"Mutter Courage" mit drei Kunden an ihrem mit Schränken und anderem Mobilar beladenen Landwirtschafts-Anhänger
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"Mutter Courage": Mit dem Antikriegsstück von Brecht startete Freitagabend das Augsburger Festival

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"Mutter Courage": Augsburg eröffnet Brechtfestival mit Klassiker

"Mutter Courage": Augsburg eröffnet Brechtfestival mit Klassiker

Freitagabend eröffnete Brechts Antikriegsstück "Mutter Courage" das diesjährige Brecht-Festival in der Geburtsstadt des Dichters. Brechts mahnender Zeigefinger war auch in der neuen Inszenierung von Hausregisseur David Ortmann präsent.

Über dieses Thema berichtet: Die Kultur am .

"No Future" hat Julian Warner als Motto für das zweite Brecht-Festival unter seiner künstlerischen Leitung ausgegeben. Die demonstrative Resignation, die sich darin ausdrückt, ist natürlich eine Provokation angesichts eines Festivals, das einem Autor gewidmet ist, der doch – ganz im Gegenteil – aufrütteln wollte mit Parolen wie "Ändere die Welt, sie braucht es!" Dass Augsburgs berühmter Dichtersohn noch eine Zukunft und uns Heutigen etwas zu sagen hat – diesen Beweis zu erbringen, oblag Regisseur David Ortmann, der zur Eröffnung nun also die "Mutter Courage" inszeniert hat.

Der Krieg, das Geschäftsmodell der Mutter Courage

Für Brechts Titelheldin ist der Krieg ein Geschäftsmodell. Sie zieht mit dem Heer über die Schauplätze des Dreißigjährigen Krieges und verdient gutes Geld an ihren Waren, die sie an die Soldaten verhökert. Aus dem ikonisch gewordenen Planwagen, den Helene Weigel einst in Brechts Muster-Inszenierung über die Bühne karrte, ist in Augsburg ein Landwirtschaftsanhänger geworden, auf dem sich Koffer, Kisten und Kommoden stapeln.

Und dass der Familienbetrieb von Mutter Courage und ihren Kindern floriert, sieht man hier daran, dass die Marketenderin anfangs einen Pelz über der Daunensteppjacke trägt. Und dennoch: Auf lange Sicht verkalkuliert sich die geschäftstüchtige Handlungsreisende. Ihre beiden Söhne und auch die Tochter werden das Vagabundieren zwischen den Fronten mit dem Leben bezahlen.

Der mahnende Zeigefinger von Brecht und Regisseur Ortmann

Ute Fiedler ist eine respektable Mutter Courage, die sie mit Brecht‘scher Distanz zur Figur und hemdsärmeliger Härte spielt, wobei sie im Panzer der Pragmatikerin gelegentlich Risse aufscheinen lässt. Etwa wenn einer ihrer Söhne stirbt, weil sie um das Bestechungsgeld feilscht, mit dem sie ihn vom Feldgericht freikaufen könnte, und sich dabei verzockt. Der Geschäftssinn kommt den Gefühlen in die Quere.

Für den toten Sohn gibt es einen weißen Kreidestrich auf einer der schwarzen Seitenwände der Bühne, die bald schon voll sind von solchen Strichen wie anonyme Soldatenfriedhöfe von zahllosen gleich aussehenden Grabsteinen.

Die Striche zeichnet ein fünfköpfiger Komparsen-Trupp an, der immer wieder in Militärgrün, Tarnfarben und mit geschulterten MGs durch die Szenen geistert und zusammen mit Detonationsgeräuschen bedrohliche Atmosphäre erzeugt und dem Stück einen zeitgemäßen Anstrich verleihen soll. Es ist das – bestenfalls halb gelungene – Ergebnis der inszenatorischen Anstrengung von David Ortmann, Brecht gerecht zu werden, ohne dabei fürs Theatermuseum zu produzieren.

Wie Brecht (und mit ihm der Regisseur) hier mit dem mahnenden Zeigefinger wedelt, dass es im Krieg nichts zu gewinnen gibt, das wirkt heute eher hilflos und erzählt vor allem nichts, was man nicht vorher schon gedacht oder gewusst hätte. Keine Frage, der unübersehbar antimilitaristische Appell des Dramas dürfte vielen im Publikum in kriegerischen Zeiten aus der Seele sprechen. Was aber nichts daran ändert, dass das Theater beim Versuch mit der Wahl des Stücks aufs aktuelle Weltgeschehen zu reagieren doch recht alt, ja ein bisschen gestrig aussieht. So dürfte das mit dem Motto "No Future" aber bestimmt nicht gemeint gewesen sein.

"Mutter Courage und ihre Kinder" Eine Chronik des Dreißigjährigen Krieges von Bertolt Brecht Staatstheater Augsburg, läuft noch einmal am 3. März.

Kann Bertolt Brechts Lebenswerk Antwort auf die Fragen unserer Zeit geben? Das versucht gerade das Brecht-Festival in Augsburg zu klären und geht dabei ungewöhnliche Wege.
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Kann Bertolt Brechts Lebenswerk Antwort auf die Fragen unserer Zeit geben? Das versucht gerade das Brecht-Festival in Augsburg zu klären.

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