Hubert Aiwanger beim Betanken eines wasserstoffbetriebenen Busses
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Hubert Aiwanger beim Betanken eines wasserstoffbetriebenen Busses

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"Für Aiwanger ist Wasserstoff alles": Grüne beklagen Schieflage

Fast 200 Millionen Euro investierte der Freistaat in den vergangenen Jahren in Wasserstoffprojekte - die Windenergie wurde mit 1,7 Millionen Euro gefördert. Die Grünen kritisieren dieses Ungleichgewicht scharf, Energieminister Aiwanger wehrt sich.

Hält Hubert Aiwanger (Freie Wähler) eine politische Grundsatzrede, dann kommt das Loblied auf den Wasserstoff so sicher wie das Schimpfen auf die Ampel. Nach Überzeugung des bayerischen Wirtschaftsministers kann die Energiewende nur mit grünem Wasserstoff gelingen. Als was er mal in die Geschichtsbücher eingehen möchte? Als "Wasserstoff-Minister".

Grünen-Energieexperte Martin Stümpfig wirft ihm eine einseitige Fixierung vor: "Für Aiwanger ist Wasserstoff alles. Da ist er auch blind für andere Bereiche." Stümpfig verweist auf Zahlen, die ihm das Wirtschaftsministerium geschickt hat: Demnach hat der Freistaat seit 2018 die erneuerbaren Energien mit 300 Millionen Euro gefördert. Mit knapp 200 Millionen Euro sei der Großteil davon in Wasserstofftankstellen, Elektrolyseure und verschiedene Forschungsprojekte im Wasserstoffbereich geflossen.

Weitere 100 Millionen seien für die Solarenergie ausgegeben worden. In die Windkraft seien dagegen nur 1,7 Millionen gesteckt worden, in die Geothermie sogar weniger als eine Million Euro. Windkraft und Geothermie würden eigentlich "überhaupt nicht gefördert in Bayern", beklagt er.

Stümpfig : Söder und Aiwanger "Zwerge in der Umsetzung"

Stümpfig kritisiert dabei nicht die Investitionen in den Wasserstoff, sondern die "enorme Schieflage". Wasserstoffproduktion sei wichtig, sagt er, aber es brauche im ersten Schritt erneuerbare Energie dazu, um nachhaltig Wasserstoff erzeugen zu können.

Mit den 300 Millionen Euro könnte die Staatsregierung seiner Einschätzung nach viel mehr für die Energiewende erreichen - wenn sie die richtigen Prioritäten setzen und andere Förderprogramme auf den Weg bringen würde. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Aiwanger seien stark bei Ankündigungen, "aber sie sind Zwerge in der Umsetzung".

Aiwanger kontert: "Aus der Luft gegriffen"

Aiwanger weist die Kritik entschieden zurück. Der Vorwurf, er habe nur Wasserstoff im Kopf, sei "völlig aus der Luft gegriffen", sagt er im BR24-Interview. "Wir kümmern uns um alle erneuerbaren Energien."

Beim Ausbau der Photovoltaik sei Bayern Spitzenreiter, bei der Wasserkraft "absolut führend", und bei der Windkraft hole der Freistaat "momentan massiv auf". So unterstütze der Freistaat den Ausbau der Windkraft, in dem er die "Windkümmerer" bezahle, die den Kommunen bei Projekten zur Seite stehen.

Minister setzt beim Wasserstoff auf Anschubfinanzierung

Die Grünen ziehen laut Aiwanger aus den Zahlen die falschen Schlüsse. "Wir bezahlen ja nicht die Windräder - im Gegensatz zu einer Wasserstofftankstelle, die wir zu einem hohen Fördersatz bezuschussen." Ein Windrad koste elf Millionen Euro, das könne nicht der Freistaat finanzieren, "sondern dafür gibt es genügend Investoren". Das gelte auch für Photovoltaik: "Dieses Geschäft läuft", sagt der Minister. Die Geothermie wiederum werde durch ein Bundesförderprogramm unterstütz, das "eindeutig verbietet, dass das Land noch Geld dazulegt".

Beim Wasserstoff gilt es dem Minister zufolge, das "System ins Rollen" zu bringen. "Zunächst mal würde ich die Grünen bitten, ihre anderen Bundesländer auf Trab zu bringen, dass die auch Wasserstoff fördern wie die Bayern." Und der Bund müsse - wie versprochen - "endlich" Wasserstoff-Lkw fördern. "Wir wollen die alten Diesel-Lkw von der Straße kriegen, die Stinker - und wollen dafür moderne Wasserstoff-Lkw." Der Bund liefere aber kein Geld. Nach der Anschubfinanzierung müsse dann irgendwann auch beim Wasserstoff "der Markt das Kommando übernehmen".

"Eine Leerstelle"

Grünen-Politiker Stümpfig betont dagegen, dass auch für die Windkraft noch Grundlagenforschung nötig sei. Bei der Geothermie stehe der Freistaat ganz am Anfang. "Wir haben einen Schatz in Bayern, auf dem wir sitzen, und die Staatsregierung tut nichts dafür, dass wir diesen Schatz nur ansatzweise heben." Der Bund schiebe hier gewaltig an, Bayern sei dabei "leider eine Leerstelle".

Mehr Geld des Freistaats für Geothermie wünscht sich auch der die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. "Wir würden es begrüßen, wenn mehr in Geothermie investiert würde", sagt Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. "Dieser Energieträger kann gerade für Bayern mit seinen erheblichen Potenzialen in der Wärmewende eine wichtige Rolle spielen."

Aiwanger bleibt bei seiner Linie

Insgesamt geht es laut Brossardt bei der Energiewende darum, keinen Energieträger und keine Technologie gegen eine andere auszuspielen: "Denn wir werden sie alle brauchen", betont er. Aktuell dürfe man "nicht zu restriktiv allein auf grünen Wasserstoff" setzen. Langfristig müsse das erklärte Ziel aber grüner Wasserstoff sein.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, Marian Rappl, lobt die Investitionen Bayerns in den Wasserstoffbereich: Um mit der internationalen Konkurrenz Schritt zu halten, müssten Bayern und Deutschland an Tempo zulegen.

Minister Aiwanger will ungeachtet der Kritik der Grünen weiter einen klaren Schwerpunkt auf den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur setzen. "Ohne Wasserstoff wird die Energiewende nicht gelingen", betont er. "Wasserstoff ist die Erneuerbare-Energie-Speicherform, die weltweit transportiert werden kann." Deswegen bleibt der Freie-Wähler-Chef dabei: Er will als "Wasserstoff-Minister" in Erinnerung bleiben.

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