Zuerst die schlechte Nachricht: Das Landestheater Niederbayern mit Hauptsitz in Landshut musste auch 2023 das denkbar uncharmante Industriezelt am Stadtrand bespielen. Seit 2014 hat man sich dort mehr schlecht als recht eingerichtet, weil das Stadttheater am Isarufer wegen baulicher und brandschutztechnischer Mängel dichtgemacht werden musste. Die gute Nachricht: Nach neun Jahren Ringen um die Finanzierung wurde im Landshuter Stadtrat 2023 endlich der lang ersehnte erste Bauabschnitt der Sanierung beschlossen. 2025 soll es losgehen. Mit einer Rückkehr ins Stammhaus ist dennoch frühestens 2028 zu rechnen.
Theater Ingolstadt: Unverhoffte Lösung
In den bayerischen Theaterstädten Ingolstadt, Coburg und Würzburg ist man da 2023 schon etwas weiter gekommen. Wenn auch fast schon göttliches Zutun nötig war: Im Drama der Antike gibt es in aussichtsloser Lage den "deus ex machina", einen Gott, der plötzlich alles zum Guten wendet. In Ingolstadt hat sich selbige Wendung wie folgt dargestellt: Das Stadttheater muss dringend saniert werden. Pläne für den Neubau eines sogenannten "Kleinen Hauses", das zunächst als Ausweichquartier und später als dauerhafte Zweitspielstätte hätte dienen sollen, hatten bereits existiert, waren im Sommer 2022 aber per Bürgerentscheid gekippt worden.
Danach: große Ratlosigkeit. Bis im Spätsommer 2023 eben besagter deus ex machina die Ingolstädter Bühne betrat und dem Trauerspiel ein unverhofftes Happy End bescherte. Ingolstadts Kulturreferent Gabriel Engert, Stadttheater-Intendant Knut Weber ebenso wie dessen designierten Nachfolger Oliver Brunner konnten ihr Glück kaum fassen.
Glücksfund: ein Holztheater für 500 Leute
Sie hätten "eher zufällig" davon erfahren, dass in Sankt Gallen ein Theatergebäude zur Verfügung stehe, so Engert im Gespräch mit dem BR. Knut Weber schwärmt von dem Zufallsfund: "Es ist die perfekte Lösung angesichts dieser verfahrenen Situation in Ingolstadt." Und Oliver Brunner wird noch klarer: "Die Lösung ist nachhaltig, wertig, keine windige Zeltlösung."
Was steckt dahinter? Die "nachhaltige", "optimale" Lösung kommt aus der Ost-Schweiz. Auch das Theater Sankt Gallen musste saniert werden. Die Arbeiten dort aber sind nun abgeschlossen. Die Ersatzspielstätte – ein mit gewelltem Metall verkleideter Holzbau – hat ausgedient. Ingolstadt kann das Gebäude übernehmen, denn das Holztheater für 500 Zuschauerinnen und Zuschauer ist nahezu ideal auf die Bedürfnisse des dortigen Stadttheaters zugeschnitten, wie Intendant Weber erklärt: "Das ist genau die Anzahl, die wir für die Sanierungszeit brauchen. Es gibt ein schönes Foyer mit einer kleinen Bar. Und Sankt Gallen hat klar signalisiert, dass sie eine weitere Nutzung als Theater bevorzugen."
Auf gut fünf Millionen Euro werden die Kosten für die Demontage des Theaters in der Schweiz und den Transfer nach Oberbayern samt Wiederaufbau beziffert. Fast schon ein Schnäppchen. Läuft alles glatt, kann das Ausweichquartier ab dem kommenden Herbst bespielt werden.
