Die Ukrainische Freie Universität in München leidet an Finanznot und platzt aus allen Nähten
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Die Ukrainische Freie Universität in München leidet an Finanznot und platzt aus allen Nähten.

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Die Ukrainische Freie Universität in München in Finanznot

Die einzige Hochschule außerhalb der Ukraine, an der auf Ukrainisch gelehrt wird, steht in München. Vor dem Krieg gab es 250 Studierende, jetzt sind es doppelt so viele. Der Krieg stellt die Universität vor große Herausforderungen.

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Die Ukrainische Freie Universität (UFU) in München ist vom Krieg in der Ukraine besonders betroffen. Am 24. Februar 2022 begann die Invasion russischer Truppen in die Ukraine. Seither sind viele Menschen vor dem Krieg geflohen. Sie fanden auch Zuflucht an der UFU in München, die Menschen aus der Ukraine unterstützt und trotzdem ihren Lehrbetrieb fortsetzt.

Ukrainische Freie Universität ist jetzt auch Hilfezentrum

Die UFU hat ein Hilfezentrum für Geflüchtete aufgebaut und unterstützt Ukrainer bei Ämtergängen. "Es gibt so vieles zu organisieren und die Zukunft der Universität ist so ungewiss", sagt die Rektorin der Universität, Maria Pryshlak: "Ich weiß nicht, wo wir in Zukunft unterrichten werden. Ich kann nicht planen, wie viele Studierende ich aufnehmen kann, weil ich nicht weiß, ob wir dafür das Geld haben und den Platz, sie unterzubringen." Der Krieg setzt den Lehrenden und Studierenden der UFU zu, aber auch die Finanznot, mit der die freie Hochschule zu kämpfen hat.

Seit 1945 in München

Die Ukrainische Freie Universität wurde 1921 in Wien gegründet. Nachdem der erste ukrainische Nationalstaat zerfallen war, zog die Universität noch im selben Jahr nach Prag weiter, wo viele Ukrainerinnen und Ukrainer im Exil lebten. Als sich 1945 die Rote Armee der Stadt näherte, flüchteten die Wissenschaftler der UFU in die sicher scheinende amerikanische Besatzungszone nach München. Seitdem ist sie in München-Nymphenburg in der Barellistraße angesiedelt.

Größte ukrainische Spezialbibliothek in Westeuropa

Die Ukrainische Freie Universität ist eine staatlich genehmigte Hochschule mit Promotions- und Habilitationsrecht. Sie versteht sich als Lehr- und Lernort ukrainischsprachiger Studenten aus aller Welt. Ihr fachliches Angebot reicht von Ukrainistik über Kunst- und Kulturwissenschaften bis hin zu Psychologie, BWL, Politik und Jura. Die ukrainische Sprache und Kultur spielen bei Bildungsveranstaltungen und Diskussionen in der Hochschule immer eine wichtige Rolle. Die rund 35.000 Bände umfassende Bibliothek gilt als die größte ukrainische Spezialbibliothek in Westeuropa.

Die Universität meistert derzeit einen hybriden Lehrbetrieb, weil etwa 150 Personen online studieren. Sie können kriegsbedingt die Ukraine nicht verlassen. Die Zahl der Studierenden in München hat sich in kurzer Zeit verdoppelt: von 250 Studierenden vor dem Krieg auf knapp 500 zwei Jahre später. Deshalb reichen die Räume in München-Nymphenburg nicht mehr aus. Bis Ende Juli 2024 können Dozentinnen und Dozenten Räume der Münchner Rück und MEAG nutzen. Hierfür müssen nur die Betriebskosten bezahlt werden.

Die Finanzsituation ist ungewiss

Studierende zahlen 600 Euro Gebühr pro Semester, aber Geflüchtete können sich die Semestergebühr oft nicht leisten. Der Freistaat Bayern gewährte einen bisher einmaligen Zuschuss von 100.000 Euro. Ob die außerordentliche Förderung weitergeht, "ist abhängig vom Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzen. Die Signale der Fraktionen CSU, aber auch von SPD und Grünen sind positiv, aber es muss eben auch dann beschlossen werden. Es ist aber keineswegs ein Selbstläufer", sagt Dieter Rippel, Beirat an der UFU. Im Bundestag laufe derzeit eine Petition für eine finanzielle Förderung, wobei völlig offen ist, ob die Petition erfolgreich sein wird: "Als staatlich genehmigte, rein private Universität ist es äußerst schwierig, irgendeine größere Förderung zu erhalten, selbst in unserer Situation, die sicherlich nicht mit anderen privaten Instituten und Universitäten vergleichbar ist."

Völkerrecht ist ein wichtiges Studienfach

Der Fortbestand der Ukrainischen Freien Universität ist auch deshalb wichtig, weil sie eine Art Hilfe zur Selbsthilfe ist. Beispiel Natalia Subbotina. Die junge Frau machte ihren Bachelor und Master in der Ukraine. Im Oktober 2021 kam sie als Stipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung nach Deutschland: "Ich war nach Kriegsbeginn am Hauptbahnhof als Anlaufstelle für unsere Geflüchteten. Das war notwendig, weil es ja so viele Leute gab, die kein Wort Deutsch sprechen." Derzeit promoviert sie an der UFU im Bereich Völkerrecht. Nach Abschluss der Doktorarbeit möchte sie in etwa einem halben Jahr in die Ukraine zurückkehren und an der Ukrainischen Katholischen Universität in Lemberg unterrichten. Das Risiko, im Krieg zu leben, geht sie ein: "Es wäre praktisch, hier zu bleiben, aber ich möchte mit meinem Wissen dazu beitragen, dass Völkerrecht wirklich funktioniert und eine Alternative zum Krieg aufzeigen."

Ukrainische Freie Universität bewältigt viele Aufgaben

In den Kursen der UFU sitzen traumatisierte junge Menschen, die ihre Erlebnisse aufarbeiten müssen. Deshalb gibt es an der UFU eine Anlaufstelle für psychologische Hilfe. Studierende der Pädagogik und Psychologie kümmern sich um traumatisierte Flüchtlings-Mütter und ihre Kinder. Doch trotz des Krieges in der Ukraine soll auch die universitäre Lehre weitergehen, was nur mit solider Finanzierung möglich ist. Außerdem möchte Rektorin Maria Pryshlak die Arbeit als Kulturbotschafterin der Ukraine fortsetzen: "Uns ist wichtig, Menschen über unsere Musik, Literatur und Kultur zu informieren. Wir fühlen uns der europäischen Kultur zugehörig und wollen unseren Beitrag dazu leisten."

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