Eine Frau lässt sich gegen saisonale Grippe impfen. Diese Impfstoffe werden jeweils angepasst an die jeweils häufig vorkommenden Stämme.
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Eine Frau lässt sich gegen saisonale Grippe impfen. Diese Impfstoffe werden jeweils angepasst an die jeweils häufig vorkommenden Stämme.

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#Faktenfuchs: Warum gibt es bereits eine Vogelgrippe-Impfung?

Die Vogelgrippe H5N1 ist in den USA von Kühen auf Menschen übergesprungen. Finnen mit erhöhtem Risiko können sich gegen dieses Virus impfen lassen. In Deutschland haben Menschen Fragen und Sorgen rund um die Impfung. Der #Faktenfuchs gibt Antworten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Darum geht’s:

  • Der Vogelgrippe-Erreger H5N1 gilt als Kandidat, eine Pandemie auszulösen. Er zählt zu den Influenza-Viren.
  • Es ist denkbar, dass das Virus so mutiert, dass es auch von Mensch zu Mensch überspringen kann.
  • Es gibt schon lange Impfungen gegen Influenza-Viren für Menschen. Auch gegen Vogelgrippe-Viren sind bereits Impfstoffe zugelassen - und könnten bei Bedarf angepasst werden.

Die Erinnerung an die Jahre der Covid-19-Pandemie ist bei manchen noch stark präsent - auch weil sie noch immer Folgen haben, gesundheitlich wie gesellschaftlich. Kein Wunder also, wenn manche hellhörig werden bei der Meldung, dass der Vogelgrippe-Erreger H5N1 in den USA auf Menschen übergesprungen ist. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist zwar noch nicht bekannt - und auch von Tier zu Mensch sind zuletzt in den USA laut der US Centers for Disease Control and Prevention zehn Fälle gemeldet (Stand 19.07.2024). Dennoch können sich in Finnland - als erstem Land - seit Kurzem Menschen impfen lassen, die ein erhöhtes Risiko tragen, sich bei Tieren anzustecken. In Deutschland ist eine Impfung für Menschen bisher nicht geplant.

Das Interesse an der Vogelgrippe ist zuletzt dennoch gewachsen: Medien berichteten und führten Interviews mit Virologen. Und gerade Impfungen werden auf Social Media grundsätzlich immer wieder stark diskutiert, teils im Zusammenhang mit Falschinformationen. Bereits jetzt lassen sich bei einigen Accounts und Gruppen etwa auf Instagram, Telegram, in Foren sowie in den BR24-Kommentaren Beiträge finden, die Fragen und Sorgen thematisieren und mit Verschwörungstheorien verknüpfen - nach einem ähnlichen Muster wie bei Covid-19.

Das zeigen auch manche Beiträge in den BR24-Kommentarspalten. Ein Beispiel: "Die nächste Fakepandemie und das nächste große Geschäft für die Impfstoffhersteller - wahrscheinlich kann der Corona-Müll einfach umgelabelt werden…" Auf Telegram macht etwa der Verschwörungsideologe Ken Jebsen - auch wegen Aufrufen von Ampel-Politikern, Notfallpläne für die Impfstoffproduktion anzupassen - Stimmung mit den Worten "Nächste Plandemie". Mit diesem Begriff wird etwa Regierungen und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit Corona unterstellt, die Pandemie sei geplant oder zumindest benutzt worden, um den Plan umzusetzen, die Bevölkerung zu unterdrücken.

Dieser #Faktenfuchs trägt die derzeit bekannten Fakten zu dem Vogelgrippe-Virus und den entsprechenden Impfstoffen zusammen - und ordnet die Muster der Gerüchte ein.

Wie gefährlich ist das Vogelgrippe-Virus H5N1 derzeit für den Menschen?

