Die zuletzt auf Rekordniveau gestiegenen Strompreise müssten der Wasserstoff-Branche in Deutschland eigentlich Auftrieb verleihen. Zeigt sich doch: Photovoltaik-Anlagen und Windräder reichen als Energiequellen nicht aus, wenn an dauergrauen Dezembertagen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Wasserstoff könnte als Energieträger helfen.
Und doch kommt die Branche nicht richtig in Tritt. Tatsächlich verläuft der Hochlauf der sogenannten Wasserstoffwirtschaft derart schleppend, dass sich der Erlanger Wasserstoff-Pionier Hydrogenious jetzt zu einem Stellenabbau gezwungen sieht. Rund 50 Jobs fallen weg.
Viele Faktoren machen es der Wasserstoff-Branche schwer
Dass Hydrogenios mehr als ein Viertel seiner Jobs streicht – dafür gibt es laut dem Erlanger Unternehmen gleich mehrere Gründe. In einer Stellungnahme, die dem BR vorliegt, ist von "geopolitischen Krisen, höheren Preisen für erneuerbare Energien und fehlenden regulatorischen Rahmenbedingungen" die Rede.
Um diesen Herausforderungen "langfristig zu begegnen", habe Hydrogenious einen mit Investoren und Teilhabern "abgestimmten Transformationsprozess vollzogen". Heißt: Stellenabbau. Rund 50 Jobs fallen vor allem am Firmensitz in Erlangen weg, aber auch am Standort in Neuss in Nordrhein-Westfalen.
Unternehmen will Beschäftigten bei Bewerbungen unterstützen
Die Beschäftigten, die nun ihre Jobs verlieren, will Hydrogenious bestmöglich unterstützen. Sie bekämen individuelle Coachings angeboten und Hilfe beim jetzt anstehenden Bewerbungsprozess. Außerdem wurden die Betroffenen bereits "während ihrer dreimonatigen Kündigungsfrist freigestellt, bei voller Lohnfortzahlung." Das Unternehmen beteuerte außerdem, dass es keine Pläne gebe, innerhalb des nächsten Jahres weitere Mitarbeitende zu entlassen.
Wasserstoff ist nicht nur zukunftsträchtig – der Energieträger ist bei entsprechendem Mischungsverhältnis mit Sauerstoff auch hochexplosiv. Bereits seit 2013 forscht Hydrogenious daher zu den Themen Speicherung und Transport von Wasserstoff. So hat das Erlanger Unternehmen etwa ein Verfahren entwickelt, bei dem Wasserstoff in einem chemischen Prozess an Benzyltoluol (BT) gebunden wird, ein Öl. So wird der Wasserstoff quasi flüssig und nur schwer entflammbar.
Deutschland hinkt bei Wasserstoff "meilenweit hinterher"
Erst Anfang Dezember war die Branche in Nürnberg beim Wasserstoffgipfel "Hydrogen Dialogue" zusammengekommen. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, die auch im Nationalen Wasserstoffrat der Bundesregierung sitzt, hatte dem bisherigen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft dabei ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Derzeit hinke man in Deutschland den Erwartungen "meilenweit hinterher", so Grimm. Diese Verzögerung sei auch für viele in der Branche engagierte Unternehmen ein Problem, hatte die Forscherin der Universität Erlangen-Nürnberg auf BR-Nachfrage erklärt.
Damit einzelne Geschäftsmodelle tatsächlich tragen, brauche es oftmals eine ganze Wertschöpfungskette. Grimm warnte, dass Deutschland eine "Abwanderung der energieintensiven Industrie beobachten" werde, wenn der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft nicht rechtzeitig gelingt.
Grimm sitzt seit Februar 2024 auch im Aufsichtsrat von Siemens Energy. Bei der Berufung gab es viel Kritik. So sahen andere "Wirtschaftsweisen" in dem Aufsichtsratsmandat einen unlösbaren Interessenkonflikt. Grimm erklärte damals, sie habe im Ministerium und Kanzleramt erfolgreich prüfen lassen, ob die Rollen vereinbar seien. Siemens Energy ist in der Elektrolyseur-Fertigung für Wasserstoff tätig.
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