Wie steht es um die bayerische Wirtschaft? Sie müsse wettbewerbsfähiger werden, erklärt Nina Czernich vom Münchner ifo-Institut. "Wir müssen von dieser Kostenschraube runter", fordert Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags. "Wir haben gute Mitarbeiter, aber im Moment ist das ganze System zu teuer."
Ist der Industriestandort Bayern noch wettbewerbsfähig?
Der Optikspezialist Rodenstock will weitere Teile seiner Produktion vom niederbayerischen Regen ins 70 Kilometer entfernte Klattau in Tschechien verlagern. Fast jeder zweite Mitarbeiter soll entlassen werden. Eine Arbeitsstunde in Tschechien kostet laut Wirtschaftsexperten nicht einmal die Hälfte.
Meldungen über Produktionsverlagerungen häufen sich auf Gößls Tisch. Fast jeder zweite Industriebetrieb will seinen Umfragen zufolge vorhandene Kapazitäten im Ausland ausbauen. Investitionen im Inland: rückläufig.
Deutschland ein "Höchststeuerland"
Laut Gößl liegt es an den Standortbedingungen in Deutschland: "Denken Sie an die hohen Energiekosten, die international nach wie vor nicht wettbewerbsfähig sind. Wir sind ein Höchststeuerland." Auch die Arbeitskosten seien jüngst stark gestiegen. "Und auf der anderen Seite fehlen bei uns die Nachfrage und die Aufträge", resümiert Gößl. Im ersten Halbjahr schrumpfte Bayerns Wirtschaft um 0,6 Prozent.
Das Schlimmste für einen Standort und für Zukunftsfähigkeit sei es, wenn Investitionen ausblieben, so Gößl weiter. "Weil dann moderne Technologie keinen Platz findet, weil auch Energieeffizienz durch neue Maschinen beispielsweise nicht realisiert werden kann." Die Digitalisierung und künstliche Intelligenz bleibe zurück.
Wo trifft es Bayern besonders?
Kritisch sieht die wirtschaftliche Lage auch das Münchner ifo-Institut. Monatlich befragt es tausende Unternehmen zu ihrer aktuellen Situation. Die Stimmung in der Wirtschaft ist so schlecht wie lange nicht.
"Die Beschäftigung in der Industrie ist in den ländlichen Regionen Bayerns besonders hoch", erklärt Czernich. "Die sind vom Strukturwandel besonders stark betroffen." Anders sehe es in den Ballungsräumen München und Nürnberg aus. Diese sieht Czernich sehr gut aufgestellt: "Hier gibt es schon viel Forschung, viele Innovationen und Zukunftsjobs."
Bayerische Unternehmen kämpfen – Trendwende nicht in Sicht
Der Industriezulieferer Schäffler will ab dem kommenden Jahr 2.800 Stellen allein in Deutschland streichen. Das Ziel: Wettbewerbsfähigkeit steigern. Jedes fünfte bayerische Unternehmen plant laut Umfragen einen Stellenabbau.
Arbeitsmarktforscher Professor Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg sieht eine Durststrecke kommen. "Die Industrie produziert 15 Prozent weniger als vor Corona, verliert im Moment 7.000 Jobs jeden Monat", so Weber. Was fehle, sei das Neue, also Betriebsneugründungen und neue Stellenausschreibungen. "Die Investitionen sinken seit Jahren und die Chancen von Arbeitslosen, jetzt in neue Jobs zu kommen, sind so niedrig wie noch nie. Bei der steigenden Arbeitslosigkeit werden wir so bald keine Trendwende sehen", prognostiziert Weber.
Hemmschuh Bürokratie
Das Statistische Bundesamt meldet seit zwei Jahren immer mehr Insolvenzen. Betroffen war auch ein Hersteller für Duroplaste in Gilching. Er konnte mit der Konkurrenz aus Billiglohnländern nicht mehr mithalten. Doch ein Investor aus Bayern übernahm die Firma. 90 Prozent der Arbeitsstellen konnten erhalten werden.
Trotz erheblicher Anlaufschwierigkeiten durch die Bürokratie, wie Simon Amesöder, Geschäftsführer von RF Plast, betont. In der Bürokratie sehen 90 Prozent der bayerischen Unternehmer laut IHK das größte Hemmnis für die Wirtschaft.
Arbeitsmarktexperte sieht auch Chancen
Für September meldet das Statistische Bundesamt ein überraschendes Auftragsplus in der Industrie. "Es gibt sehr wohl neue Chancen", zeigt sich auch Weber optimistisch. "Wir brauchen Investitionen, Innovationen, neue Geschäftsmodelle und müssen dann auch Beschäftigte systematisch in die aufstrebenden Bereiche weiterentwickeln. Wenn das gelingt, dann werden wir keineswegs mit einem Minus aus der Sache rausgehen. Aber im Moment bekommen wir leider eher nur die negativen Effekte der Transformation ab."
Auch der Staat müsse transformationsfördernd begleiten, sagt Zierlich. "Dazu gehört eine effiziente Verwaltung und eine Regulierung, die nicht alles gleich im Keim erstickt."
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