Mitarbeiter aus der Rüstungsindustrie bei der Arbeit.
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Mitarbeiter von Rheinmetall bereiten einen Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A4 auf.

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Rüstungsboom in Bayern: Zwischen Skepsis und Goldgräberstimmung

Rüstungsboom in Bayern: Zwischen Skepsis und Goldgräberstimmung

Der Autobranche drohen eine ungewisse Zukunft und der Verlust von Arbeitsplätzen, während die Rüstungsbranche von einem milliardenschweren Schuldenpaket profitiert. Manche sehen eine "Goldgräberstimmung" – skeptisch ist dagegen die IG Metall.

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Die Rüstung ist ein vergleichsweise kleiner Industriezweig in Deutschland: 105.000 Beschäftigte erwirtschaften einen jährlichen Umsatz von 31 Milliarden Euro. Zum Vergleich: In der Autoindustrie sind es gut 770.000 Menschen, der Umsatz dort lag zuletzt bei 536 Milliarden Euro. Doch während die Autobranche strauchelt, erlebt die Rüstungsindustrie einen Aufwind: Mit den neuen staatlichen Investitionen entsteht eine Art Goldgräberstimmung.

IG Metall in Bayern: "Rüstung kein Ersatz für Automobilbranche"

Bayerns IG Metall-Chef Horst Ott hat selbst als Maschinenschlosser beim Rüstungskonzern Renk gearbeitet und kennt die Dimensionen der Rüstung in Bayern gut. Er sieht das Potenzial skeptisch: "Nein, es ist kein Ersatz für die Arbeitsplätze aus der Automobilbranche, die da gehen." Es sei sicherlich ein Plus, aber kein vollwertiger Ersatz, fügt Ott hinzu. Dafür sei die Rüstungsbranche zu spezialisiert und die Automobilindustrie für die meisten Zulieferer unverzichtbar.

Den Boom in der Rüstung beobachtet Ott mit einem mulmigen Gefühl. Ihm ist wichtig zu betonen, dass "Rüstung für uns spezifisch erstmal kein Zukunftsthema ist, weil wir damit natürlich immer verbinden, dass die Güter in Kriegen eingesetzt werden. Und das ist natürlich etwas, wo wir sehr dagegen sind."

Kann die Rüstungsindustrie in Bayern neue Talente anziehen?

Naturgemäß anders bewertet man die Situation in der Rüstungsindustrie selbst. Dort herrscht Aufbruchstimmung. Die Verteidigung wird wohl von einem milliardenschweren Schuldenpaket erheblich profitieren. Kann das einstige "Schmuddelkind Rüstungsindustrie" der neue attraktive Arbeitgeber in Bayern werden?

"Wir stellen fest, dass junge Ingenieure ein großes Interesse an dieser Thematik haben", sagt Prof. Rafaela Kraus von der Universität der Bundeswehr in München. "Es hat sich komplett verändert." Ihrer Einschätzung nach hängt das auch damit zusammen, dass die Bedrohung der Demokratie, der wir uns gegenübersehen, viele junge Leute zum Nachdenken angeregt habe, ergänzt Kraus, sodass "das Thema Rüstung komplett anders bewertet" werde.

Wirtschaftsprofessorin: "Ich bemerke Goldgräberstimmung"

Kraus beobachtet eine regelrechte Euphorie in der Rüstungsbranche: "Ich bemerke diese Goldgräberstimmung bei allen Playern, die in irgendeiner Form von diesem Sondervermögen profitieren möchten." Doch nur Geld ins System zu geben, sei ineffizient. Man müsse auch die strukturellen und kulturellen Probleme in der Bundeswehr und in der Verteidigungsinnovation angehen, urteilt Kraus. Alteingesessene Rüstungsunternehmen könnten einen Lobby-Vorteil haben und junge Firmen mit frischen Ideen zu kurz kommen, so ihre Befürchtung.

Start-up aus Bayern: Drohnen für die Nato

Das Start-up Quantum Systems aus Gilching bei München testet unbewaffnete Drohnen für die Grenzüberwachung. Die Firma hat sich auf Aufklärungs-Drohnen spezialisiert und will sich mit dem Geschäftsmodell von den alteingesessenen Rüstungskonzernen wie KNDS oder Rheinmetall absetzen. Ihr Ziel: Vollautomatisierte etwa einen Meter lange Aufklärungs-Drohnen – made in Germany für NATO-Länder produzieren, um die Grenzüberwachung der Ostflanke mit geringem Personalaufwand sicherzustellen.

Bei Quantum Systems stehen die Themen KI, Robotik und Big Data im Vordergrund. Softwarespezialisten aus der ganzen Welt arbeiten hier. Ehemalige Maschinenbauer aus der Autoindustrie sind hier eine Seltenheit.

Hersteller hofft auf schnelleres Handeln der Politik

Anders sieht es beim Rüstungskonzern KNDS Deutschland aus: Hier könnten in Zukunft viele Maschinenbauer und andere Berufsgruppen aus der Autozuliefererbranche arbeiten. In einer ehemaligen Werkshalle für Züge der Firma Alstom in Görlitz soll nun der Rad- und Kettenfahrzeughersteller KNDS produzieren.

Die Auftragslage müsse verlässlicher werden und KI und Robotik dürften beim schuldenfinanzierten Finanzpaket nicht zu kurz kommen, appelliert Rafaela Kraus. Die Verantwortung von Politik und Industrie sei groß: Schließlich gehe es um die Zukunft unserer Verteidigung und um viel Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

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