Er lieferte sich im Gerichtssaal immer wieder hitzige Wortgefechte mit dem Vorsitzenden Richter Markus Födisch: Alfred Dierlamm, der Hauptverteidiger des Ex-Vorstandvorsitzenden von Wirecard.
Im vergangenen Herbst etwa warf Dierlamm Födisch vor, dieser wolle einen Brief des flüchtigen Jan Marsalek in der Schublade verschwinden lassen. Zu Dierlamms Verteidigungsstrategie gehörte auch, die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen der Staatsanwaltschaft, Oliver Bellenhaus, immer wieder in Zweifel zu ziehen. Mit mehreren, teils Hunderte Seiten langen Beweisanträgen hielt Dierlamm das Gericht seit Beginn des Wirecard-Prozesses im Dezember 2022 beständig auf Trab. Jetzt hat der renommierte Strafverteidiger sein Mandat niedergelegt.
Finanzielle Gründe entscheidend
In einem Schreiben, das BR Recherche vorliegt, teilte Dierlamm dem Gericht mit, "dass der Mandatsbeendigung ausschließlich wirtschaftliche Erwägungen" zugrunde liegen. "Gründe in der Sache selbst" spielten keine Rolle. Offenbar ist der Topf für Verteidigungskosten aus der Manager-Haftpflichtversicherung von Markus Braun mittlerweile leer. Dierlamm selbst schreibt dazu ans Gericht, dass die Finanzierung der Verteidigungskosten "nicht mehr gewährleistet ist". Angesichts des enormen Aufwands lege seine Kanzlei ihr Mandat nieder.
Ex-Milliardär Braun jetzt auf staatliche Pflichtverteidiger angewiesen
Markus Braun, als Ex-Chef von Wirecard auch größter Einzelaktionär des Unternehmens und zeitweilig Milliardär, wird nun von seinen Pflichtverteidigern vertreten. Die Kosten dafür übernimmt zunächst die Staatskasse. Federführend bei den Pflichtverteidigern ist Rechtsanwältin Theres Kraußlach. Sie ist seit Beginn des Prozesses Teil von Brauns Verteidigerteam.
Vor dem Münchner Landgericht wird seit eineinhalb Jahren gegen Braun und die weiteren Angeklagten Oliver Bellenhaus und Stephan von Erffa verhandelt. Ein Ende des Verfahrens ist derzeit nicht absehbar. Es geht um die Vorwürfe des bandenmäßigen Betrugs, der Untreue, der Bilanzfälschung und der Marktmanipulation.
Braun bestreitet alle Vorwürfe
Wirecard war im Juni 2020 zusammengebrochen, weil 1,9 Milliarden Euro, die auf Treuhandkonten auf den Philippinen liegen sollten, nicht auffindbar waren. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München habe es diese Gelder nie gegeben. Die sogenannten Drittpartner-Geschäfte mit Firmen aus Dubai, Singapur und Manila seien erfunden.
Markus Braun und sein bisheriger Verteidiger Alfred Dierlamm haben diese Darstellung immer wieder vehement bestritten. Geschäfte mit Drittpartnern habe es sehr wohl gegeben, nur hätte eine Bande um den flüchtigen Ex-Vorstand Jan Marsalek und Oliver Bellenhaus diese Erlöse veruntreut. Bellenhaus, der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft, weist das zurück. Der dritte Angeklagte, Stephan von Erffa, hat sich bisher im Prozess nicht geäußert. Ihm gegenüber hat das Gericht kürzlich deutlich gemacht, ein zeitnahes Geständnis könne sich vorteilhaft auf das mögliche Strafmaß auswirken.
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