Was sollen die Bundeswehr und ihre europäischen Partnerarmeen in Zukunft können und welches Material brauchen sie in welchem Umfang? Über solchen Fragen brüten derzeit nicht nur die Militärs im Verteidigungsministerium, sondern auch die Strategen in der Rüstungsindustrie. Eines gilt jedoch als sicher: Angesichts einer gestiegenen Bedrohungslage wird Europa aufrüsten. Eine zentrale Rolle hat dabei Deutschland, das bevölkerungsreichste und wirtschaftsstärkste Land der EU.
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Bayern hat eine Schlüsselrolle
Wenn es um die Ausrüstung mit Waffen, Fahrzeugen, Fluggerät und Sonstigem geht, ist Bayern der mit Abstand wichtigste Standort in Deutschland. Nach Berechnungen der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) sind im Freistaat rund 45.000 Menschen in der Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie beschäftigt, Tendenz steigend. Darunter sind etablierte Branchengrößen wie Airbus, Diehl, MBDA, Hensoldt und KNDS Deutschland, aber auch rasant wachsende Startups wie der Drohnenhersteller Quantum Systems oder der KI-Spezialist Helsing.
Elektronik als Wachstumsmarkt
Große Investitionen erwarten Verteidigungsexperten zukünftig in die militärische Elektronik. Hier gelten europäische Streitkräfte wie die Bundeswehr bisher als vergleichsweise schwach ausgestattet. "Fähigkeitslücken" – wie es in der Sprache der Militärs heißt – gibt es zum Beispiel bei Drohnen, bei künstlicher Intelligenz und bei der Luftabwehr, also dem Schutz vor feindlichen Flugzeugen, Raketen oder Drohnen. Dabei habe der russische Angriffskrieg in der Ukraine auch militärischen Laien gezeigt, welche Rolle gerade Drohnen und deren Abwehr in modernen Konflikten haben.
In der Rüstungsindustrie habe man diese Herausforderung schon vor Jahren erkannt, sagt zum Beispiel Ralf Ketzel, der Chef des Münchener Panzerbauers KNDS Deutschland. Die neueste Generation des Leopard 2 sei deshalb wesentlich besser gegen Angriffe aus der Luft geschützt als frühere Modelle.
Zulieferer mit Spezialtechnologie
Ein Erfolgsfaktor der bayerischen Verteidigungsbranche sind auch große Zulieferer. So baut zum Beispiel das Augsburger Unternehmen Renk Getriebe nicht nur für deutsche Panzer, sondern auch für Fahrzeuge in nahezu allen westlichen Ländern. Hensoldt im Osten von München wiederum ist ein Anbieter von Sensorik. Die Radare der früheren Airbus-Tochter finden sich in Kampfflugzeugen ebenso wie bei den Iris-T-Luftabwehrsystemen der Nürnberger Firma Diehl. Auch an der Börse sind Renk und Hensoldt erfolgreich. Die Aktienkurse der beiden Unternehmen haben in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt.
Israel und die USA als Vorbild für Innovationsbereitschaft
Grundsätzlich seien die Aussichten für die Rüstungsbranche gut, allerdings müsse alles künftig viel schneller gehen, sagt Peter Leibinger. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) verwies am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz auf Israel und die USA, wo Milliardensummen in die Förderung von Hightech-Startups gesteckt werden. Dies könne ein Vorbild für Deutschland sein, so Leibinger. Die hiesige Militärbürokratie müsse anerkennen, dass es auch in Deutschland junge, schnelle Unternehmen gebe, die ganz anders arbeiten als klassische Rüstungskonzerne. Passiere dies nicht, verschwende man Potentiale, so auch Uwe Horstmann, Mitgründer der Risikokapitalfirma Project A, einem der wichtigsten deutschen Investoren für Verteidigungs-Startups.
Neues Forschungszentrum in Erding
Mehr Tempo bei der militärischen Beschaffung und eine Orientierung an der Praxis soll es künftig auch in Deutschland geben. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kündigte jüngst an, in Oberbayern ein neuartiges Entwicklungs- und Erprobungszentrum aufbauen zu wollen. Am früheren Luftwaffenstützpunkt Erding soll eine Einrichtung entstehen, in der Forschungsinstitute gemeinsam mit Startups Innovationen entwickeln, die dann auch möglichst schnell von Soldaten auf ihre Praxistauglichkeit getestet werden. Das soll Zeit und nicht zuletzt Geld sparen.
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