Strickst du noch oder streamst du schon? Immer mehr Tätigkeiten des Alltags laufen digital ab. Das ist vor allem für diejenigen ein Problem, die lange für sich gehofft haben, dieses Internet nicht mehr zu benötigen. Aber spätestens seit der elektronischen Patientenakte ist klar: Digitalisierung ist politischer Wille. Und der Weg dorthin ist für viele alles andere als selbstverständlich. Während jüngere Generationen oft intuitiv mit digitalen Geräten umgehen, fehlt vielen älteren Menschen neben dem nötigen Wissen auch das Selbstbewusstsein, es sich anzueignen.
Wenn der Einstieg schwerfällt
"Die Senioren sind halt nicht mit der Technik aufgewachsen", heißt es oft entschuldigend. Holger Lehmberg kennt diesen Satz ganz genau. Er sagt ihn selber häufig. Allerdings nicht, um sich dann mit einem Achselzucken wegzudrehen, im Gegenteil. Der ehemalige Einkaufsleiter hat sich mit seiner Firma "Computerhilfe für Senioren" darauf spezialisiert, älteren Menschen den Umgang mit Smartphones, Tablets und Computern beizubringen.
Im "Haus der Begegnung" in Erding bietet er regelmäßig eine Handystunde an. Hier treffen sich Seniorinnen und Senioren, um sich helfen zu lassen, wenn beispielsweise Google Maps nicht funktioniert, das Roaming eingeschaltet werden muss oder die ständige Fragerei nach Cookies einen in den Wahnsinn treibt.
"Es gibt viele Momente, die den Senioren unangenehm sind – weil sie nicht wissen, wen sie fragen sollen", erklärt Lehmberg. "In der Familie haben die Jüngeren oft keine Geduld, da heißt es dann schnell: 'Klick mal hier, klick mal da. Hast du es immer noch nicht verstanden?'" In so einer Atmosphäre traut man sich eben nicht, zu fragen, was ein Selfie ist.
Digitale Hürden betreffen viele Menschen
Doch fehlende digitale Kompetenz ist nicht nur ein Problem älterer Menschen. Laut Statistischem Bundesamt (externer Link) haben in Deutschland mehr als 3,5 Millionen Menschen zwischen 16 und 74 Jahren noch nie das Internet genutzt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Manche haben schlicht kein Interesse, andere fürchten sich vor Betrug und Datendiebstahl. Auch körperliche oder kognitive Einschränkungen können ein Grund sein.
Gerade im Alltag werden digitale Kenntnisse jedoch immer häufiger vorausgesetzt: Arzttermine werden über Online-Portale vergeben, Fahrkarten gibt es oft nur noch als E-Ticket und Bankfilialen schließen zunehmend. Wer sich in dieser Welt nicht zurechtfindet, riskiert, abgehängt zu werden.
Große Nachfrage nach Unterstützung
Der Bedarf an Hilfsangeboten ist groß. Silke Hörold-Ries, die Seniorenbeauftragte in Erding, berichtet, dass die Smartphone-Kurse der Volkshochschule immer sofort ausgebucht sind. "Die Nachfrage ist riesig", sagt sie. Besonders wichtig seien Kommunikationsmöglichkeiten wie WhatsApp, aber auch ganz praktische Fragen: "Wie buche ich ein Ticket? Wie scanne ich einen QR-Code?"
Bei dem großen Bedarf sind kostenlose Angebote wie Holgers Handystunde nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Natürlich bietet Holger Lehmberg auch Hilfe gegen ein Honorar an, doch nicht alle können sich die 60 Euro pro Stunde leisten. In den Niederlanden gibt es bereits ein Modell, das digitale Hilfestellung als bezahlbare und vor allem flächendeckende Dienstleistung anbietet: Ein "Digital-Club" bietet telefonische Beratung und regelmäßige Vor-Ort-Hilfe gegen eine monatliche Gebühr.
Verbraucherschutz oft viel zu löchrig
Ein weiteres Problem ist der Verbraucherschutz im Netz. Abofallen, versteckte Kosten und überteuerte Verträge sind gerade für unerfahrene Nutzer eine Gefahr. "Viele merken gar nicht, dass sie über den Tisch gezogen werden", sagt Lehmberg. Gerade deshalb sei es so wichtig, dass unerfahrenen Internet-Nutzern regelmäßig jemand zur Seite steht – unabhängig von der individuellen Kaufkraft.
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