Das Vogelgrippe-Virus H5N1 entwickelte sich in den vergangenen Jahren zu einer globalen Seuche. Gefährdet sind vor allem Wasservögel - Schwäne, Gänse, Enten und Möwen - und Hühner. (Mehr dazu weiter unten.) In den USA kursiert das Virus seit einigen Monaten in Kuhherden. Zehn Vogelgrippe-Infektionen wurden bislang dort bei Menschen registriert, nachdem sie Kontakt mit Kühen hatten. Zuletzt traf es eine Arbeitskraft eines Milchviehbetriebs im US-Bundesstaat Colorado. Diese zeigten nur leichte Symptome wie eine Bindehautentzündung. Doch je nach Virus-Variante kann die Vogelgrippe H5N1 auch schwere Lungenentzündungen auslösen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) registrierte zwischen 2003 und 2023 insgesamt 878 Vogelgrippe-Infektionen bei Menschen. 458 davon verliefen tödlich. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch wurde, wie gesagt, bisher nicht gemeldet.

Vogelgrippe-Virus gehört zu den Influenza-Viren

Der Vogelgrippe-Erreger H5N1 zählt zu den Influenza-A-Viren, die für den Menschen nichts Neues sind. Das ist ein Unterschied zu Corona: Zwar ist auch Sars-CoV-2 vom Tier auf den Menschen übergesprungen, es handelte sich dabei aber um kein Influenza-Virus und war zunächst neu für Menschen. In der Bevölkerung war zu Beginn der Covid-19-Pandemie noch keine Grundimmunität gegen diese Virus-Unterart vorhanden. (Bei einigen Influenza-A-Viren gibt es eine gewisse Grundimmunität in der Bevölkerung. Das erklärt das Robert Koch Institut hier, etwa unter dem Punkt "Warum verlaufen die Grippewellen unterschiedlich schwer?")

Zurück zu den Influenza-Viren: Sie sind sehr wandlungsfähig, deswegen gelingt es ihnen immer wieder, das menschliche Immunsystem zu überwinden.

Jeden Winter lösen sie leicht verändert eine mehr oder minder starke Grippewelle aus. Eine Infektion kann unterschiedlich schwere Symptome einer Erkältung hervorrufen, aber auch tödlich sein. Deshalb empfehlen Ärzte besonders Menschen mit hohem Risiko, sich anzustecken oder schwer zu erkranken, sich jedes Jahr erneut impfen zu lassen. Gegen Influenza-Viren kann man schon lange impfen. Die Impfstoffe werden jeweils im Sommer an die neuen Virus-Varianten angepasst, die sich voraussichtlich in der folgenden Grippe-Saison verbreiten werden.

Warum gibt es bereits einen in der EU zugelassenen Vogelgrippe-Impfstoff?

Influenza-Viren lösten in der Geschichte immer wieder Pandemien aus: 1968 die Hongkong-Grippe, 1957/58 die Asiatische Grippe und die Spanische Grippe von 1918 bis 1920, an der 20 bis 50 Millionen Menschen starben. Bei letzterer war der Erreger wie bei H5N1 ein Virus, das ursprünglich nur unter Wasservögeln verbreitet war (H1N1).

Derzeit ist besonders das Influenza-Virus H5N1 - also der Erreger der Vogelgrippe - ein Kandidat, um eine Pandemie auszulösen. Es grassiert seit Jahren unter Vögeln. H5N1 befällt aber auch zunehmend Säugetiere, zum Beispiel Füchse, Robben, Hausschweine, Seehunde, Nerze und Kühe. Diese stecken sich nicht nur bei infizierten Vögeln an, sondern auch untereinander oder bei anderen Tierarten. Laut einer aktuellen Studie der Cornell University in Ithaca wurde H5N1 in den USA höchstwahrscheinlich von Kühen auch auf Katzen und Waschbären übertragen. Mit jeder neuen Tierart, die das Virus befällt, hat es neue Möglichkeiten zu mutieren und gefährlicher für den Menschen zu werden. Daher gibt es bereits heute schon H5N1-Impfstoffe für Menschen. Der erste Impfstoff gegen H5N1 wurde in der Europäischen Union bereits 2008 zugelassen. Damit wollte auch die EU auf eine mögliche Pandemie vorbereitet sein.

