Angestellte in Unternehmen haben ein Mitspracherecht, indem sie einen Betriebsrat wählen. Die Mitglieder sollen für die Rechte ihrer Kollegen einstehen und genießen dafür einen Sonderkündigungsschutz. Ein Privileg, das manchmal gegen Widerstände von Arbeitgebern verteidigt werden muss.
Betriebsratswahl-Premiere bei Vion in Landshut
Der Schlachthof von Vion am Stadtrand von Landshut beschäftigt mehr als 400 Mitarbeiter. Viele von ihnen informieren sich über die Betriebsratswahlen, eine Premiere für Vion. "Es ist spannend, die Gründung mitzubekommen," sagt Geschäftsführer Franz Beringer. "Es ist ziemlich überraschend, wieviel Zeitaufwand und Organisatorisches dahintersteckt, sowohl für den Betriebsrat als auch für den Betrieb."
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Mit großem Interesse verfolgt der Chef, welche seiner Mitarbeiter bei den Betriebsratswahlen antreten. Plötzlich lerne er die Angestellten von einer ganz anderen Seite kennen, sagt Beringer. "Ich hätte im Vorfeld nicht sagen können, dieser und jener Mitarbeiter wird sich für den Betriebsrat zur Verfügung stellen". Über einige Namen sei er überrascht gewesen. "Es freut mich, dass sie sagen: 'Jawohl, ich will Verantwortung übernehmen!' Es sind einige neue Gesichter dabei, mit denen habe ich nicht gerechnet und das finde ich eine schöne und spannende Sache." Nicht jeder Geschäftsführer reagiert so gelassen auf Betriebsratswahlen.
Die Mitarbeiter, die sich für die geplante Wahl aufstellen lassen wollen, kommen zu einem Informationstreffen zusammen. Gewerkschafter Wilfried Maxim ist zu Gast und erklärt den Ablauf einer Betriebsratswahl. Viel Planungsarbeit steht an. Sechs Wochen sind es noch bis zur Wahl.
Was motiviert die Mitarbeiter?
Metzger Michael Conrad beschreibt seine Motivation so: "Dass wir endlich mal mitreden und mitentscheiden dürfen, und nicht nur gewisse Leute. Und dass sie nicht erst mit uns diskutieren müssen, dass wir praktisch richtig zusammenarbeiten können mit denen. Das freut mich."
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Betriebsratswahlen nicht immer einfach
Ein starker Betriebsrat ist längst nicht in allen Unternehmen gewünscht. Zum ersten Mal soll es auch eine Betriebsratswahl in dem Familienunternehmen Humbaur in Gersthofen, einem Hersteller für Anhänger, geben. Doch die Wahl werde behindert, erzählen Mitarbeiter. Vor die Kamera wollen sie nicht. Ein Mitarbeiter sagt: "Die Stimmung ist etwas angespannt im Unternehmen, dadurch, dass die Leute zum Teil bedroht werden, dass sie ihren Job verlieren, manche bekommen Angebote, das Unternehmen auch zu verlassen etwa mit Abfindungen. Viele, die vorher für die Betriebsratswahlen waren, treten jetzt auch zurück, oder wollen nichts mehr damit zu tun haben, weil sie einfach sehen, dass man dann bedroht wird. Teilweise werden die Kollegen auch zuhause privat besucht."
IG Metall kritisiert "Druck auf Beschäftigte"
Der IG Metall Augsburg ist die Firma schon länger bekannt. Sie ist sich sicher, dass dort die Wahlen massiv negativ beeinflusst werden. Strafanzeigen seien bereits eingeleitet. "Man macht da schon erheblichen Druck auf die Beschäftigten. Die haben sehr viel Angst, sich überhaupt aufstellen zu lassen zum Betriebsrat", sagt Björn Kannler von der IG Metall Augsburg. "In normalen Firmen haben wir dieses Problem nicht. Die Leute kommen, schreiben sich in eine Liste ein. Bei Humbaur haben sehr viele gefragt, ob wir schon Leute haben, die sich für den Betriebsrat aufstellen lassen, notfalls würden sie noch mit dazukommen, doch eigentlich trauen sie sich nicht."
Ein Interview gibt das Unternehmen Humbaur der Redaktion nicht, aber ein schriftliches Statement. Darin heißt es unter anderem:
"Die Humbaur GmbH wendet sich nicht gegen die Gründung eines Betriebsrats und achtet selbstverständlich die demokratisch legitimierten Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer*innen. (…) Die weiteren Behauptungen der Beeinflussung der Wahlbewerber sind gleichfalls unzutreffend."
"Die Probleme sind, dass das Unternehmen nach außen zwar sehr offen kommuniziert, dass sie sich einen Betriebsrat vorstellen können und dass sie das auch mit unterstützen wollen, intern sieht es ganz anders aus", sagt Kannler.
Herausforderung: Betriebsratswahlen trotz Homeoffice
Thomas Zilker ist Betriebsrat bei T-Systems in München. Die Betriebsratswahl ist hier bislang immer reibungslos verlaufen. Dieses Jahr ist eine Herausforderung dazugekommen: Der 53-Jährige sorgt sich, ob sich genügend Mitarbeiter aufstellen lassen. Der Zulauf sei nicht mehr so groß. "Vor 38 Jahren, als ich in der Firma angefangen habe, da war es selbstverständlich, und das Betriebsratswesen war eine große Selbstverständlichkeit. Da gab es viele Kandidaten. Bei der diesjährigen Wahl war es schon spannend: Findet man überhaupt genügend Kandidaten?"
Ein Problem: Die meisten Mitarbeitenden sind im Homeoffice. Kommunikation findet vor allem virtuell statt. Persönlich getroffen haben sich die Kollegen in den vergangenen zwei Jahren kaum mehr. Zilker versucht, Kollegen zu motivieren, er selbst will sich dieses Jahr zum Betriebsratsvorsitzenden wählen lassen.
Während der Wahlen hat Zilker einen sehr vollen Terminkalender. Zeitintensiv sind die vielen Gespräche mit den Mitarbeitern. Er möchte wissen, was sie umtreibt. In den vergangenen Jahren sei die Work-Life Balance ein großes Thema geworden. Es gehe darum, Arbeit und Familie in Einklang zu bringen und um faire Arbeitsverhältnisse. "Dafür sind wir Betriebsräte auch da, um genau das mitzugestalten."
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