Der 25-jährige Moritz Brückner sitzt in einem Rollstuhl und lächelt in die Kamera
Bildrechte: BR
Audiobeitrag

Der 25-jährige Moritz Brückner tritt mit der deutschen Mannschaft bei den Paralympics im Rollstuhl-Rugby an.

Audiobeitrag
> Sport >

Para-Athlet über Rollstuhl-Rugby: "Wie Schach und Autoscooter"

Para-Athlet über Rollstuhl-Rugby: "Wie Schach und Autoscooter"

Der 25-jährige Moritz Brückner ist einer von sechs schwäbischen Athleten bei den Paralympics in Paris. Seine Sportart: Rollstuhl-Rugby. Im BR24-Interview erzählt er, wie er zu dem Sport gekommen ist und was er bei den Paralympics erreichen will.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Seit rund einer Woche ist Moritz Brückner mit der deutschen Mannschaft im Rollstuhl-Rugby schon in Paris. Die Zeit hat das Team genutzt, um zu trainieren, sich im olympischen Dorf einzuleben und zusammenzuwachsen. Wie sein Sport funktioniert und wie er selbst nach einem schweren Surf-Unfall zum Profisportler wurde, erzählt er im Interview mit BR24.

BR24: Wie ist es bei den Paralympics, wie erleben Sie die Atmosphäre?

Moritz Brückner: Das ist eine ganz besondere Situation. Man erkennt die verschiedensten Athleten aus verschiedenen Ländern. Die ganze Stimmung hier vor Ort ist sehr cool, auch sehr inklusiv. Man sieht so viele Menschen mit so vielen verschiedenen Behinderungen, die aber einfach so gut und schön zusammenleben. Und es ist eine ganz eigene, sehr besondere, sehr schöne Stimmung.

"Mischung aus Schach und Autoscooter"

BR24: Zu Ihrer Sportart Rollstuhl-Rugby: Rugby ist keine verbreitete Sportart in Deutschland, Rollstuhl-Rugby wahrscheinlich noch weniger. Wie funktioniert das Spiel?

Moritz Brückner: Ganz simpel runtergebrochen: Wir haben einen Ball und zwei verschiedene Mannschaften mit jeweils vier Spielern auf dem Spielfeld. Wir fahren mit gepanzerten Rollstühlen, manche von uns mit Rammböcken mit Haken vorne dran. Das Ziel ist, den Ball in die Zone des Gegners zu bekommen. Es ist eine Mischung aus Schach und Autoscooter, sagen wir immer. Den Autoscooter-Aspekt kann man sich vorstellen. Schach, weil es sehr taktisch ist: Man muss sich sehr gut überlegen, wo man hinfährt, wie man seinen Mitspielern helfen kann. Es ist sehr sehenswert, es fliegen Stühle, es ist Action auf dem Spielfeld.

Wie es zu Brückners Surf-Unfall kam

BR24: Wie sind Sie zu diesem Sport gekommen?

Moritz Brückner: In der Erstversorgung in Murnau im Krankenhaus hat mich ein Physio auf Rollstuhl-Rugby angesprochen. Es ist die einzige Teamsportart für Tetraplegiker. Ich kann meine Hände und meine Beine eingeschränkt bis gar nicht bewegen und fürs Rollstuhl-Rugby muss man an mindestens drei Extremitäten eingeschränkt sein. Also war das für mich die perfekte Kombination.

BR24: Sie sind jetzt 25. Sie waren 19, da waren Sie mit einer Jugendgruppe in Chile und hatten zum ersten Mal die Gelegenheit, aufs Surfbrett zu steigen. Und dieser Tag hat ihr Leben drastisch verändert.

Moritz Brückner: Eigentlich war das nicht spektakulär. Ich wollte einfach Surfen probieren. Und Surfen an sich ist nicht besonders gefährlich. Ich bin von diesem Surfbrett runtergefallen und mit dem Kopf auf dem Sandboden aufgekommen. Es ist ein Unfall wie jeder andere auch, man stolpert und fällt blöd hin. Und dabei habe ich mir den Hals gebrochen und das Rückenmark eingeklemmt. Daraus resultiert, dass ich jetzt ein Tetraplegiker bin. Ich kann meine beiden Beine gar nicht mehr bewegen und die Hände eingeschränkt. Aber trotzdem kann ich damit noch richtig viel machen und ein genauso gutes Leben führen.

"Oder man macht halt weiter"

BR24: Berichten zufolge haben Sie eine Stunde nach der Diagnose Querschnittslähmung einen Plan gemacht, haben sich Stift und Papier geben lassen und sich aufgeschrieben, wie es weitergeht. Wo nimmt man sowas her?

Moritz Brückner: Ich lag da schon drei Tage im Krankenhaus, weil die Diagnose konnte man erst drei Tage nach der letzten OP stellen. Also, ich hatte schon genug Zeit. Man liegt halt drei Tage in diesem Bett. Und man sieht, einige Sachen gehen nicht mehr. Und man kann aufhören, liegen bleiben und nichts mehr tun. Oder man macht halt weiter. Und mit 19 Jahren habe ich einfach gedacht: Nein, das ist mir zu langweilig. Ich will noch einiges von der Welt sehen. Das will ich auch immer noch. Und ich bin weiterhin Moritz Brückner, ob jetzt mit Bein-Funktion oder ohne. Und da habe ich mir einfach aufgemalt und aufgeschrieben, was geht denn jetzt noch? Fußballstar werde ich nicht mehr. Aber vielleicht geht es ja irgendwo anders. Und tatsächlich ist das auch genauso gekommen.

Engagement für Menschen im Rollstuhl

BR24: Aktuell sind Sie Motivationsredner, Sie haben einen Podcast, Sie beraten andere Rollstuhlfahrer. Wie sind Sie auf diese Sachen gekommen?

Moritz Brückner: Das war anfangs gar nicht so klar für mich. Aber tatsächlich einfach, indem ich es gemacht habe. Mein Ziel ist, durch den Podcast, durch Vorträge, durch Hilfsmittel-Entwicklungen die Rollstuhl-Szene ein bisschen voranzubringen und einfach Leuten zu helfen. Dass man aus einem Patienten wieder einen Ehemann oder eine Ehefrau macht oder aus Kids einfach wieder normale Kinder machen kann. Wo der Rollstuhl gar nicht das Thema ist, sondern es geht genauso weiter, wie davor, nur halt nicht mehr laufend, aber auf Rollen.

BR24: Das Auftaktspiel geht gegen Japan. Wie stehen die Chancen?

Moritz Brückner: Das ist immer schwierig zu sagen, weil, hier ist jetzt die Weltspitze. Japan ist sehr, sehr stark. Aber wir haben auch gut trainiert. Unser Ziel ist, auf jeden Fall den Sport einfach schön zu vertreten und da vor allem zu überraschen. Mal gucken, ob wir das hinbekommen.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!