Wenn jemand rhabarbert, dann bedeutet das in der Umgangssprache, dass er labert, weshalb die Jugend, das junge Gemüse, auch das "Laberrhabarber" sehr schätzt. Und seit kurzem eben global den großen Zungenbrecher-Hit "Barbaras Rhabarberbar", der allein auf Youtube über fünf Millionen Mal abgerufen worden ist. Im Netz kursieren unzählige Videos, auf denen Frauen zum Beispiel backend tanzen zum in Rede stehenden Song. Breakdance war früher mal, für diese Nudelholz-und-Backblech-Choreografien möchten wir als neuen Namen "Bakedance" vorschlagen.
Selbst alte Lateiner liebten Zungenbrecher
Zungenbrecher, das hat der Autor Gerhard Henschel in seinem gleichnamigen kleinen Buch über eben diese 2012 zu Recht festgestellt, sind im Wesentlichen ein "nahezu sinnfreies Silbengeturtel". Die nun viral gegangene, gereimt-gerappte Wortfolge über "Barbaras Rhabarberbar", an deren fehlerfreier Wiedergabe so mancher schon gescheitert ist, hatte Henschel seinerzeit nicht mit aufgenommen in seine Kompilation.
Dabei hatten bereits die alten Römer artverwandte Scherze getrieben, wie eine Wandinschrift in Pompeji belegt, auf der sich der Zungenbrecher "barbara barbaribus barbabant barbara barbis" befindet, was Rudolf Wachter in seinem Standardwerk über Pompejanische Wandinschriften Lateinisch-Deutsch übersetzt mit "Die Barbarischen barbierten für Barbarien Barbarische mit Bärten (Unsinn)".
Um Unsinn, und zwar baren, handelt es sich naturgemäß auch bei dem auf Assonanzen, also auf dem Gleichklang mehrerer Wörter aufbauenden Rap des 46-jährigen Musikkabarettisten Bodo Wartke und seines 33-jährigen Kompagnons Marti Fischer. Im einfachen Kinderreim-Schema trifft da die Kinderbuch-Figur "Barbapapa" auf Barbara, und weil der Verzehr ihres Rhabarberkuchens eine "geradezu magische Erfahrung war", pappen die Lieddichter als Abbinder quasi noch ein "Aberakadabera" hinten dran - die Abwandlung der spätantiken Zauberformel "Abracadabra". Als dadaistisches Palaver kann man derlei durchaus goutieren.
Urheber des Zungenbrechers unbekannt
Wo der Text sich jeder Auslegung verweigert, wird die Frage virulent, wer nur der Urheber des Zungenbrechers von der eine Bar betreibenden, Rhabarberkuchen backenden und Barbaren bewirtenden Barbara ist. Bodo Wartke sagte dazu jüngst im Deutschlandfunk Kultur: "Die Urheberschaft war schwer festzustellen, denn es gibt von diesem Song ganz unterschiedliche Überlieferungen. Es scheint ja auch auf der Hand zu liegen, aus diesen Worten was zu machen."
In der Tat macht sich der Urheber von "Barbaras Rhabarberbar" rar, was so verwunderlich nicht ist, denn auch dem Schöpfer von "Fischers Fritze", der frische Fische fischt, dürften die wenigsten je begegnet sein. 2013 bereits lud ein User auf Youtube das von einer Frauenstimme gesprochene Zeichentrick-Video "Rhabarberbarbara" hoch, das bis heute über neun Millionen Views verzeichnet und das Bodo Wartke und Marti Fischer nun auf ihre Weise aufgepimpt haben.
Doch auch die Person, die vor elf Jahren "Rhabarberbarbara" hochlud, kann keine Urheberschaft beanspruchen, denn dafür gibt es zu viele vor 2013 datierende schriftliche Belege der Geschichte von Barbaras Rhabarberbar. So führten etwa 1993 der russisch-kanadische Linguist Igor Aleksandrovič Melʼčuk und sein Kollege Yves Gentilhomme in ihrem "Cours de morphologie générale" den "Rhabarberbarbarabarbarbarenbarbier" als deutsches Wort auf. Woran man merkt: Auch Sprachwissenschaftler haben mitunter Humor.
Micky-Maus-Geschichte von 1991 älteste Quelle?
Donaldisten freilich wissen, dass es eine noch ältere Belegstelle gibt: Bereits am 17. Mai 1991 veröffentlichte der niederländische Cartoonist Evert Geradts in Holland die Daniel-Düsentrieb-Geschichte "Zuviel Rhabarber" (Originaltitel "Rabarber"), in der eine für ihren Rhabarberpudding berühmte Barbetreiberin namens Barbara auftaucht, die Barbaren zu ihren Kunden zählt, welche wiederum ihre Bartpracht beim Barbier stutzen lassen. Deshalb findet sich im niederländischen Original das Wortmonstrum "Rabarberbarbarabarbarbarenbaardenbarbier".
Eben jener "Rhabarberbarbarabarbarbarenbartbarbier" nun hat es erst im vergangenen Jahr in der Übersetzung von Arne Voigtmann in ein deutsches Micky-Maus-Heft gebracht. In der Ausgabe vom 17. März 2023 konnten deutsche Leser die zweiseitige Daniel-Düsentrieb-Geschichte "Zuviel Rhabarber" lesen, worauf der Autor dieser Zeilen auf dem BR-BookTok-Kanal "Literally" in einem Video in dieser Woche hingewiesen hat.
Angesichts der Zungenbrecher-Ungetüme stöhnt Daniel Düsentrieb im Comic einmal wunderbar verzweifelt auf: "Uff! Mir käst das Hirn." Dem können Millionen Menschen in diesen Tagen nur beipflichten. Bodo Wartke aber hat es verdient, Wiglaf Drostes despektierliches Wort vom "Rhababermann" (der Satiriker meinte damit geschwätzige Journalisten) fortan als Ehrentitel zu tragen. Niemand vor ihm hat einem deutschen Zungenbrecher eine derartige internationale Bekanntheit verschafft.
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