Auftritt der Band "Rock The Nations" beim Umsonst & Draussen-Festival in Würzburg am Wochenende.
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Auftritt der Band "Rock The Nations" beim "Umsonst & Draussen"-Festival in Würzburg am Wochenende.

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Geflüchtetenband "Rock The Nations" – Integration durch Musik

Hinter der Band "Rock The Nations" stecken schwere Schicksale. Fast alle Musikerinnen und Musiker sind Geflüchtete, die in Unterfranken leben. Auf dem "Umsonst & Draussen"-Festival in Würzburg hatte die Band am Wochenende ihren wichtigsten Auftritt.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Am Wochenende hatte die Band "Rock The Nations" beim "Umsonst & Draussen"-Festival in Würzburg ihren großen Auftritt. Die Musiker spielen Geige, Mandoline und Gitarre und singen dazu. Bei der Band spielen in der Regel sechs bis acht geflüchtete Menschen mit. Diese stammen aus Ländern wie Somalia und Algerien. Coach der Band ist André Keller – genannt Levi. Er hat die Band vor über vier Jahren mit seinem besten Freund gegründet.

Integration von Geflüchteten durch Musik

Ziel des Bandprojekts ist es, die Integration von geflüchteten Menschen durch Musik zu erleichtern. Coach Levi engagiert sich ehrenamtlich für die Bandmitglieder. Er hilft ihnen viel im Alltag, zum Beispiel bei der Job- und Wohnungssuche oder bei Behördengängen. Außerdem wachsen die geflüchteten Menschen durch das gemeinsame Musizieren als Gemeinschaft zusammen, so Levi. Dadurch unterstützen sie sich n ihrem Alltag gegenseitig. "Viele der Geflüchteten sind in Deutschland auf sich alleine gestellt und sie haben wenig Vertrauen zu anderen Menschen", ergänzt Levi. "In der Band geben sie sich gegenseitig Halt und es entwickeln sich Freundschaften."

Auftritt der Band "Rock The Nations" beim "Umsonst & Draussen"-Festival in Würzburg am Wochenende.
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Auftritt der Band "Rock The Nations" beim "Umsonst & Draussen"-Festival in Würzburg am Wochenende.

Unterstützung vom Festival-Publikum in Würzburg

Zurück zum "Umsonst & Draussen"-Festival in Würzburg: Die Band will nicht nur das Publikum begeistern. Die Musikerinnen und Musiker hoffen, einen so guten Eindruck zu hinterlassen, dass einige aus dem Publikum bereit wären, die Geflüchteten zu unterstützen, in Form von Geld-, Sach- und Kleiderspenden. Auch Hilfe beim Deutschlernen würde sie gerne annehmen. "Klar unterstützt der Staat die Geflüchteten", betont Levi. "Aber das reicht nicht aus, damit die Betroffenen in Deutschland vernünftig zurechtkommen. Viele sind in Deutschland vor allem mit der Bürokratie überfordert. Ohne die Hilfe von Ehrenamtlichen wären sie dabei aufgeschmissen."

Viele Geflüchtete sind traumatisiert

Bei den Proben fehlen immer wieder einzelne Personen. Sie kommen nicht, obwohl sie eigentlich zugesagt haben. "Das ist aber nicht unhöflich von ihnen", erklärt Levi. "Das liegt daran, dass sie traumatisiert sind. Sie bekommen dann oft alltägliche Dinge nicht auf die Reihe." Nach Levis Erfahrungen haben viele Geflüchtete ein Trauma durch schreckliche Erlebnisse, die sie in ihrem Heimatland beziehungsweise auf ihrer Flucht nach Europa durchlebt haben.

Erlebnisse mit Musik verarbeiten

Davon kann Stanley David buchstäblich ein Lied singen. Der 26-Jährige stammt aus Nigeria. Er sorgt in der Band für improvisierten Rapgesang. Außerdem schreibt er eigene Songs. Levi steht ihm dabei oft beratend zur Seite. In seinen Songs verarbeitet Stanley seine schlimmsten Erlebnisse. Als er sechs Jahre alt war, verlor er seine Mutter – lebte später jahrelang als Straßenkind. In Nigeria habe es für ihn keine Hoffnung gegeben, sagt er. Mit 16 flüchtete er mit seinem besten Freund aus Nigeria.

Der junge Mann spricht kaum über seine Erlebnisse. BR24 sagt er aber, dass er hilflos mit ansehen musste, wie sein bester Freund an den Strapazen in der Sahara starb. "Stanley wäre auch fast draufgegangen", ergänzt Levi. "Wenn er wieder nach Nigeria zurückmüsste, dann würde ihn eine Straßengang töten." Stanley darf in Deutschland bleiben und lebt derzeit in einer Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in Schweinfurt. Er möchte seinen Schulabschluss nachholen und eine Ausbildung im Bereich IT machen.

Die Zahl unbegleiteter minderjähriger Ausländer ist in Unterfranken im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Im Jahr 2023 nahm der Regierungsbezirk 338 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren auf, die ohne Begleitung nach Deutschland eingereist waren. Im Jahr zuvor waren es mit 148 noch halb so viele.

Musiker vor Taliban geflüchtet

Eine Ausbildung will auch Peivand Salehi machen. Der 29-jährige Afghane lebt zur Miete in Gädheim. Levi hat ihm zu der Wohnung verholfen. Peivand würde unter anderem gerne als Kranken- oder Altenpfleger arbeiten. Aber ihm ist bewusst, dass er seine Sprachkenntnisse noch erheblich verbessern muss. Er kann zwar – wie viele Geflüchtete in der Band – Deutsch gut verstehen, aber nur schlecht sprechen. Peivand ist leidenschaftlicher Musiker – spielt in der Band Gitarre und singt. Er ist vor den Taliban aus Afghanistan geflohen. Sie würden ihn ins Gefängnis sperren und foltern, wenn er muszieren würde, erklärt er.

Auftritt auf den Mainwiesen in Würzburg

"Für mich ist es immer wieder aufregend, auf dem "Umsonst & Draussen"-Festival zu sein", meint Levi. "Rock The Nations" ist bei diesem Auftritt mit sechs Musikern vertreten. Mit dabei ist auch wieder Peivand. "Stanley konnte leider nicht kommen, da ihm wieder zu viele sorgenvolle Gedanken durch den Kopf schwirren", erklärt Levi. Die Musiker treten auf die Bühne, beginnen mit ihrem Konzert. Rund 150 Menschen sind um die quadratische Bühne versammelt. Einige tanzen.

Schmelztiegel internationaler Musik

Der Sound der Band ist ein Schmelztiegel internationaler Musik. Die Mitglieder spielen Popsongs aus verschiedenen Kulturen, aber auch traditionelle Musik. Sie verleihen den Liedern einen eigenen Touch mit Einflüssen aus dem jeweiligen Heimatland der Geflüchteten. "Rock The Nations" ist für alle Musikbegeisterten offen, egal welcher Herkunft. Man muss auch keine musikalischen Vorkenntnisse mitbringen. Die Band tritt regelmäßig bei Konzerten und Festivals auf. Außerdem bei kulturellen Veranstaltungen.

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