Die erste deutsche Eisenbahn kam noch ganz ohne aus. "Die Fahrt mit dem Adler von Nürnberg nach Fürth dauerte gut eine halbe Stunde", schildert der Kurator der Sonderschau zum Thema Zugtoilette im DB-Museum, Benjamin Stieglmaier. "So lange konnte man sich´s ja irgendwie verkneifen". Stieglmaier meint damit unter anderem den Druck auf die Blase. Aussteigen und öffentliche Toiletten aufsuchen war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts fester Bestandteil des Fahrplans. Lange Warteschlangen vor den dann ebenfalls teils neu errichteten "Abtrittsorten" in den Bahnhöfen gehörten damals zur Reiseplanung für die Bahn und für die Reisenden.
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Reisende in Not: "Geschäft" im Hut
Je länger die Reisen mit der Bahn wurden, desto größer sei das Problem mit dem "Müssen müssen" geworden, ergaben die Recherchen des Kurators. "An Hygiene an Bord wurde erst später gedacht, die Entwicklung bei der Haustoilette war in Teilen beispielgebend für entsprechende Fortschritte im Zug", so Stieglmaier. Das habe die Reisenden kreativ werden lassen. Manche "machten" kurzerhand in ihren Schuh oder einen Hut. Diese Zustände riefen einen Mediziner aus Fürth auf den Plan. Der Arzt habe die Bahnverantwortlichen aufgefordert, eigene Waggons, die mit Toiletten ausgestattet sind, einzuführen, führt Stieglmaier aus.
Ikone der Zugtoiletten: das fahrende Plumpsklo
Die weiße Keramik-Kloschüssel mit schwarzem Deckel obendrauf, einer schwarzen Klappe unten drin und einem Hebelmechanismus außen an der Schüssel, ist wohl jedem Bahnreisenden vor dem Jahr 2000 noch gut in Erinnerung. Die sogenannte Fallrohrtoilette wurde Ende des 19. Jahrhunderts in die Züge der Bahn eingebaut und leistete über 100 Jahre ihren Dienst. "Allerdings durften diese nur während der Fahrt benutzt werden", erklärt Sonderschau-Kurator Stieglmaier, "denn die Hinterlassenschaften wurden über den Hebelmechanismus auf das Gleisbett entleert". Wegen der möglichen Geruchsbelästigung am Bahnhof habe die Bahn explizit mit Schildern auf richtige die Abort-Nutzung hingewiesen.
Sonderlich beliebt waren diese Klos nicht – auf der Bahnstrecke zwischen Hamburg und Sylt regnete es von einer stählernen Eisenbahnbrücke sprichwörtlich Fäkalien in den Garten eines Hausbesitzers. Der klagte gegen die Bahn und gewann.
Wirklich stilles Örtchen für Adelige
"Standesdünkel ist ein großes Thema unserer Ausstellung", klärt Museumsdirektor Oliver Götze auf. Auch bei der Verrichtung der Notdurft hätten Adelige dem gemeinen Volk gegenüber Privilegien gehabt, so Götze, nämlich ein wirklich stilles Örtchen. Der in Holz gefasste Toilettenstuhl des Kaiserlichen Salonwagens in Österreich ist ein solcher Beleg und eines von 150 Exponaten der Sonderschau im Nürnberger DB-Museum.
Klopapier mit DB-Aufdruck
Spionage, Republikflucht und die besten Geheimverstecke – diesem Themenkomplex ist mit anschaulichen Modellen und in Exponaten zum Anfassen ein eigener Bereich gewidmet. "Unter Druck" bietet außerdem für Zugtoiletten-Nostalgiker ein echtes Highlight: hinter Panzerglas hängt eine original grauweiße Toilettenpapierrolle mit rotem DB-Aufdruck neben den berühmten Trockenseifespendern, von denen per Drehrad Seife abgeraspelt wurde.
Reinschnuppern lohnt sich in die thematisch sehr breit aufgestellte Sonderschau im DB-Museum – und eines sei versprochen: übel riechen tut sie sicher nicht!
- Zum Artikel: "Drauf geschissen!" – Ausstellung über das stille Örtchen
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