Die ehemalige Zentrale des Wirecard-Konzerns in Aschheim bei München.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Peter Kneffel

Das Landgericht München hat im Wirecard-Prozess die nächste Zeugin vernommen - eine langjährige Steuer- und Buchhaltungsexpertin.

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Wirecard-Prozess: Millionenschecks in Büroschränken

Uneingelöste Schecks in Millionenhöhe, aufgefunden nach der Insolvenz in Büroschränken der früheren Konzernzentrale des Zahlungsdienstleisters in Aschheim. Im Wirecard-Prozess lässt eine Zeugin den Richter Markus Födisch mehrmals ungläubig staunen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Bei Wirecard scheint es teilweise drunter und drüber gegangen zu sein. Dieses Bild zeichnet zumindest die Zeugin Tatyana T. am Mittwoch im unterirdischen Gerichtssaal beim Wirecard-Prozess am Landgericht München. Die 49-Jährige hat von 2006 an bei Wirecard gearbeitet, nachdem sie von einer Steuerkanzlei zu dem Zahlungsdienstleister gewechselt war. Ihre Aufgabe dort: Die Zusammenstellung der vierteljährigen Konzern-Geschäftszahlen. Ihr Vorgesetzter: Stephan von Erffa.

"Wirecard ist als Konzern schnell gewachsen"

Der Ex-Wirecard-Chefbuchhalter gehört neben dem früheren Vorstandsvorsitzenden Markus Braun und dem ehemaligen Statthalter des Zahlungsdienstleisters in Dubai, Oliver Bellenhaus, zum Kreis der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen unter anderem Marktmanipulation und bandenmäßigen Betrug vor.

Anfangs sei die Personallage in ihrem Bereich sehr angespannt gewesen, berichtet die Zeugin T. zu Beginn ihrer Vernehmung. "Wirecard ist als Konzern schnell gewachsen", erinnert sie sich. Für sie bedeutet das damals: viele Überstunden, viel Stress. Im Laufe der Jahre habe sich die Situation allerdings verbessert, zusätzliche Mitarbeiter seien dazugekommen. Richter Markus Födisch projiziert derweil verschiedene Folien an die Leinwand – Tabellen mit Zahlen von Kontoständen verschiedener Wirecard-Geschäftspartner, die T. zu erklären versucht.

Millionenschecks in Wirecard-Büroschränken

An einem Punkt entgleiten Födisch schließlich die Gesichtszüge. Fast nebenbei erwähnt die Zeugin T., dass sie nach dem Zusammenbruch von Wirecard Ende Juni 2020 in Büroschränken der Wirecard-Konzernzentrale in Aschheim Schecks gefunden habe, ausgestellt von Geschäftspartnern des Zahlungsdienstleisters, teilweise in zweistelliger Millionenhöhe. "Wenn ich mich richtig erinnere, waren das Schecks aus Dubai", sagt die langjährige Wirecard-Mitarbeiterin.

Die Millionenmetropole in den Vereinigten Arabischen Emiraten spielt im Wirecard-Skandal eine zentrale Rolle. Hier hatte zum Beispiel die Tochterfirma Cardsystems Middle East ihren Sitz und auch der sogenannte Drittpartner Al Alam, der dem Aschheimer Zahlungsdienstleister nach offizieller Konzern-Darstellung Hunderte Millionen-Gewinne beschert haben soll. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft war dieses Geschäft frei erfunden, um den Konzern profitabler erscheinen zu lassen, als er wirklich war.

Ob Teile des Geschäfts nicht existieren, sei nicht ersichtlich gewesen

Warum die Schecks nicht eingelöst worden seien, kann T. nicht sagen. "Wie kann denn das sein? Warum löst man die nicht ein? Das ist ja unglaublich? Sie wissen nicht mehr, warum bei Ihnen Schecks in zweistelliger Millionenhöhe nicht eingelöst worden sind?", fragt Födisch ungläubig. T. versucht, diesen Umstand damit zu erklären, dass Abteilungen mehrfach umgezogen seien. Vielleicht liege das daran, vermutet sie. Genaueres weiß sie nicht. Dass Teile des Wirecard-Geschäfts, wie die Staatsanwaltschaft vermutet, wohl nicht existiert haben, war für die Zeugin ebenfalls nicht ersichtlich. Sie vermittelt den Eindruck, als habe sie an die Echtheit des Business geglaubt.

Der Wirecard-Prozess findet seit Dezember 2022 am Landgericht München statt. Angeklagt sind neben von Erffa der frühere Wirecard-Vorstandschef Markus Braun und der ehemalige Statthalter des Zahlungsdienstleisters in Dubai, Oliver Bellenhaus. Die Anklage wirft ihnen unter anderem Marktmanipulation und bandenmäßigen Betrug vor. Mit einem Urteil ist nicht vor Ende dieses, beziehungsweise Anfang des kommenden Jahres zu rechnen.

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