Wo befindet sich das kulturelle Erbe Kameruns? 40.000 Kulturgüter aus der früheren deutschen Kolonie (1884 – 1916) sind heute in deutschen Museen, mehr als irgendwo sonst auf der Welt – mehr als in Kamerun selbst. Das Museum Fünf Kontinente in München beherbergt an die 3.000 davon – wie sie in die Depots gelangten, wird nach und nach aufgearbeitet.
Allein 200 Objekte kamen in den 1890er Jahren als "Schenkung" über den bayerischen Offizier Max von Stetten, einem gebürtigen Nürnberger, in die Sammlung. Als Kommandeur der sogenannten "Kaiserlichen Schutztruppe" in Kamerun war er auch an "Strafexpeditionen" beteiligt, blutige Feldzüge gegen die Bevölkerung, bei denen oft auch Kulturgüter geraubt wurden. Und in seiner Zeit als Kolonialherr in Kamerun war Max von Stetten auch ein eifriger Sammler. Was also soll mit seinen "Gaben" geschehen, vor allem mit jenen 50 Objekten, bei denen sich mittlerweile der Verdacht erhärtet hat, dass sie aus einem Gewaltkontext stammen?
Zusammenarbeit mit zehn anderen deutschen Museen der Weltkulturen
Noch gebe es bei diesen Fällen keine Rückgabe-Forderungen, erklärt Museumsdirektorin Uta Werlich. Das mag auch daran liegen, dass die Kamerun-Sammlung und ihre Archivbestände nicht sehr in Erscheinung treten, 300 Objekte sind bisher online zugänglich. "Die Sammlung möglichst transparent mit unseren Partnerinnen und Partnern aus Kamerun zu teilen" – das ist für Werlich deshalb auch der Arbeitsauftrag, mit dem sie von dem Treffen mit zehn anderen deutschen Museen der Weltkulturen Anfang der Woche heimgereist ist: "Ein Kraftakt, den wir bewältigen möchten."
Den Dialog mit Kamerun anschieben sollte auch das Treffen im Stuttgarter Linden-Museum, das die größte kamerunische Sammlung hierzulande besitzt. Neben den anderen Häusern, die den Austausch nutzten, um ihre Zusammenarbeit in Restitutionsfragen auszubauen und sich dabei um eine gemeinsame Linie bemühen, waren auch Delegationen aus Kamerun und Vertreter der traditionellen Königshäuser angereist - laut Werlich eine wichtige, vertrauensbildende Maßnahme: "Wir sind in diesen Tagen ein Stück weit zusammengewachsen und wissen nun, dass wir uns gegenseitig respektieren."
Die Autobiografie des Museumsdirektors als Beweis
In früheren Zeiten sprangen die Kolonialherren menschenverachtend mit der Bevölkerung um. Dafür steht im Museum Fünf Kontinente - neben vielen anderen kulturellen Zeugnissen - der sogenannte "Schiffschnabel". Er gelangte über Max Buchner in die Sammlung, der von 1887 bis 1907 Direktor der königlich-ethnografischen Sammlung in München war. Der "Schiffschnabel" sei ein Exponat, bei dem der illegale Aneignungsprozess ganz klar dokumentiert sei, erläutert Richard Hölzl, seit einem Jahr Provenienzforscher am Museum Fünf Kontinente.
Als Beweise dienten nicht nur Zeitungsartikel und militärische Dokumente, sondern auch die Autobiografie des Museumsdirektors. Der beschreibe an einer Stelle, wie er 1884 als Botschafter in Kamerun den künstlerisch und rituell wertvollen "Schiffschnabel" für München gerade noch rechtzeitig aus einer Siedlung der Bele Bele "gerettet" habe, bevor deren Dorf in der Duala-Region im Zuge einer kolonialen Strafaktion bombardiert und angezündet worden sei. Buchner spricht dabei ausdrücklich von "Beute". "Eine seltene Beweisdichte für einen Unrechtskontext, die das Objekt zu einem eindeutigen Fall für eine Rückgabe macht", meint Hölzl. In diesem Fall gebe es auch schon länger eine entsprechende Forderung aus Kamerun und Gespräche über die Modalitäten einer Rückgabe.
Noch aber wächst Buchners "Trophäe", ein aus Holz geschnitztes, mit farbigen Figuren und Tieren besonders aufwändig und kunstvoll gestaltetes Objekt, über den Köpfen der Besucher in den Ausstellungsraum hinein. Und zählt zu den Highlights der Afrika-Sammlung - neben dem berühmten "Blaue-Reiter-Pfosten", der seinerzeit schon Künstler wie Franz Marc und Wassily Kandinsky inspirierte. Was ist, wenn solche bedeutenden kulturellen Zeugnisse wieder dorthin zurückkehren, wo sie ursprünglich herstammen? Wäre eine Rückgabe des "Schiffschnabels" nicht ein schwerer Verlust?
"Von diesem Verlustdenken wollen wir ja grundsätzlich wegkommen!", postuliert Museumschefin Werlich. "Eine Rückgabe stellt im Idealfall immer den Beginn eines weiteren Prozesses dar, einer Zusammenarbeit, und sie eröffnet auch in der Präsentation neue Möglichkeiten." Man könnte zum Beispiel die Geschichte des "Schiffschnabels" jemanden aus Kamerun erzählen lassen, oder Erinnerungsobjekte schaffen und in der Ausstellung inszenieren. "Gerade auf der zwischenmenschlichen Ebene hat man so einen Zugewinn! Ich glaube, da sind wir inzwischen weit weg davon, die Rückgabe als Verlust zu definieren."
Rückgabe-Prozess als existenzielles Thema für die Museen
Trotzdem bleibt der Rückgabe-Prozess ein existenzielles Thema für die Museen. Wenn heute ethnologische Sammlungen in der Öffentlichkeit auch als Institutionen wahrgenommen werden, in denen der Kolonialismus teilweise fortlebt, ist der Erhalt der Sammlung vielleicht nicht mehr die allerwichtigste Aufgabe – stattdessen tun sich neue auf. "Wir müssen weg vom kuratorischen Monolog, hin zu mehr Vielstimmigkeit. Herkunftsgemeinschaften können für sich selbst sprechen, ebenso die Mitglieder der Diaspora hier in München vor Ort."
Diese Menschen möchte Museumsdirektorin Werlich in ihre Arbeit integrieren und dafür auch einen neuen Raum für Vermittlungsarbeit schaffen: einen Diskursraum, in dem über Fragen wie Rassismus oder die Nachwirkungen kolonialer Kontexte diskutiert werden könnte. Das Museum als Plattform und kulturelles Zentrum – auch für Menschen mit Migrationshintergrund. "Wenn wir offen für die Welt sind, sehen wir auch, dass Migration keine Gefahr ist, sondern eine ganz große Chance birgt. Und ich glaube, da ist unser Haus ganz besonders in der Lage, das zu zeigen und kann damit einen ganz relevanten gesellschaftlichen Beitrag leisten. Wenn wir das schaffen würden, mittelfristig oder sogar langfristig, wäre das ganz fantastisch."
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