Der angeschlagene Porzellan-Hersteller Rosenthal wird seinen Betrieb am Standort Speichersdorf einstellen. Das teilte das Unternehmen am Donnerstagnachmittag mit. "Die Produktion am Werk in Speichersdorf wird voraussichtlich bis Ende 2026 weitergeführt, allerdings mit rückläufigen Volumina. Danach wird der Standort ausschließlich für die Logistik des Unternehmens genutzt", heißt es in der Mitteilung.
"Speichersdorf verliert ein Stück Identität"
Bereits am Vormittag hatte Rosenthal die Belegschaft über den Schritt informiert, von dem rund 200 Beschäftigte betroffen sind. Auch Speichersdorfs Bürgermeister Christian Porsch zeigt sich enttäuscht: "Es ist ein schwarzer Tag für uns. Mit Rosenthal verliert Speichersdorf ein Stück Identität. Der Name gehört dazu, es gibt hier Vereine, die sich danach benannt haben", so Porsch.
Die 6.000-Einwohner-Gemeinde Speichersdorf wäre laut Porsch ohne Rosenthal – den größten Arbeitgeber vor Ort – nie so groß geworden. Die Gemeinde habe auch mit der Politik und dem Unternehmen immer wieder Gespräche gesucht, um den Standort zu sichern. "Wir haben Investitionshilfen und einen günstigen Industriestrom angeboten", so Porsch. "Wir werden als Gemeinde jetzt auch gefordert sein, den betroffenen Familien Perspektiven zu schaffen."
Mitarbeiter verzichteten zur Standortsicherung auf Geld
Über eine Standortschließung war bereits seit längerem spekuliert worden. Im März vergangenen Jahres hatte das Unternehmen bereits die Streichung von knapp 100 Stellen angekündigt. Ende November 2024 hatte Rosenthal angekündigt, dass weitere "strukturelle und personelle Einschnitte" vorgenommen werden müssten und eine Neuausrichtung notwendig sei. Das Unternehmen hatte dabei drei mögliche Szenarien genannt: Eine Einstellung der Produktion in Oberfranken, eine komplette Insolvenz oder die Schließung eines der beiden Werke in Selb oder Speichersdorf.
Nach Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft IGBCE und der Rosenthal-Unternehmensleitung hatte man sich dann im Januar darauf geeinigt, einen Produktionsstandort in Oberfranken zu erhalten und an diesem rund 16 Millionen Euro zu investieren. Im Gegenzug erklärten sich die Mitarbeiter bereit, einen Standortsicherungs-Tarifvertrag zu unterschreiben und drei Jahre lang auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie auf die Hälfte aller Lohnerhöhungen zu verzichten.
"Ohne Selb wäre Porzellan nicht vollständig"
Die Entscheidung, die Fertigung künftig an den Standort Selb zu verlagern, stößt dort auf Erleichterung. "Ohne Selb wäre Porzellan nicht vollständig, und Selb wäre ohne Porzellan nicht das, was es heute ist", wird Selbs Oberbürgermeister, Ulrich Pötzsch (Vereinigung Aktive Bürger) in einer Mitteilung zitiert. Dennoch bedauere er die Veränderungen am Standort Speichersdorf und hoffe auf eine sozialverträgliche Lösung für die Mitarbeitenden. Auch Wunsiedels Landrat Peter Berek (CSU) reagierte erleichtert. "Ich vergesse dabei aber nicht, welchen Einschnitt diese Entscheidung für den Standort Speichersdorf bedeutet."
Bisher 600 Mitarbeitende bei Rosenthal in Selb und Speichersdorf
Größte Herausforderung für Rosenthal ist seit Jahren ein verändertes Konsumverhalten der Kunden. Dazu kommen stark gestiegene Lohn- und Energiekosten sowie die Konkurrenz aus dem Ausland. Bislang beschäftigte das Unternehmen an seinen Standorten in Selb und Selb/Rothbühl im Landkreis Wunsiedel sowie Speichersdorf im Landkreis Bayreuth insgesamt 600 Mitarbeiter.
Rosenthal lotste einst Warhol und Dalí nach Oberfranken
Rosenthal galt im gesamten 20. Jahrhundert als eine der renommiertesten Porzellanmanufakturen der Welt. In den 60er- und 70er Jahren lotste der damalige Unternehmensleiter Philip Rosenthal regelmäßig Künstler von Weltruhm nach Selb, um dort für Rosenthal-Porzellan zu designen: unter anderem Andy Warhol, Salvador Dalí und Walter Gropius. Letzterer entwarf auch das Produktionswerk "Rosenthal am Rotbühl" in Selb.
Unternehmen war 2009 schon einmal insolvent
In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts gelang es Rosenthal, als einer von nur wenigen Manufakturen in Oberfranken, den allgemeinen Niedergang der Porzellanindustrie zu überstehen. Die damalige Aktiengesellschaft wurde 1997 vom britisch-irischen Waterford-Wedgwood-Konzern übernommen, der in der Finanzkrise 2008 zusammenbrach. 2009 musste dann auch die Rosenthal AG Insolvenz anmelden. Im selben Jahr erwarb der italienische Haushaltswarenhersteller Sambonet Paderno alle Produktionsstätten und Markenrechte und setzte die Produktion von Rosenthal-Porzellan in Oberfranken fort.
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