Vor fast 100.000 Zuschauern im olympischen Finale von Los Angeles, oder jeden Tag allein im Training auf der Tartanbahn: Edwin Moses läuft zwischen jeder Hürde über die 400 Meter genau 13 Schritte. Es ist seine Erfolgsformel. Der Physikstudent hat sie als Hobbyläufer selbst erfunden und zusammen mit ein paar Kommilitonen berechnet, erzählt Moses im Dokumentarfilm "13 Steps – die unglaubliche Karriere von Edwin Moses": "Für uns war ganz klar, dass man die Hürden mit dem linken Bein überlaufen muss, um nah an der Linie zu bleiben. Dazu muss man eine ungerade Anzahl an Schritten laufen, in meinem Fall waren das 13."
"Wie Superman im wahren Leben"
Mit dieser Erfolgsformel wurde Edwin – genannt Ed Moses – Anfang der 1980er-Jahre einer der größten Sportstars der Welt. Zweimal holt er olympisches Gold. Neun Jahre, neun Monate und neun Tage ist er auf den 400 Meter Hürden unbesiegt – die mit Abstand längste Erfolgsgeschichte der Leichtathletik.
"Er war wie Superman im wahren Leben", sagt Schauspieler Samuel L. Jackson im Film. Wie Ed Moses hat auch er das Morehouse College besucht. Vor der Uni für die schwarze Elite steht eine Statue von Absolvent Martin Luther King. Regisseur Spike Lee war im Jahrgang unter Moses und erzählt in der Doku: "Als er es geschafft hatte, sind alle auf den Zug mit aufgesprungen. Weil er ein Morehouse Man ist. Spitzenleistungen, dafür sind wir bekannt. Spitzenleistungen."
Zahlreiche Privataufnahmen
Eine klassische Aufsteigergeschichte bietet Moses nicht. Er kommt aus einem privilegierten Elternhaus: die Mutter Lehrerin, der Vater Schulleiter und Militärmann. Neben dem Weihnachtsbaum patrouillieren Moses und seine Brüder mit Helm, Nachtsichtgerät und Spielzeuggewehr.
Bereits Anfang der 1960er läuft die private Videokamera im Hause Moses. Ein Geschenk für diesen Film. Sie zeigt, wie der schmächtige Ed, Typ Steve Urkel aus der Sitcom "Alle unter einem Dach", mit Hund und Brüdern durch den Garten tollt. Schon damals, so erzählt Moses bei einem Besuch des alten Familienanwesens, sei er immer über eine Hecke gesprungen, die sein Vater gepflanzt hatte.
Beeinflusst von Tommie Smith und John Carlos
Es ist eine unbeschwerte Kindheit. Die Morde an Malcom X, an Martin Luther King, aber auch die Black-Panther-Bewegung und die erhobenen Fäuste der Sprinter Tommie Smith und John Carlos auf dem olympischen Podest von 1968 – Moses sieht das alles vor dem Fernseher: "Erst später, als ich Tommy und John kennenlernte, hab ich die ganze Geschichte und die Zusammenhänge verstanden. Aber mit 13 hab ich nicht weiter darüber nachgedacht. Wir fanden es einfach nur toll und haben auf eine Gelegenheit gewartet, es ihnen gleichzutun."
Moses selbst wurde nie ein politischer Revolutionär, er war ein Nerd und Raketenforscher mit der physikalischen Superman-Formel für die Laufbahn. "Wenn er ein Ziel hat und sich wirklich voll drauf fokussiert, dann kann ihm nichts im Weg stehen. Irgendwann hat er gesehen, dass er, wenn er was richtig macht, die Welt ein bisschen verändern kann", sagt sein Sohn Julian Moses, der perfekt Deutsch spricht, weil die Mutter aus Berlin kommt. Auch eine dieser Wendungen, die man nicht kommen sieht, weil dieser Dokumentarfilm nicht auf Spannung geschrieben ist. Er hat es nicht nötig – weil man Ed Moses’ Kampf zwischen den Hürden für faire Bezahlung und gegen Doping auch so über 100 Filmminuten fasziniert verfolgt.
Der Dokumentarfilm "13 Steps – Die unglaubliche Karriere von Edwin Moses" von Michael Wech läuft seit dem 05. Dezember 2024 bundesweit im Kino.
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