"Viel Harmonie": So heißt der Chor, der 2016 mit geflüchteten Jugendlichen aus aller Welt gegründet wurde und der an diesem Abend singt, beim Friedensgebet, zu dem zahlreiche Religionsvertreter ins ehemalige Karmeliterkloster in München gekommen sind. Sie wollen gemeinsam für den Frieden zu beten.
Rat der Religionen lädt seit 2016 zum Gebet ein
Es soll ein Zeichen der Versöhnung sein: So will der Rat der Religionen das interreligiöse Gebet verstanden wissen. Seit 2016 lädt er dazu ein – besonders bedeutsam ist das Gebetstreffen aber in diesem Jahr geworden: Es ist das erste Mal, dass Juden, Muslime und andere Religionsvertreter nach dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 gemeinsam miteinander für Frieden beten.
Auch der Rabbiner Tom Kucera, von der jüdisch-liberalen Gemeinde Beth-Shalom, nimmt an dem Gebet teil. "Ich muss betonen, dass das Gebet für den Frieden selbst nicht reicht, manchmal muss man auch mit Waffen den Frieden verteidigen. Aber ich hoffe, dass bald die Zeit kommt, dass es mehr am Gebet hängen wird als an den Waffen", sagt Rabbiner Tom Kucera. Für den gesellschaftlichen Frieden in München, zumindest für den interreligiösen Dialog, sei ein gemeinsames Gebet ein wichtiges Zeichen, sagt der Generalvikar der Erzdiözese München und Freising, Christoph Klingan: "Das ist in dieser Zeit der Polarisierung und wo man immer wieder die Unterschiede betont, wirklich wichtig, dass wir auch zeigen: Wir haben etwas Gemeinsames, und dass wir eben dieses Anliegen des Friedens miteinander teilen."
Friedensgebet nach Hamas-Überfall abgesagt
Das gemeinsame Beten der verschiedenen Religionen ist nicht selbstverständlich, denn die Initiative für ein Friedensgebet kurz nach dem Hamas-Überfall wurde kurzfristig abgesagt. Der Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft, der Grünen-Politiker Volker Beck, hatte damals die Teilnahme des Münchner Muslimrats kritisiert. Der Vorwurf: Unter dessen Dach seien auch Gruppierungen wie die türkischen Gruppierungen DITIB und Millî-Görüş sowie die Muslimbruderschaft, deren Haltung zum Krieg in Israel und Gaza nicht klar sei.
Daraufhin sagten erst die jüdischen Vertreter, dann auch die Kirchen und die Stadt München ihre Teilnahme ab. Diese Krise im interreligiösen Dialog wolle man überwinden, sagt der Münchner evangelische Stadtdekan, Bernhard Liess: "Das ist nicht so sehr an die Öffentlichkeit geraten, aber wir haben da sehr viele persönliche Gespräche geführt. Und dass wir jetzt zusammenkommen, glaube ich, ist – hoffe ich jedenfalls – ein Ergebnis davon."
Hoffnung auf Frieden sinkt
Dass das Gebet jetzt stattfindet, bewerten die Religionsvertreter als Erfolg. Trotzdem wirkt die Krise noch nach, sagt Aykan Inan, Sprecher des Muslimrats in München: "Wir waren früher in sehr engem Kontakt und wir versuchen den Kontakt immer noch aufrechtzuerhalten, was leider jetzt schwierig geworden ist. Aber ein Friedensgebet ist immer ein guter Anlass, damit alle Religionen gemeinsam auf derselben Bühne gemeinsam beten und sich die Hände reichen."
Auch wenn der Hoffnung auf Frieden weltweit gerade eher sinkt: Für den interreligiösen Dialog in München hat das Friedensgebet aber offensichtlich einen Fortschritt gebracht.
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