Zwei junge Frauen sitzen auf einer Couch und lesen die Horoskope in verschiedenen Zeitschriften, fotografiert am 25.01.2013 in Berlin.
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Zwei junge Frauen sitzen auf einer Couch und lesen die Horoskope in verschiedenen Zeitschriften, fotografiert am 25.01.2013 in Berlin.

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Warum Menschen in der Astrologie Orientierung suchen

Die Wissenschaft rätselt bis heute, was die drei Weisen aus dem Morgenland nach Bethlehem führte. Klar ist, dass sie - wie es damals üblich war - ein Himmelszeichen als Wegweiser nutzten. Auch heute noch suchen Menschen Rat in den Sternen.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 radioRevue am .

Daniel Stacherdinger ist von Beruf Grafiker und Künstler. Sein Geld verdient der gebürtige Regensburger unter anderem mit Erklärvideos für die Kinder-Nachrichtensendung Logo. Er erstellt Grafiken, um Kindern beispielsweise zu erklären, was es mit der Schuldenbremse auf sich hat. Aber auch für sein Leben sucht er Erklärungen. Vor gut vier Jahren hat sich der 52-Jährige deshalb für eine Astrologie-Ausbildung entschieden. Rund 5.000 Euro hat er dafür ausgegeben, sich zweieinhalb Jahre lang an 27 Wochenenden mit Tierkreiszeichen, Planeten und Häusern auseinandergesetzt. Staatlich anerkannt ist diese Ausbildung nicht.

Astrologie als Weg zur Selbsterkenntnis?

Für Daniel Stacherdinger war und ist die Astrologie ein Weg zur Selbsterkenntnis. Seine Eltern – beide interessiert an der Astrologie – hatten ihm mal ein Geburtshoroskop erstellen lassen. Erst kürzlich hat er es in die Hände bekommen und sich darin wiedergefunden: "Ich fand dann das ziemlich treffend, was der Astrologe gesagt hat. Eben, dass ich schon sehr Schütze-betont bin, also leidenschaftlich, begeisterungsfähig, optimistisch."

Was ihn daran fasziniert, hat mit der Astrologie als Geschäftsmodell, mit den Horoskopen in Zeitschriften und Apps wenig zu tun. Er verdient sein Geld nicht mit der Astrologie.

Der Blick in die Sterne lässt Kassen klingeln

Denn tatsächlich lässt sich mit den Sternen viel Geld machen. Die Horoskope-App "Co-Star" brachte 2019 mehr als fünf Millionen Euro bei Investoren ein. Auch die App Sanctuary, wo man im Abo für knapp 20 Euro Chats mit Astrologen bekommt, brachte Millionen ein. Es ist ein Hype, der auch auf Podcasts und Dating-Apps übergeschwappt ist. Auf Tinder findet sich neben Hobbies und Alter nun auch das Sternzeichen. Und auf Bumble kann man sich potenzielle Dates nach Sternzeichen filtern lassen. Astrologie scheint zu boomen – zumindest deuten das hunderte von Kanälen auf Instagram und die zahlreichen Podcasts an.

Antonia Langsdorf hat hier ihre Nische gefunden: 25.000 Menschen folgen ihrem Instagram-Account "Antonias Sterne", ihre Monatshoroskope auf Youtube werden zehntausendfach geklickt. Auf Anfrage erstellt sie persönliche Horoskope – rund 45 Euro kostet ein individuelles Geburtshoroskop, eine Premiumberatung mit einem persönlichen Gespräch schlägt mit 275 Euro zu Buche, eine Partnerschafts- oder Familienberatung kostet 425 Euro. Es sei klar, dass nicht allein das Sternzeichen darüber entscheide, wer zueinander passe und wer nicht, sagt sie. Auf Youtube hat sie dennoch eine ganze Serie zu eben dieser Frage.

Prognosen – "unseriös" oder "Königsklasse"?

Abraten von einer bestimmten Beziehung würde sie trotzdem nie, sagt sie. "Also das würde ich mich nicht erdreisten zu sagen, das wird nix." Eher sieht sie die Astrologie als Möglichkeit, dass ein Paar sich besser verstehen kann. Manche Beziehungen würden mehr Energie erfordern als andere, aber man könne sich auch in einer einfachen Beziehung auseinanderleben. "Und manche Menschen haben eine Arbeits-Liebesbeziehung, wo sie ihr Leben lang dran arbeiten und auch ihr Leben lang zusammenbleiben." Antonia Langsdorf betont einerseits, dass die Astrologie eine "enorme Macht" entfalten könne. Andererseits praktiziert sie genau das, was manche ihrer Kollegen ihren Worten zufolge als "unseriös" bezeichnen: Prognosen. Für die ehemalige RTL-Fernsehastrologin ist das die "Königsklasse".

