Darum geht’s:
- Der Klimawandel macht Hitzewellen wahrscheinlicher - diese sind auch für die Gesundheit ein Risiko
- Menschen, die das Wissen über den Klimawandel ablehnen, versuchen oft, ihn zu verharmlosen oder zu leugnen
- Die Strategien der Verharmlosung sind erkennbar, die Scheinargumente widerlegbar
Auf die Hitze-Warnungen der vergangenen Tage reagieren einige Menschen ablehnend. Vor allem, wenn mit den Warnungen der Hinweis einhergeht, dass der Klimawandel extremes Wetter wahrscheinlicher macht - während langfristig beobachtetes Klima natürlich nicht zu verwechseln ist mit kurzfristigem Wetter.
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Für die kommenden Tage erwarten Wetterexperten hohe Temperaturen. Jedoch nicht so hohe, wie sie zunächst immer wieder genannt wurden. Im Netz hatte ein Tweet des Meteorologen Özden Terli die Runde gemacht. Er twitterte das Bild eines Temperatur-Modells, das für Deutschland bis zu 45 Grad Celsius zeigte. Im Text dazu benannte er, dass das Modell eben dies sei, ein Modell. Er betonte, dass es früh angelegt und noch kein Grund zur Unruhe sei - oder für eine Schlagzeile.
Schlagzeilen folgten dennoch mit den extremen Werten, und es entbrannte eine Debatte über Hitze, Wetter und Klima, die sich in diversen Posts auf dem Kurznachrichtendienst Twitter nachvollziehen lässt. Diese verraten einiges über die Strategien, mit denen Hitze-Ereignisse und der Klimawandel verharmlost werden.
- Zum Artikel "Klimakrise: acht extreme Hitzewellen seit 1960"
"Heiß war es früher auch schon, da hieß das 'Sommer'." - "So heiß wird es eh nicht." Zwischen diesen Polen schwanken die Versuche, den Klimawandel und die dadurch höhere Wahrscheinlichkeit für extremes Wetter zu leugnen. Was extremes Wetter genau ist, erklärt der #Faktenfuchs in diesem Artikel.
Klima-Fakten: Extremer, mehr Hitzewellen, mehr Trockenheit
Drei zentrale Fakten zum Klimawandel formulieren der Deutsche Wetterdienst und der Extremwetterkongress Hamburg zusammen in einem Bericht:
1. Die globale Erwärmung erhöht die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten bestimmter Extreme - wie Hitzewellen, und Extremniederschläge oder Dürren
2. Die Zunahme von Hitzewellen ist zweifelsfrei eine Folge der globalen Erwärmung.
3. Die Häufigkeit von Trockenphasen ist gestiegen.
- Zur Übersicht: "Hintergründe zum Klimawandel"
Doch genau diese Fakten versuchen Klimawandel-Leugner oft zu diskreditieren.
Strategie Nr. 1: Hysterie-Vorwurf und Rosinen-Picken
Zu den besonders häufig verwendeten Verharmlosungs- und Desinformations-Strategien zählt es, den Verweis auf große Hitze im Kontext des Klimawandels als Übertreibung oder als Hysterie darzustellen. Solche Scheinargumente folgen einem Schema. So wird, wenn jemand Hitzewellen oder Extrem-Hitze in den Kontext des Klimawandels stellt, dieser geleugnet und die Temperaturen schlicht auf "Sommer" reduziert:
"Bei uns fehlen nur knapp 30 Grad um 42 Grad zu erreichen. Hier sind wir näher am #Bodenfrost als an #Sommerwetter. Auf der Zugspitze schneits, so stellt man sich den Sommer vor. Und wenn es mal über 30 Grad wird ist das auch kein Klimawandel, nur #Sommer", schreibt ein User.
Hier werden erstens anekdotische Wetterereignisse einem Modell entgegengesetzt und zweitens Wetter mit Klima vertauscht. Dabei wird eben genau die Unterscheidung zwischen Wetter und Klima für die irreführende Aussage genutzt: Sie unterstellt denjenigen, die Hitze in den Kontext von Klimawandel stellen, die beiden Dinge zu verwechseln. Dabei blenden solche Aussagen selbst den wesentlichen Kontext aus. Denn statt des langfristigen Anstiegs von Durchschnittstemperaturen werden einzelne lokale Temperaturen herangezogen. So lässt sich aber die zeitliche und überregionale Entwicklung nicht korrekt darstellen. Nur die Beispiel auszuwählen, die zur eigenen Argumentation passen und dabei bewusst Lücken zu lassen, nennt man Rosinen-Picken. Eine bekannte Methode der Desinformation.
Genau dieses Muster findet sich sehr häufig: Einzelne Orte oder Regionen und deren relativ kühle Temperaturen werden als vermeintlicher Beleg dafür verwendet, dass es keine Erwärmung gebe. Eine Variante davon: An jenen Orten sei es über einige Jahre hinweg immer wieder nicht heiß genug. Damit wird vermeintlich dem Fakt Rechnung getragen, dass Klima eben langfristig gemessen wird. Allerdings nicht über den von Klimawandelleugnern bisweilen genannten Zeitraum von wenigen Jahren, sondern über 30 Jahre, anhand von Mittelwerten, Extremwerten und Häufigkeiten.
