Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein – also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, als auch wieder gebunden werden können. Der Großteil der für dieses Vorhaben notwendigen Investitionen lässt sich durch das Umlenken von Ausgaben für fossile Technologien hin zu klimaneutralen Alternativen mobilisieren, wie eine Studie im Auftrag mehrerer Agora-Denkfabriken errechnete.
Drei Viertel der Investitionen sind sowieso nötig
Der Gesamtbedarf an Investitionen – also ohnehin benötigte Investitionen und zusätzliche für den Klimaschutz – betrage von 2025 bis 2045 jährlich durchschnittlich 540 Milliarden Euro. Rund drei Viertel dieser Investitionen würden demnach auch ohne den Übergang zur Klimaneutralität anfallen. Sie seien "für den Erhalt und die Erneuerung insbesondere von Gebäuden, Industrieanlagen und Verkehrsmitteln" nötig, teilten die Denkfabriken mit. "Hier gilt es, Finanzströme durch Preisanreize und Marktregulierung auf klimaneutrale Lösungen umzulenken."
Nur ein Viertel der Summe entfalle auf sogenannte Klimaschutzinvestitionen. "Das sind Mehrausgaben für die Anschaffung klimaneutraler Technologien im Vergleich zu fossilen Referenztechnologien – zum Beispiel der höhere Anschaffungspreis einer Wärmepumpe im Vergleich zu einer Gasheizung", erklärten die Autorinnen und Autoren.
Die höheren Investitionen bedeuteten auch nicht immer Mehrkosten über den gesamten Lebenszyklus hinweg. "So sind zum Beispiel viele Elektroautos trotz aktuell höherer Anschaffungskosten aufgrund der geringeren Betriebskosten über die gesamte Lebenszeit bereits heute günstiger als Benzin- und Dieselfahrzeuge."
Denkfabrik plädiert für gezielte Förderung
Zur sozialen Flankierung von Klimaschutzmaßnahmen plädiert die Denkfabrik Agora Energiewende für gezielte finanzielle Hilfen für Haushalte etwa bei der Anschaffung eines E-Autos. Es brauche gezielte Förderung, um sich aus der Abhängigkeit von teurer werdenden Heizungen und Verkehrsmitteln "rauszuinvestieren", sagte Simon Müller, deutscher Direktor von Agora Energiewende, bei der Vorstellung der Studie in Berlin.
Die "alte Idee des Klimageldes", das der Idee nach an alle Haushalte zur Kompensation des steigenden CO2-Preises ausgezahlt werden soll, trage nicht. Bereits jetzt sei eine Dynamik ausgelöst worden, die dazu führe, dass Menschen mit hohem Einkommen den Weg des "Rausinvestierens" nehmen, etwa durch die Anschaffung von Wärmepumpen und E-Autos. Sie bräuchten keine Kompensation mehr, sagte Müller.
Zugleich räumte er ein, dass es als soziale Maßnahme neben der gezielten Förderung auch direkte Ausgleichszahlungen für einkommensschwächere Haushalte geben müsse, solange sie keine Chance haben, durch Investitionen ihre Energiekosten zu senken. Müller befürwortete dafür sozial gestaffelte Zahlungen statt pauschaler Beträge.
Klimafreundlichere Produktion: Erste Förderverträge
Für die Umstellung auf eine klimafreundlichere Produktion bekommen Unternehmen jetzt Geld aus einem neuen milliardenschweren Förderinstrument des Bundes. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) unterzeichnete in Berlin die ersten Klimaschutzverträge. Damit springt der Staat bei der Finanzierung klimafreundlicherer Produktionsverfahren ein und übernimmt die Mehrkosten, bis diese Verfahren günstiger und damit konkurrenzfähig sind.
Die 15 Unternehmen erhalten für die Umstellung ihrer Produktion zusammen maximal 2,8 Milliarden Euro. Ausgezahlt wird das Geld erst, wenn CO2 eingespart wurde. Die Höhe der Förderung hängt auch davon ab, wie sich die Preise von Energieträgern und Zertifikaten entwickeln. Beworben hätten sich sehr viele Mittelständler, sagte Habeck. Infrage kommen Branchen wie die Papier-, Glas-, Stahl- und Chemieindustrie. Ähnliches Interesse deute sich für eine nun startende zweite Bewerbungsrunde an.
- Zum Artikel: CO₂-Kompensation – überschätzt und irreführend?
Mit Informationen von dpa und epd
Im Video: Industrie-Umbau – Habeck übergibt erste Förderverträge
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