Impfstoffe in Deutschland zugelassen - werden aber hier gerade nicht verimpft

In Deutschland sind derzeit sechs Impfstoffe gegen dieses Influenza-Virus zugelassen sowie einer gegen die Variante H5N8. Einige davon sind nur für den Fall einer Pandemie vorgesehen, die dann an die auslösende Virusvariante angepasst werden. "Wir haben Impfstoffe, die zugelassen sind, die in dem Moment, in dem ein Virus eine Pandemie auslöst, sehr schnell angepasst werden könnten", sagte der Infektiologe Leif Erik Sander von der Berliner Charité bei einem Online-Pressegespräch Anfang Juli. Wie alle in der EU zugelassenen Impfstoffe mussten sie für die Zulassung ihre Wirksamkeit in Studien nach den Vorgaben der Europäischen Arzneimittelagentur EMA belegen. Das gilt auch, falls weitere Impfstoffe zugelassen werden.

Bisher sei es in Deutschland aber nicht notwendig, gegen den Erreger zu impfen, sagt der STIKO-Vorsitzende Klaus Überla. Denn hierzulande bestehe kein akutes Infektionsrisiko, anders als etwa in den USA und Finnland. Dort besteht die Gefahr, dass sich auf Farmen Mitarbeiter bei engem Kontakt zu erkrankten Kühen und Nerzen anstecken. Deshalb können sich zum Beispiel Tierärzte in Finnland gegen die Vogelgrippe impfen lassen, da es dort mehrere Ausbrüche in Nerzfarmen gab.

Taugt der Vergleich mit der Corona-Pandemie?

Die Unterschiede der Vogelgrippe-Impfstoffe zu den Impfstoffen gegen die saisonale Grippe, die jedes Jahr aktualisiert zum Einsatz kommen, sind gering. Deshalb ist die Impfstoff-Situation bei der Vogelgrippe laut Leif Erik Sander von der Charité in Berlin eine ganz andere als zu Beginn der Corona-Pandemie. Damals musste ein Prototyp erst hergestellt werden.

Eine Reihe von Unternehmen entwickelt derzeit auch Impfstoffe gegen die Vogelgrippe auf mRNA-Basis, darunter Curevac aus Tübingen und der US-Konzern Moderna. mRNA-Impfstoffe lassen sich besonders schnell an neue Erreger anpassen und einfacher und in größeren Mengen produzieren als die Influenza-Impfstoffe, die bisher zum Einsatz kommen. Diese werden in Hühnereiern und Zellkulturen hergestellt. Der Impfstoff von Moderna wird bereits getestet. Erste Ergebnisse soll es im Laufe des Jahres geben.

Mit welchen Strategien werden die Gerüchte gestreut?

Die Entwicklung neuer Stoffe, besonders der mRNA-Impfstoffe, ruft Ängste hervor, die schon während der Corona-Pandemie, beim Marburg-Virus oder später bei den Affenpocken zu beobachten waren. Verschwörungstheoretiker nutzen solche Ängste für ihre Zwecke. Auf Instagram oder Telegram werden auch zur Impfung gegen die Vogelgrippe Gerüchte verbreitet. Sie können Sorgen verstärken. Es kann aber helfen, die Strategien zu kennen, mit denen solche irreführenden Aussagen gestreut werden, um nicht auf sie hereinzufallen.

Raunen - und Täuschungsmanöver

Pandemie-Planspiele von Institutionen oder Impfstoff-Forschung, also Prävention: Solche Prozesse werden in Verschwörungstheorien häufig als zu entlarvender Geheim-Plan dargestellt, der Bevölkerung im Verborgenen zu schaden. Belege für die Behauptungen gibt es nicht, meist werden haltlose Aussagen getroffen. Und selbst Belege gegen die Behauptungen werden nicht akzeptiert - sondern entweder als Teil der Verschwörungstheorie interpretiert - oder schlicht ignoriert. Bisweilen werden sogar Fakten als vermeintlicher Beweis für die angebliche Verschwörung benutzt - bei genauerem Hinsehen entpuppen sich die Beweise aber als untauglich. Etwa weil Zahlen oder Zitate aus dem Kontext gerissen und in einen irreführenden neu eingesetzt werden.

Ebenfalls häufig kursieren erfundene Behauptungen, die sich manchmal nicht einmal widerlegen lassen.

