Darum geht's:
- Ein YouTube-Account verbreitete ein KI-generiertes Video, in dem US-Präsident Donald Trump über den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj herzieht und sich über dessen Kleidung lustig macht
- Das Video ist nicht echt, Trump war laut US-Medien jedoch tatsächlich verärgert über Selenskyjs Erscheinungsbild bei einem Treffen in Washington vergangene Woche.
- Obwohl viele User das KI-Video als solches erkennen, können KI-generierte Inhalte bestehende Überzeugungen verstärken. Laut Experten spielt auch der "Confirmation Bias" eine Rolle.
Am Wochenende verbreitete sich ein KI-generiertes Video auf YouTube, Telegram und X, das angeblich US-Präsident Donald Trump zeigt, der sich über den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aufregt. Der Grund für Trumps vermeintlichen Ärger: Dass Selenskyj in seinem schwarzen "Armee-Outfit" bei seinem Besuch im Oval Office am vergangenen Freitag erschienen ist, und nicht im Anzug.
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Inhalt des KI-Videos
In dem gefälschten Video äußert sich der KI-generierte Trump abfällig über Selenskyj: "Was für ein geiziger Kerl. Er hat das ganze Geld, das ihm die US-Steuerzahler gegeben haben, in der Temu-App ausgegeben." KI-Trump bezeichnet den ukrainischen Präsidenten als "Clown" und sagt, er verstehe, warum Wladimir Putin Selenskyj nicht ernst nehme.
Das Video ist ein Fake. Dass es anhand von KI generiert wurde, lässt sich an drei Merkmalen erkennen:
- Es wurde von einem YouTube-Kanal mit dem Namen "DangerousAI" veröffentlicht, was auf KI-generierte Inhalte hinweist. Auch im Video selbst ist "DangerousAI" als Originalquelle rechts unten neben Trumps Kopf eingeblendet.
- In der Kanalbeschreibung steht "AI Parody Content", und der Account-Inhaber erklärt, dass er KI für die Sprachaufnahme nutzt.
- Zwischen den Sätzen macht KI-Trump manchmal längere Pausen, die unnatürlich wirken. Insgesamt ist die KI-generierte Audiospur jedoch kaum als solche erkennbar; Programme für Audio-Deepfakes sind weit entwickelt.
Selenskyjs Auftritt ohne Anzug sorgt für Kritik
Trotz der Fälschung bezieht sich das KI-Fake auf einen echten Vorfall: Trump war offenbar tatsächlich verärgert über Selenskyjs Kleidung, was zu Beginn des Treffens deutlich wurde, als er sagt: "Wow, sie haben sich aber schick gemacht." Selenskyj trug sein übliches schwarzes Sweatshirt im Militärstil mit dem Wappen der Ukraine auf Brusthöhe, ein Zeichen für Solidarität mit den ukrainischen Soldaten an der Front, wie Selenskyj in der Vergangenheit erklärt hat.
Mehrere Quellen berichteten dem Nachrichtenportal Axios, dass Trump sich über Selenskyjs Kleiderwahl ärgerte. Trumps Beraterstab hatte im Vorfeld darauf hingewiesen, dass es als respektvoller angesehen worden wäre, wenn der ukrainische Präsident auf seine übliche militärische Kleidung verzichtet hätte.
In den USA sorgt Selenskyjs Kleiderwahl schon länger für Kritik, vor allem von konservativen Medien. Auch am Freitag fragte Brian Glenn, Chefkorrespondent im Weißen Haus des konservativen amerikanischen Senders Real America's Voice, Selenskyj während des Treffens mehrfach kritisch, warum er keinen Anzug trage: "Sie weigern sich, einen Anzug zu tragen. (...) Besitzen Sie überhaupt einen?"
Russische Propaganda greift Selenskyj an
Auch russische Propagandamedien nahmen Selenskyjs Erscheinungsbild nach dem Treffen ins Visier. Der russische Moderator Dmitrij Kisseljow beispielsweise, dessen Sendung sonntagabends im Staatsfernsehen läuft, gilt laut Süddeutscher Zeitung als der "einflussreichste Propagandist des Landes". In der letzten Sendung machte er sich über Selenskyjs Dialekt und Kleidung lustig, bezeichnete Donald Trump als "Großmeister" und stellte den ukrainischen Präsidenten als ungeschickt dar, berichtete die SZ.
