Menschen, die sich für nachhaltige Architektur interessieren, kommen an Bad Aibling nicht vorbei. Florian Nagler, der Münchner Architekt und Professor für Entwerfen und Konstruieren an der Technischen Universität, baut dort Forschungshäuser, in denen er verschiedene Materialien erprobt, aktuell etwa Lehm.
Sein ehemaliger Universitätskollege Hermann Kaufmann, Sohn einer Zimmermannsfamilie im Bregenzer Wald, erkundet seit 1983 die Möglichkeiten des Holzbaus und sucht nach ganzheitlichen Lösungen. In München an der TU hatte Kaufmann die Professur für Holzbau und Entwerfen, bis er im Frühjahr 2021 emeritiert wurde.
Hat die Tiefgarage eine Zukunft?
Auf Holzparkhäuser hat Kaufmann sich mit seinen Kollegen im Büro HK Architekten spezialisiert. Gerade wurde in Nürnberg-Wetzendorf ein neues Parkhaus für das dortige Bauindustriezentrum eröffnet – der Prototyp aber steht in Bad Aibling, in einer parkähnlichen Landschaft direkt an einem Bach. Kaufmanns Gedanke ist folgender: Weg von der Tiefgarage, hin zum rückbaubaren Parkhaus.
"Ich glaube, dass dieses Tiefgaragenbauen immer weiter in den Hintergrund gedrängt wird", sagt er, "weil die Menschen drauf kommen: Wenn ich jetzt riesige Kubaturen in die Erde baue, die ich später nicht mehr verwenden kann – und man weiß ja nicht ganz genau, wie lang dieses Autofahren noch geht: Was mache ich dann damit. Und wenn ich ein Parkhaus habe, dass ich wieder abbauen kann, dann ist die Antwort auch klar, dass es Sinn machen kann, ein Parkhaus in Holz zu bauen."
Das Konzept beruht auf einem Forschungsprojekt der TU München, das Hermann Kaufmann noch vor seiner Emeritierung betreute. Das zweistöckige Parkhaus kann demontiert und das Material woanders wiederverwendet werden. Vor allem ging es um eine Alternative für die standardisierten Parkhaussysteme in Stahl. Stützen und Unterzüge für die obere Etage sind in Bad Aibling tatsächlich aus Holz.
Beton? Nein, Sperrholz
Als Bodenplatte bräuchte es dort eigentlich Beton, vor allem der Dichtheit wegen, aber das Architektenteam entwickelte eine andere Decke: Es arbeitete mit dicken Sperrholzplatten, dann versehen mit einer Bitumenabdichtung, auf die als Fahrbelag eine Asphaltschicht aufgebracht wurde. Konstruktiv wie bei einer Holzbrücke. Das Parkhaus kann so jeder Zimmermann bauen. Es ist einfach zu errichten, recyclebar und noch dazu schön. 70 Meter lang, 17 Meter breit – und das ohne innere Stützen, was das Einparken und Rangieren sehr erleichtert.
"Es gibt eine Auffahrtsrampe, die kann man sich vorstellen wie bei einem alten Bauernhaus", sagt Kaufmann, "wenn man hinten auf so einer alten Auffahrt nach oben und in die Scheune hineinfährt. Genau so ist es auch gedacht. Ich kann also unten ebenerdig einfahren, und oben auf das Parkdeck fahre ich über diese Rampe."
Wer mit Holz baut, muss anders planen
Ein Parkhaus aus Holz ist erst einmal teurer als eines aus Stahl, aber um ein Vielfaches billiger als eine Tiefgarage. Wenn man den zukünftigen Abriss mit einberechnet, wird es günstiger, denn die Teile können eben wiederverwendet werden, auch im Wohnungs- oder Bürobau. Mit Holz zu arbeiten, verändere die Planung, sagt Hermann Kaufmann – gerne immer wieder als der "Holzpapst" tituliert –, die Vorfertigung spiele eine ganz andere Rolle.
Solle die Bauwende Richtung Nachhaltigkeit gelingen, müsse man sich darauf einstellen: "Holz ist Vorfertigung", sagt Kaufmann. "Auch der Planungsprozess muss sich da komplett ändern. Ich muss die Entscheidungen viel viel früher treffen. Ich beginne später zu bauen, plane aber mehr. Und diese Umstellung ist auch etwas, das noch nicht in den Köpfen drin ist. Das sind jetzt keine Riesenprobleme, die sind zu überwinden. Und da ist man auch dran."
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