2. Lügen-Vorwurf
Eine weitere Strategie ist es, besonders hohen prognostizierten oder modellierten Temperaturen die Gültigkeit abzusprechen. Gibt es etwa Medienberichte, die für ihre Schlagzeilen mit besonders hohen Temperaturen spielen, werden diese herangezogen, um generell Temperatur-Modelle oder Prognosen in Zweifel zu ziehen. Ein Beispiel:
"Übrigens: die 56°C, die wir im Jahre 1957? (sic) schonmal gehabt haben sollen, sind genauso erlogen wie die 46 Grad, die wir jetzt angeblich bekommen sollen", schreibt ein Nutzer und twittert dazu ein Foto eines Titelblatts der Zeitung Bild vom Juli 1957. Dieses Foto kursiert schon länger im Netz und wird dabei häufig als vermeintlicher Beleg dafür benutzt, dass Warnungen vor dem Klimawandel übertrieben seien. Dieser Nutzer behauptet also, die Temperaturen seien erlogen - damals wie heute. Erfundene Angaben, so die Implikation, können keinen Klimawandel beweisen.
Die Bild-Schlagzeile von damals war reißerisch (die Temperatur wurde im Inneren einer Bahnhofsuhr gemessen), der Artikel jedoch klärte die Schlagzeile auf, wie der Faktencheck von Correctiv zu dem kursierenden Foto erläutert. Die Unterstellung hingegen ist: auch die "46 Grad" für die kommenden Tage seien "erlogen". Das impliziert: Es werde Stimmung mit Lügen gemacht, und mit Lügen könne man keinen Beleg für den Klimawandel liefern. Unterschwellig geht es hier sogar um einen Vorwurf, dass systematisch und seit langem gelogen werde. Das ist mit der reißerischen Schlagzeile jedoch nicht zu belegen.
3. Mythen
Dass der Mensch den Klimawandel verursacht, darüber sind sich weit über 90 Prozent der relevanten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen einig. Dennoch streiten das einige Menschen ab - und erklären die Sonne dafür verantwortlich, den Klimawandel verursacht zu haben. Hängt man diesem Mythos an, entfallen Verantwortung und Handlungsbedarf für die Weltgemeinschaft. Die Forschung widerspricht diesem Mythos.
Stattdessen ist es vor allem das Treibhausgas CO2 und damit der Einfluss des Menschen, der dem Klima schadet. Auch das zweifeln viele, wie der Nutzer oben, an. Wie CO2 jedoch tatsächlich wirkt, erklärte der #Faktenfuchs schon einmal hier und hier.
4. Ignorieren von Gesundheitsgefahren
Beliebt unter Klimawandel-Leugnern ist auch der Verweis auf das Jahr 1983 - damals sei es auch schon heiß gewesen: "40 Grad im Sommer gab es schon 1983 in Deutschland. Damals sind wir fröhlich ins Freibad gegangen anstatt uns auf Twitter über heißes Wetter aufzuregen. Insidertipp: Eis schmeckt bei Hitze auch besser. #Facepalm #Hitzewelle"
Was bei dieser Verharmlosung von Hitze als Freibad-Wetter untergeht, ist - abgesehen von der Einordnung in die globale Häufung - die Gefahr für die Gesundheit. Hitzewellen bedeuten durchaus Hitzetote.
Manche gehen gern auch noch ein bisschen weiter zurück als bis 1983 - und verweisen aufs Mittelalter. Auch dieser Mythos lässt sich wissenschaftlich widerlegen: Während es tatsächlich damals regional wärmer war als heute - global betrachtet war es kühler.
Wie sich die Erde erwärmt
Nicht bis zum Mittelalter, aber wissenschaftlich gesehen weit genug zurück geht der Klimaforscher Ed Hawkins, um die globale Erwärmung darzustellen - die über den langen Zeitverlauf auch regional sichtbar wird. Seine "Warming Stripes" sind auf einer Webseite als Daten-Visualisierung nämlich auch für einzelne Regionen verfügbar.
So zeigen die Temperatur-Streifen auch für Deutschland und Bayern, wie der Temperaturdurchschnitt hin zur Gegenwart stieg.
Fazit
Menschen, die den Klimawandel leugnen oder verharmlosen, nutzen verschiedene Strategien dafür. Sie setzen einzelne Temperaturmessungen - lokal oder zeitlich - an Stelle einer langfristigen und überregionalen bis globalen Betrachtung. Sie lassen Kontext aus und reduzieren einzelne Messungen auf "Sommer", sie greifen ihre Gegner als Hysteriker an. Sie unterlassen es, auf Gesundheitsgefahren durch Hitze hinzuweisen. Sie leugnen den Einfluss von CO2 auf den Klimawandel, obwohl diese und weitere Scheinargumente und Mythen wissenschaftlich widerlegbar sind: Der menschengemachte Klimawandel führt zu häufigeren Extremwetter-Ereignissen.
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