Sie soll die Energiewende in Gebäuden ordentlich voranbringen: Die Wärmepumpe steht bei der Bundesregierung hoch im Kurs. Hersteller konnten sich noch im vergangenen Jahr vor Aufträgen kaum retten. Doch jetzt steckt die Branche tief in der Krise.
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Wärmepumpen sollen die Energiewende voranbringen.

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Vom Boom in die Krise: Probleme bei den Wärmepumpenherstellern

Die Wärmepumpe soll die Energiewende in Gebäuden ordentlich voranbringen. Hersteller konnten sich noch im vergangenen Jahr vor Aufträgen kaum retten. Doch jetzt steckt die Branche tief in der Krise – und hofft trotzdem auf eine gute Zukunft.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Erst Vollgas, dann Vollbremsung – der Wärmepumpenhersteller ait aus Kasendorf im oberfränkischen Landkreis Kulmbach steht sinnbildlich für die Achterbahnfahrt der Wärmepumpe. Im vergangenen Sommer wurden noch dringend neues Personal gesucht und Kapazitäten ausgebaut. Jetzt werden Beschäftigte entlassen, und die Produktion läuft auf Sparflamme.

Rückenwind von der Bundesregierung

Dass der Wärmepumpenhersteller ait aus Kasendorf sich vor Aufträgen kaum retten kann, wäre im vergangenen Sommer fast noch eine Untertreibung gewesen. Händeringend wurden neue Mitarbeiter gesucht. Rund 80 Millionen Euro wurden in eine neue Fertigungsstrecke investiert. Zulieferer kamen mit den Materialbestellungen kaum hinterher. Die Geschäfte hatten sich von 2022 auf 2023 verdoppelt, so Geschäftsführer Sjacco van de Sande. Die Produktion am Ortsrand von Kasendorf platzte buchstäblich aus allen Nähten. Der Wärmepumpenhersteller kaufte im nahegelegenen Thurnau ein Grundstück an der A70. Doch damit nicht genug: ait sicherte sich auch das Areal eines benachbarten, pleitegegangenen Möbelherstellers, um hier seine Produktion ausweiten zu können, die Rede war gar von einem sogenannten "Heat Pump Valley".

Dazu gab es massiven Rückenwind der Politik: Die setzt auf Wärmepumpen, um beim Thema Klimaneutralität im Gebäudesektor voranzukommen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gab das Ziel aus, dass die heimischen Wärmepumpenhersteller ihre Kapazität auf 500.000 Pumpen im Jahr hochfahren sollten. Mit Blick auf diese Forderung sagt Geschäftsführer van de Sande heute: "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht."

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Wärmepumpen sollen die Energiewende voranbringen. Hier bei der Firma ait aus Oberfranken.

Vom Boom in die Krise mit Stellenstreichungen

Und trotzdem kam dann alles ganz anders. Von zwei beziehungsweise drei Schichten wurde der Betrieb auf eine Schicht heruntergefahren. Um 14 Uhr ist derzeit Feierabend beim Kasendorfer Wärmepumpenhersteller. "Wir gehen hier durch stürmisches Wetter", sagt Geschäftsführer van de Sande. Von Leiharbeitern hat sich ait längst getrennt, eine Produktionsstraße im Werk steht komplett still.

Und auch um Stellenstreichungen kommt das Unternehmen nicht herum. "Leider", wie van de Sande sagt. Die Dimension des Stellenabbaus: rund 100 Jobs. Ein Drittel der im vergangenen Jahr neu geschaffenen Arbeitsplätze wird wieder gestrichen. Die Firma setzt dabei auf natürliche Fluktuation sowie ein "Freiwilligen-Programm".

Vielfältige Gründe: Krise bei "ait" als Sinnbild der Branche

Gründe für diese Achterbahnfahrt gibt es viele. Und sie treffen die gesamte Branche der Wärmepumpen-Hersteller, sagt Arno Dentel von der Technischen Hochschule Georg Simon Ohm in Nürnberg. Als einen Hauptgrund für die Krise sieht er die Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Eigentlich soll die seit Januar geltende Neuerung bewirken, dass klimafreundlicher geheizt wird. Weil im Vorfeld der Gesetzesänderung gar von einem "Gasheizungsverbot" die Rede war, hätten sich viele Hauseigentümer im vergangenen Jahr noch schnell für Gas- oder gar Ölheizungen entschieden. Tatsächlich wurden 2023 so viele Gasheizungen verbaut wie nie zuvor.

Dazu kommt laut Dentel der geplante Ausbau der Fernwärme. Weil die Planung der Kommunen andauert und sehr unterschiedlich sei, würden viele Hauseigentümer die Frage, für welche Heizung sie sich entscheiden, derzeit noch herauszögern. Auch das spüren die Wärmepumpen-Hersteller wie ait in ihren Auftragsbüchern.

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Wärmepumpenproduktiob bei der Firma ait in Kasendorf in Oberfranken.

Kritik an der Bundesregierung

Sjacco van de Sande, Geschäftsführer beim Wärmepumpen-Hersteller ait, macht für die derzeitige Krise der Branche vor allem die Bundesregierung verantwortlich. Zum einen sei das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) vor seiner endgültigen Fassung mehrfach überarbeitet worden. Das habe "viel zu lange gedauert", sagt van de Sande. Weil die letzten Änderungen erst im Dezember vorgenommen wurden, seien viele Hauseigentümer mit Blick auf anstehende Entscheidungen beim Heizungskauf verunsichert worden. Außerdem sei das GEG "zu bürokratisch, zu kompliziert".

Selbst im Falle einer Förderung müssten Hauseigentümer lange auf ihr Geld warten. Das helfe natürlich nicht dabei, das Vertrauen der Verbraucher wieder zu steigern, so der ait-Geschäftsführer. Er fordert daher jetzt auch konkrete Maßnahmen der Politik. Um der Branche wieder auf die Beine zu helfen, schlägt er verringerte Strompreise für den Betrieb von Wärmepumpen vor. Oder eine Senkung der Mehrwertsteuer, wenn es um den Kauf neuer Wärmepumpen geht.

Licht am Ende des Tunnels

Nichtsdestotrotz gibt sich der Wärmepumpen-Hersteller ait zuversichtlich, dass die derzeitige Krise lediglich eine "Delle" ist. Man blicke positiv in die Zukunft, sagt Geschäftsführer van de Sande. Mit Blick auf den Abbau von rund 100 Stellen sagt er: "Wir hoffen, dass das nur temporär ist." Mit Blick auf die Notwendigkeiten des Klimawandels ist sich van de Sande sicher: "Die Wärmepumpe ist gesetzt." Es gebe da nicht viele Alternativen.

Die Verbraucherzentrale NRW sieht es ähnlich: Trotz deutlich höherer Anschaffungskosten sei der Betrieb mit einer Wärmepumpe im Vergleich zu einer Gasheizung deutlich günstiger. Und das nicht nur bei Neubauten oder nach Komplettsanierungen. In einer Studie, auf die sich die Verbraucherzentrale NRW bezieht, ist von Einsparungen in Höhe von 10.000 Euro ist die Rede, gerechnet auf 20 Jahre.

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