Seit drei Jahren leben Al-Hareth Alrefaey und seine Frau Zakie mit ihren beiden Kindern in Oy-Mittelberg. Ihr Zuhause sind zwei Zimmer in einer Unterkunft für Asylbewerber. Die Küche teilen sie sich mit einer weiteren Familie. Seit anderthalb Jahren sucht Al-Hareth eine Wohnung für seine Familie und findet keine.
1.200 Euro im Monat könnte Alrefaey für eine Wohnung zahlen: Er macht die Betten und putzt in einem Hotel, damit verdient er 2.000 Euro netto. Außerdem hat er noch einen Minijob. Und trotzdem sitzt der 29-Jährige in der Hotellobby und scrollt auf seinem Handy nur durch unbeantwortete Wohnungsanfragen und -absagen. "Auf zehn Bewerbungen kommen nur drei Antworten", klagt er.
Familie Wenninger muss aus ihrer Wohnung raus
Ähnlich geht es Familie Wenninger in Dillingen. Im Schlafzimmer der Eltern hat die Außenwand schwarze Flecken: Schimmel. "Jeden Winter kommt der Mist wieder. Wir haben schon so viel versucht, lüften ständig", sagt Sarah Wenninger. Die Kinder lassen sie dort nicht schlafen.
Seit mittlerweile eineinhalb Jahren suchen die Wenningers eine Wohnung, ohne Erfolg. 1.400 Euro im Monat warm könnte die Familie ausgeben. Sarah arbeitet als Postbotin, ihr Mann René kümmert sich derzeit um die Kinder. Auch wegen der Kinder, sagt er, hätten sie bisher nur Absagen bekommen.
Im Video: Schimmel in der Wohnung von Familie Wenninger
In Dillingen bewerben sich mehr als 100 Leute auf eine Wohnung
Weil sie nicht weiterwussten, sind die Wenningers zur "Wohnungsnotfallhilfe" der Diakonie Dillingen gegangen. Im Jahr suchen rund 500 Personen dort Rat und Unterstützung.
Beraterin Christina David sagt, der Druck habe zugenommen: Auf manche Wohnungen würden sich selbst in Dillingen mehr als 100 Menschen bewerben. Doppelverdiener ohne Kinder, ohne Haustiere hätten noch die besten Chancen. Dabei stehen im Landkreis Dillingen mehr als 150 Wohngebäude leer, zeigt eine Studie des Regionalvereins Donautal Aktiv. Viele der Wohnungen wären sofort bezugsfertig.
Auch im Allgäu gäbe es Potenzial: In der Gemeinde Oy-Mittelberg sind an vielen großen Häusern die Fensterläden heruntergelassen. Fast ein Viertel aller Wohnungen sind Zweitwohnungen, die nur in den Ferien genutzt werden.
In Bayern wird genug gebaut, sagen die Zahlen
Überhaupt mangelt es in Bayern nicht an Wohnungen, der Statistik nach. Rund 63.000 neue Wohnungen sind zuletzt jedes Jahr gebaut worden (Quelle: IW, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln). Der vorhergesagte Bedarf ist damit sogar fast gedeckt worden. Aber: Das bayerische Bauministerium in München spricht auf unsere Anfrage trotzdem von einem "nicht unerheblichen Nachholbedarf".
Denn Wohnungen seien nicht immer dort gebaut worden, wo der Bedarf am dringendsten sei. Außerdem bestehe ein "überproportional hoher Bedarf an sehr günstigem Wohnraum". In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Sozialwohnungen in Bayern deutlich geschrumpft.
Wohnungsmarkt stärker unter Druck wegen Flucht und Migration
Flucht und Migration setzen den Markt zusätzlich unter Druck: Das IW weist in seinem Wohnungsbedarfsmodell darauf hin, dass von 2021 bis 2025 vor allem wegen des Russland-Ukraine-Kriegs bundesweit 1,5 Millionen mehr Menschen nach Deutschland eingewandert seien als zunächst angenommen.
"Es ist in den letzten Jahren schon enger geworden auf dem Wohnungsmarkt", bestätigt Stephan Kippes vom Immobilienverband Deutschland (IVD). Besonders im Segment des günstigen Wohnraums fehlten Wohnungen. Dort also, wo Deutsche wie Geflüchtete, Studierende, viele Rentner und einkommensschwächere Familien vor allem suchen.
Geflüchtete finden nur schwer eine Wohnung
Besonders hoch sind die Hürden für Flüchtlingsfamilien. "Oft ist schon beim Nachnamen Schluss", sagt Vera Sauter vom Projekt "Wohnen für alle" bei der Diakonie Allgäu. Eine Wohnung zu finden, habe viel mit Vertrauen zu tun. Sauter: "Deshalb müssen die Menschen unbedingt Deutsch lernen."
Familie Alrefaey aus Syrien wartet weiter auf die Chance einer Wohnungsbesichtigung. Und die Wenningers in Dillingen haben nach anderthalb Jahren Suche eine erste Wohnung anschauen können – und eine Absage bekommen. Beiden Familien bleibt nichts anderes übrig als: weiter suchen.
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