Und historisch gesehen war genau dieser Teil der Astrologie derjenige, der boomte – ein Mittel zum Zweck, um Macht zu zementieren oder Kriegsziele zu erreichen: Bei Herrschern der Antike war es üblich, sich vor Feldzügen beim Astrologen Rückversicherung zu holen. Selbst US-Präsidenten sollen davor nicht gefeit gewesen sein. So hat ein ehemaliger Sprecher des Weißen Hauses mal der New York Times bestätigt, die Astrologie-Begeisterung der First Lady Nancy Reagan habe die Regierungsgeschäfte ihres Mannes Ronald beeinflusst. Und sogar der Astrologie-kritische Martin Luther soll sein Geburtsdatum mithilfe seines Freundes und Astrologen Philipp Melanchthon gefälscht haben, um ein für einen Reformator besser passendes Horoskop zu bekommen – so jedenfalls hat es der Religionswissenschaftler Kocku von Stuckrad einmal dem Schweizer Fernsehen erzählt.

Astrologenverband: Menschen suchen Antworten bei Unsicherheit

Das Interesse an der Astrologie sei schon immer in Wellen gekommen, heißt es auf BR-Anfrage vom Deutschen Astrologenverband. In den vergangenen Jahren seien die Mitgliederzahlen gestiegen, von einem Boom will man dort aber nicht sprechen. Eher erklärt man dort das gestiegene Interesse mit gestiegenen Unsicherheiten: Wenn es den Menschen nicht so gut gehe, würden sie sich auf die Suche nach Antworten machen – und diese eben auch in der Astrologie finden.

  • Zum Artikel: Zukunft in den Sternen – Warum Astrologie in Krisenzeiten boomt

Antonia Langsdorf vermutet, der Blick in den Sternenhimmel könnte demnächst der Religion den Rang ablaufen. "Gerade jetzt, wo zumindest bei uns in der westlichen Welt die Religionen so ein bisschen ausgedient haben, kann die Astrologie vielleicht das tun, was eigentlich die Religion tun sollte. Also die Astrologie verbindet uns zurück mit unseren Ursprüngen im Kosmos." Sie erlebe immer wieder, dass sich Menschen durch die Astrologie gut aufgehoben fühlen würden oder durch ihre Prognosen erleichtert seien – und zwar ohne die Rituale und Zwänge einer Religion, ganz ohne Beten und Kirchgang. Dabei vergleicht sie den Blick in die Sterne eher mit einer Wettervorhersage, was der Einzelne mit der Information mache, liege in seiner Verantwortung.

Astronom Lesch: Empirisch ist kein Effekt der Sterne messbar

Harald Lesch hält von derlei Deutungen und Interpretationen nichts. Der Physiker und Astronom kennt gerade einmal sein Sternzeichen, aber weder seine genaue Geburtszeit, noch seinen Aszendenten. Das ZDF hat den Naturwissenschaftler für die Sendung "Terra X" einmal zu einer Astrologin geschickt. Im BR-Interview erinnert er sich augenzwinkernd daran: "Das war großartig." Er sei mit diesem Gefühl aus dem Gespräch herausgegangen: "Wenn das stimmt, brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Dein Leben ist ja super." Trotzdem verortet der Astronom die Sterndeutung, also die Astrologie, die davon ausgeht, dass Planetenkonstellationen im Universum Auswirkungen auf das Leben eines Menschen haben, im Bereich von Glaubens- oder psychologischen Fragen. Empirisch sei es schließlich nicht möglich, die Wirkung bestimmter Planetenkonstellationen zur Geburtszeit auf die Persönlichkeit eines Menschen zu messen.

Er illustriert das an einem nicht ganz ernst gemeinten Beispiel: "Es gibt ja diese nette Rechnung, dass das Gewicht der Hebamme im Moment der Geburt einen größeren Schwerkrafteffekt hat als alle Sterne der Milchstraße zusammen." Die Kraft zwischen zwei Massen ist nämlich umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstandes. Je weiter also etwas weg ist, desto weniger Einfluss habe es. Dementsprechend hätte eine 75 Kilogramm schwere Hebamme mit einem Abstand von zwei Metern zum Kind, mehr Schwerkrafteinfluss auf das Neugeborene als sämtliche Sterne, die ja viel weiter weg seien, zum Zeitpunkt seiner Geburt, so Lesch augenzwinkernd.

Astronom stellt Wirkung von Worten nicht infrage

Und dennoch stellt er eine bestimmte Wirkung der Astrologie nicht in Abrede, die von Worten: "Wenn ich zu Ihnen sage: Sie sehen aber schlecht aus. Das hat Wirkung. Das ist das Schlimmste, was man jemand sagt: Sag mal, geht’s dir nicht gut? Der Person ging’s bis dahin prima. Aber allein die Einschätzung des Gegenübers macht was mit uns." Und wenn diese Worte dann noch mit einer besonders tiefen Stimme oder einem besonders warmen Tee präsentiert würden – so Lesch augenzwinkernd – dann wirke ein solches Gespräch mitunter noch länger nach.

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