Einerseits ist an solchen Gerüchten also sehr häufig ein gewisses Raunen zu beobachten: Ohne Belege zu liefern, werden drohende Szenarien beschrieben, bestimmte Gruppen werden als Opfer inszeniert, vor allem Organisationen wie die WHO hingegen werden als übermächtig und unrechtmäßig herrschend, als diktatorisch, beschrieben. Das Muster "die gegen uns" spielt häufig auf eine Verschwörung an.

Die Gerüchte sind häufig voller Anspielungen, die vor allem jene verstehen, die schon länger entsprechende Inhalte sehen oder hören. Die Gerüchte berufen sich oft auf angebliche Insider-Informationen und rufen Gefühle der Bedrohung auf, den Impuls sich zu wehren gegen das vermeintlich "Böse". Zugleich können sie das Gefühl wecken, selbst als Held kämpfen zu können und in den "Widerstand" gehen zu müssen gegen die "Elite", die dem "einfachen Volk" schaden wolle. Zum Beispiel kann das Erleben, benachteiligt zu sein, und das Bedürfnis, von der Politik mehr wahrgenommen zu werden, durch solche Gerüchte und Verschwörungstheorien angesprochen - und im Sinne der Verbreiter ausgenutzt werden.

Fazit

Grippeviren lösten in der Vergangenheit bereits Pandemien aus. Die Variante H5N1 gilt unter Wissenschaftlern als Virus, das eine Pandemie verursachen könnte. Impfstoffe gegen Influenza-Viren - auch gegen Vogelgrippe-Viren - gibt es schon lange. Die in der EU zugelassenen Impfstoffe entsprechen den allgemeinen Impfstoff-Vorschriften. Derzeit wird in Deutschland nicht gegen die Vogelgrippe geimpft, da hier eine Übertragung auf den Menschen als sehr unwahrscheinlich gilt. Unsicherheiten und Fragen rund um die Vogelgrippe und Impfstoffe werden häufig von Verschwörungstheoretikern aufgegriffen, um Ängste zu schüren. Belege für die Behauptung, es werde eine nächste Pandemie böswillig geplant, gibt es nicht.

Quellen

Veröffentlichungen

ARD Alpha, So funktionieren Impfstoffe

ARD Tagesschau, Charité informiert über Bedrohungslage der Vogelgrippe

Ärzteblatt, Erster Präpandemischer H5n1-Impfstoff

Ärzteblatt, Prototypen-Impfstoffe: Bereit für eine H5N1-Pandemie

Ärzteblatt, Infektiologe: Vogelgrippe-Ausbruch bei US-Kühen als reelle Gefahr behandeln

BR24, Vogelgrippe H5N1: Darum impft Finnland, Deutschland aber nicht

BR24, Marburg-Virus: Nein, es ist keine zweite Pandemie "geplant"

BR24, Affenpocken: So werden Erzählungen zu Corona und Aids "recycelt"

BR24, Ken Jebsen als Quelle - Wie soll Wissenschaft sein?

BR24, #Faktenfuchs: Wie der Begriff "Widerstand" zweckentfremdet wird

Deutsche Presse-Agentur (dpa), veröffentlicht in Süddeutsche Zeitung, Infektiologe: Vogelgrippe-Impfstoff wäre schnell machbar

Europäische Arzneimittelbehörde, Adjupanrix

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Verschwörungstheorien

Moderna, A Study of mRNA-1018 Pandemic Influenza Candidate Vaccines in Healthy Adults

Nature, Spillover of highly pathogenic avian influenza H5N1 virus to dairy cattle

Paul-Ehrlich-Institut, Saisonale Influenza-Impfstoffe

Reuters, Finland to start bird flu vaccinations for humans, in world first

Robert Koch Institut, Influenza, Virus und Erkrankung

Robert Koch Institut, Influenza, Häufig gestellte Fragen und Antworten zur Grippe

Robert Koch Institut, Coronavirus SARS-CoV-2

Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, Verschwörungstheorien - Verstehen und der richtige Umgang

SWR, Vogelgrippe H5N1: Warum Finnland jetzt Menschen impft

US Centers for Disease Control and Prevention, CDC A(H5N1) Bird Flu Response Update, July 19, 2024

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