Der ukrainische Präsident ist immer wieder Ziel russischer Propaganda und gezielter Falschinformationen. Dabei geht es nicht nur darum, sich über ihn lustig zu machen – vielmehr ist diese Strategie Teil einer größeren Kampagne, die darauf abzielt, sein Ansehen zu beschädigen und das Vertrauen in seine Führung zu untergraben. Dabei verbreiten prorussische Akteure unter anderem Behauptungen, dass Selenskyj Luxusboote im Wert von mehreren Millionen Dollar besitze oder dass seine Frau teuren Schmuck in Millionenhöhe gekauft habe.
Diese Schmierkampagnen haben ein klares Ziel: die Glaubwürdigkeit des ukrainischen Präsidenten zu untergraben. Julia Smirnova, Senior Researcherin beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), sagte gegenüber der Deutschen Welle, dass Selenskyj eine zentrale Figur im Konflikt spiele: "Selenskyj ist Symbol der Ukraine, Symbol des ukrainischen Widerstands", erklärt sie. "Deshalb zielen viele Attacken persönlich auf ihn."
Wahrnehmung und Wirkung auf User
In der Kommentarspalte unter dem KI-Fake von Trump wird oft erkannt, dass es sich um eine Fälschung handelt – doch für viele Nutzer macht das keinen Unterschied. Einige schreiben etwa: "Das fühlt sich überhaupt nicht unecht an, denn man kann sich leicht vorstellen, wie Trump diese Worte öffentlich sagt." Oder: "Diese Videos sind realer als das echte Leben!" Andere geben zu, dass sie den KI-Fake zunächst für echt hielten. Der US-Schauspieler Tyrone Magnus postete sogar ein Reaction-Video auf YouTube, in dem er Trumps angeblichen Wutausbruch live kommentierte – erst gegen Ende merkte er, dass es sich um eine KI-generierte Aufnahme handelte.
Laut der Politikwissenschaftlerin Maria Pawelec können KI-Fakes bekannte Persönlichkeiten mit einer bislang unerreichten Präzision und Realitätsnähe imitieren. Die Expertin für Deepfakes und Desinformation forscht am Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) der Universität Tübingen. Sie erklärt, dass KI-Tools mittlerweile auch für Laien zugänglich sind und die Qualität der generierten Inhalte stark zugenommen hat. "Die Technologie ermöglicht es, neuartige Inhalte zu erschaffen, die vielleicht – noch – ein Überraschungsmoment haben."
Ob Menschen auf solche Fakes hereinfallen, hängt laut Pawelec von mehreren Faktoren ab. Dazu gehören die schnelle und oft unkritische Mediennutzung sowie der sogenannte "Confirmation Bias" – die Tendenz, Informationen eher zu glauben, wenn sie die eigenen Überzeugungen bestätigen. Mit Blick auf KI-Satire heißt das: Wer ohnehin eine bestimmte Meinung vertritt, ist eher geneigt, die künstlich generierten Inhalte für echt zu halten.
Fazit
Das Video von Trump, der angeblich über Selenskyj und dessen Kleidung herzieht, ist KI-generiert und stammt von einem Satire-Account. Jedoch bezieht sich das Video auf einen realen Vorfall — Selenskyj trug tatsächlich keinen Anzug bei einem Treffen in Washington und Trump war wohl darüber verärgert. Selenskyj ist seit Beginn des Ukraine-Krieges immer wieder das Ziel von Schmierkampagnen; auch dieses Mal machten sich russische Propagandamedien über seine Kleidung lustig.
Dass die KI-Technologie sich weiterentwickelt und bekannte Persönlichkeiten täuschend echt nachahmen kann, zeigt auch die Kommentarspalte unter diesem Video: Einige User hielten es für echt. Und selbst die User, die es als KI-generiert erkannten, kommentierten den Inhalt wohlwollend. Laut Experten könnte dort der Confirmation Bias eine Rolle spielen: Informationen, die in ein existierendes Weltbild passen, werden als wahr angenommen und widersprüchliche Informationen ausgeblendet.
Quellen
BBC: How criticism of Zelensky's clothing made it to the Oval Office
Axios: Inside the Oval: How Trump sent Zelensky home with no deal and no meal
BR24: Eklat statt Deal: Offener Streit zwischen Trump und Selenskyj
Süddeutsche Zeitung: Das politische Moskau muss sich neu sortieren
Deutsche Welle: Faktencheck: Selenskyj als Ziel russischer Fake News
BR24: Satire mit KI-Fakes: Zwischen Humor und Falschinformation
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