Ein Bauträger, der pleitegeht – ein Albtraum für die betroffenen Bauherren, aber auch für die Kleinaktionäre, denn das Unternehmen war börsennotiert. Der Großaktionär des Unternehmens hatte offenbar einen guten Riecher – und trennte sich vorher von seinem Aktienpaket. Viele Familien aber stehen fassungslos vor einem unfertigen Gebäude und haben niemanden, der für den Schaden aufkommt. Zum Zeitpunkt, als die Baufirma die Rechnungen ihrer Handwerker nicht mehr bezahlen konnte, hätten sich Unternehmensberater eine "goldene Nase" verdient, so die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) in ihrem neuen Schwarzbuch Börse.
Die SdK hat sich noch aus einem anderen Grund mit der Immobilienbranche beschäftigt: Einige Konzerne haben Schulden gezielt in Tochtergesellschaften verlagert – deren Aktionäre mussten hilflos zusehen, wie das Risikoprofil ihrer Beteiligung schlechter wurde.
Schwarzbuch soll Missbrauchsmuster aufzeigen
Wie auch andere Schutzvereinigungen vertritt die SdK vor allem die Interessen von Kleinanlegern auf Haupt- und Gläubigerversammlungen. Gegründet wurde sie 1959. Seitdem geht es darum, Mängel nicht nur zu benennen, sondern wiederkehrende Missbrauchsmuster aufzuzeigen, zum Beispiel bei der Emission von Anleihen. Damit verbunden ist auch der klare Appell an Gesetzgeber und Finanzaufsicht, die Rechte von Privatanlegern am Kapitalmarkt wirksam zu schützen.
Im Schwarzbuch Börse, sozusagen der Sammlung der größten Skandale 2024, ist auch wieder Kurioses dabei – freilich werden das die betroffenen Anleihegläubiger ganz anders sehen. Ein angebliches Pfandhaus für Luxusgüter etwa. Der Fall wurde zum Insolvenzkrimi, als herauskam, dass es bei den Geschäften tatsächlich um wertlose Teppiche und Labordiamanten ging. Damit wurden auch die Anleihen dieses Pfandhauses wertlos.
"Krisenkommunikation als Desaster"
Im aktuellen Schwarzbuch geht es einmal mehr um die Frage, ob und wie börsennotierte Unternehmen über drohende Schieflagen informiert haben. Das Kapitel über die BayWa trägt die Überschrift "Krisenkommunikation als Desaster". Tenor: Die tatsächliche Situation sei zu lange nicht korrekt dargestellt worden. Obwohl nur einen Monat zuvor eine Hauptversammlung stattgefunden hatte, informierte die BayWa ihre Anleger im Sommer in einer knappen Ad-hoc-Mitteilung über ein geplantes Sanierungsgutachten, als Reaktion auf die "angespannte Finanzierungslage". Inzwischen wollen viele frustrierte Aktionäre Schadensersatz einklagen.
Ein eigenes Kapitel beschäftigt sich mit den schleppenden Entwicklungen im Wirecard-Skandal. Er beschäftigt die Behörden seit Jahren, die Aufarbeitung kommt aber nur langsam voran. Der Strafprozess vor dem Landgericht München ist gerade eben erst bis zum Dezember 2025 verlängert worden. Seit November muss sich EY zudem im Kapitalanlegermusterverfahren (KapMUG) vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht für die Rolle als ehemaliger Wirtschaftsprüfer von Wirecard verantworten.
"Verfassungsrechtlicher Supergau"
Breiten Raum widmet die SdK dem StaRUG, dem Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz. Verabschiedet als Eilgesetz während der Coronapandemie gab es inzwischen einige Dutzend dieser Verfahren – die prominentesten waren wohl Varta und Leoni.
Mit dem StaRUG sollen sich angeschlagene Unternehmen möglichst zügig neu aufstellen und so Arbeitsplätze retten, statt in die Insolvenz zu gehen. Außerdem war ein Ziel, diskreter sanieren zu können, um das Risiko eines Imageverlusts für kriselnde Unternehmen zu vermeiden.
Eigentlich ist das gut gedacht, aber in der Praxis haben immer öfter die Kleinaktionäre das Nachsehen. Wenn 75 Prozent der Gläubiger zum Beispiel einem Schuldenschnitt zustimmen, dann können die anderen das nicht mehr verhindern. Im ersten Schritt erfolgt häufig ein Kapitalschnitt auf null. Damit werden die Aktien wertlos.
Bei einer sich anschließenden Kapitalerhöhung dürfen die Altaktionäre im schlimmsten Fall aber gar keine Aktien mehr zeichnen. Dieses Recht haben nur ein, zwei Großaktionäre. Und die bekommen so vergleichsweise günstig die Kontrolle über ein angeschlagenes, aber doch überlebensfähiges Unternehmen. Ein "verfassungsrechtlicher Super-Gau", urteilt die SdK.
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