"Globe": Oder britisches Feeling in Coburg
Bereits im vergangenen Herbst konnte das Landestheater Coburg sein Interimsquartier beziehen, nach drei Jahren Bauzeit und mit Baukosten von rund 40 Millionen Euro nicht so günstig wie die Ingolstädter Übergangslösung. Dafür wird das Coburger "Globe" – wie das optisch an die legendäre Londoner Shakespeare-Bühne angelehnte Theater heißt – der Stadt aber auch über die Sanierung des Landestheaters hinaus als Veranstaltungsort für Kultur erhalten bleiben. Es ist also kein Behelfsbau, der später zerlegt und weiterverkauft werden soll.
Architekt Thomas Eck hat entsprechend vorgesorgt: "Das Globe kann sich von einer Spielstätte als klassisches Theater über Nacht in einen Veranstaltungssaal verwandeln. Wir können die Bestuhlung später über den Orchestergraben in einen speziellen Raum im Keller auslagern und können hier eine Parkettnutzung zum Beispiel für ein Popkonzert darstellen."
Sanierungsdauer: Noch acht bis zehn Jahre
Bis das Theater Coburg wieder aus dem Globe aus- und in den klassizistischen Bau am Schlossplatz zurückziehen kann, werden allerdings etliche Jahre ins Land gehen. Erst muss die Generalsanierung geplant werden, ehe überhaupt mit den Arbeiten begonnen werden kann. Die Kostenschätzung ist derweil schon explodiert. Sie hat sich nach ersten Berechnungen im Jahr 2016 von knapp 60 Millionen Euro auf jetzt 360 Millionen sage und schreibe versechsfacht. In die neue Kalkulation, heißt es, seien aber vorsorglich schon mal sämtliche Risikokosten eingegangen. Acht bis zehn Jahre, so die Prognose, dürfte sich die Sanierung schon hinziehen. Geduld ist gefragt.
Würzburgs verspäteter Neubau
Wie schnell der Geduldsfaden reißen kann, wenn die Bedingungen nicht passen, zeigt das Bespiel Würzburg, wie Markus Trabusch, Intendant des Mainfranken Theaters berichtet: "Ja, wir haben auch Abgänge in der Zeit zu verzeichnen." Das heißt: Immer wieder haben Schauspielerinnen und Schauspieler, Tänzerinnen und Tänzer das Haus verlassen, weil sie die Arbeits- und Probenbedingungen als nicht ausreichend "für eine professionelle Ausübung des Berufs" empfanden.
Denn auch in Würzburg wird saniert. Das Theater musste daher in der sogenannten "Blauen Halle" umziehen, die allerdings weitgehend mit Musiktheater und Tanzproduktionen ausgelastet war. Fünf Jahre währte dieser unerfreuliche Zustand, weil die Eröffnung des neuen Kleinen Hauses, das ans bestehende Theater angebaut wurde, ein ums andere Mal verschoben werden musste. Nach rund dreijähriger Bauverzögerung konnten im Dezember endlich die ersten Premieren im Neubau gezeigt werden.
Ein moderner Betonkomplex, dessen Glasfassade für Transparenz sorgt, wie der Würzburger Tänzer Mirko Ingrao erfreut festgestellt hat: "Das Schönste am neuen Saal ist, dass wir irgendwie Teil der Stadt sind. Durch dieses riesige Fenster können wir rausschauen und die Würzburgerinnen und Würzburger reinschauen. Es entsteht eine Art Dialog."
Grund für Optimismus?
Die Erleichterung in Würzburg, dass 2023 endlich ein entscheidender Schritt nach vorne gemacht wurde, ist ähnlich groß wie in Ingolstadt. Aber weitere Schritte müssen folgen. Wie in Coburg steht auch in Würzburg und Ingolstadt die eigentliche Sanierung noch aus.
Immerhin: das Mainfranken Theater ist bereits über die Planungsphase hinaus. Das Bestandsgebäude wurden entkernt. Nun ist der Innenausbau dran. Ende 2024, ist zu erfahren, wolle man eine Perspektive für die Wiedereröffnung bekannt geben. Klingt noch etwas vage, oder – um es positiv zu formulieren – nach vielen Gelegenheiten für den "deus ex machina", auch künftig wieder rettend auf den Plan zu treten.
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