Galeria Karstadt Kaufhof, FTI Touristik, Esprit Europa – zahlreiche große Unternehmen in Deutschland sind in diesem Jahr in die Schieflage geraten und haben Insolvenz angemeldet. Die Zahl der Pleiten von mittleren und großen Betrieben hat sich in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 im Vergleich mit dem Vorjahr verdoppelt. Das teilte die Wirtschaftsauskunftei Creditreform am Montag mit.
Aber nicht nur für die Großen sind es herausfordernde Zeiten. Auch insgesamt ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen deutlich gestiegen. Mit 11.000 waren es knapp 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Es ist der höchste Stand seit fast zehn Jahren.
Branchenverband: "Katastrophale Lage im Wohnungsbau"
Im ersten Halbjahr waren etwa 133.000 Beschäftigte von einer Insolvenz betroffen. Die Zahl der Firmenpleiten nahm in allen Wirtschaftsbereiche deutlich zu. Die Dienstleistungsbranche verzeichnete 6.500 Pleiten und legte damit um gut ein Drittel zu. Einen starken Anstieg gab es auch im Baugewerbe (+27,5 Prozent) und im verarbeitenden Gewerbe (+21,5). Auffällig ist Hantzsch zufolge vor allem die Entwicklung im Bau-Sektor, dieser sei volkswirtschaftlich besonders relevant.
Der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, Felix Pakleppa, sagte zu den Zahlen: "Die deutliche Zunahme der Insolvenzen im Bauhauptgewerbe ist besorgniserregend und vor allem auf die katastrophale Lage im Wohnungsbau zurückzuführen." Genehmigungs- und Auftragszahlen seien stark eingebrochen. Jetzt drohe der Weggang von Tausenden Fachkräften, die für wichtige Aufgaben wie Wohnungsbau und Energiewende dringend benötigt würden, sagte Pakleppa.
46.000 Geschäftsschließungen seit 2020
Bauvorhaben verteuerten sich wegen des kräftigen Anstiegs der Kreditzinsen und der gestiegenen Baukosten in den vergangenen zwei Jahren stark. Nach Angaben des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie sind die Firmen aus der Branche von der Insolvenzwelle unterschiedlich stark betroffen.
Im Handel ist die Zahl der Firmenpleiten im ersten Halbjahr um ein Fünftel gestiegen. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, sagte dazu: "Der Einzelhandel geriet in den letzten Jahren angesichts einer hohen Kostenbelastung und eines schwachen privaten Konsums unter Druck." Seit 2020 mussten laut HDE deutschlandweit etwa 46.000 Geschäfte schließen.
Vor allem bei größeren Betrieben liegt das Insolvenzgeschehen weit über dem Niveau der vergangenen Jahre. Der Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch, sieht die Ursache vor allem in den aufgestauten Problemen der jüngsten Krisen. Zahlreiche verschuldete Firmen könnten aufgrund der schlechten Wirtschaftslage den Zahlungsverpflichtungen kaum nachkommen.
Anstieg in Niederlanden und Frankreich deutlich größer
Ein internationaler Vergleich von Creditreform zeigt: In den meisten westeuropäischen Ländern sind die Insolvenzzahlen von Unternehmen zuletzt angezogen, in einigen sogar stärker als in Deutschland. Besonders hoch war der Anstieg im Jahr 2023 in den Niederlanden (+54,9 Prozent) und in Frankreich (+35,6).
Wenig optimistisch fällt der Blick nach vorn aus. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) sah kürzlich zwar positive Signale. So war die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland im Mai erstmals seit November 2023 wieder gesunken. Viele Experten erwarten jedoch, dass die Insolvenzzahlen weiter steigen und in diesem Jahr zum ersten Mal wieder das Niveau vor der Pandemie übertreffen.
Mit Informationen von dpa
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