Nach den Überflutungen ist das Aufräumen in den betroffenen Regionen großflächig im Gange. Vereinzelt, zum Beispiel in Passau, verzögert sich das, von Entwarnung ist hier noch nicht die Rede. Dennoch wird die Katastrophe bereits politisch aufgearbeitet: Angesichts der schweren Hochwasserschäden hat das bayerische Kabinett ein Soforthilfepaket beschlossen und gestern aufgestockt: Der Freistaat will 200 Millionen Euro zur Verfügung stellen.
Klimawandel und Extremwetter: V-b-Wetterlagen hängen sich über Bayern fest
Aus präventiver Sicht ist entscheidend: Welche Lehren lassen sich aus der Katastrophe für zukünftige Hochwasser ziehen? Denn durch den Klimawandel wird es wohl immer häufiger zu so extremen Wetterlagen kommen. Sogenannte V-b-Wetterlagen zum Beispiel entstehen, wenn stabile Hochdruckgebiete über West- und Osteuropa vorherrschen. In diesem Fall kann sich über Südeuropa ein Tiefdruckgebiet bilden, das nach Mitteleuropa zieht und dort an den Alpen hängenbleibt. Durch den Klimawandel, davon sind Forschende überzeugt, werden diese V-b-Wetterlagen häufiger und vor allem intensiver.
Nach der Flut-Katastrophe: Bereitschaft nutzen
Nachhaltige Klimaanpassungen sind also aus wissenschaftlicher Perspektive durchaus notwendig – vor allem, solange der beängstigende Eindruck eines Hochwassers noch unmittelbar präsent sei, sagt Albert Göttle, früherer Präsident des Bayerischen Landesamtes für Umwelt und des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft. Seiner Erfahrung nach nehme die Bereitschaft, präventiv aktiv zu werden, in allen Ebenen nach wenigen Jahren wieder ab.
Der ideale Zeitpunkt zum Handeln wäre also jetzt. Hier stellt sich die Frage, welche Vor- und Nachteile die jeweiligen Vorkehrungen haben. Zunächst zu stationären Hochwasserschutzmaßnahmen:
Flutpolder gegen Hochwasser: Doch wer stellt Flächen zur Verfügung?
An kleineren Flüssen sind aufwendige Polder meist nicht erforderlich, um Hochwasser in Schach zu halten. Stattdessen können die Fluten im Fall der Fälle an Stellen gestaut werden, wo sie sich auf Auwiesen verteilen können. Ein Beispiel dafür ist das Hochwasser-Rückhaltebecken an der Paar südlich von Augsburg. Dabei wird ein Stauwehr in den Fluss eingebaut, um die Wassermassen zu steuern.
Flutpolder hingegen sind Senken oder Niederungen entlang von Flüssen, die unter dem Wasserspiegel liegen und von Deichen umgeben sind. Sie dienen dazu, bei Hochwasser gezielt geflutet zu werden, um angrenzende Gemeinden und Städte zu schützen oder damit Zeit für Evakuierungen gewonnen werden kann. Während des Hochwassers können sich die Fluten dann über die Fläche ausbreiten. Sinkt der Pegel, zieht sich das Wasser wieder zurück. Ein Problem dabei: Zu diesem Zweck müssen Flächen zur Verfügung gestellt werden, betont Albert Göttle: "Man hilft nicht dem, der den Flutpolder auf seinem Gebiet bauen lässt, man hilft dem Unterlieger." Nach der Flut werden die betroffenen Grundbesitzer zwar entschädigt, zum Beispiel für verlorene Ernte, dennoch kann das ein Hemmnis sein. Außerdem müssen Flutpolder auch durch technischen Hochwasserschutz ergänzt werden, also zum Beispiel durch Mauern. Das Zusammenspiel muss genau kalkuliert sein, sonst verpufft die Wirkung.
Renaturierung von Flussauen: Hilft bei weniger starken Ereignissen
Häufig wird auch die Renaturierung von Flussauen gefordert, um den Fluten wiederum Raum zu geben. Arnd Hartlieb von der Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft der TU München hat die Wirkung solcher Maßnahmen an der Donau in Computermodellen genau untersucht. Seine Berechnungen zeigen: "Bei kleineren Hochwasserabflüssen hat diese Renaturierung schon einen deutlichen Effekt. Sie bringt eine Verbesserung", sagt Arnd Hartlieb. Bei renaturierten Flüssen werden Polder also nur bei starkem Hochwasser nötig. Deiche sind aber trotzdem wichtig, um Siedlungen und Infrastruktur zu schützen.
Sandsack und Co.: Mobile Schutzmaßnahmen sind kurzfristig gefragt
Abgesehen davon gibt es auch mobile Schutzmaßnahmen, die kurzfristig Abhilfe schaffen können. Und da denken die meisten sogleich an ihn, den Sandsack. Reinhard Vogt vom Hochwasserkompetenzzentrum e.V. stellt fest: "Man braucht so viele Leute dafür. Das Ganze ist meistens undicht. Die Säcke sind nachher kontaminiert, sie sind nicht wiederverwendbar." Sandsäcke sind effektiv zur Stabilisierung von Dämmen, aber um Wasser auf Straßen oder an Gebäuden aufzuhalten, sind zusätzlich Folien sowie zahlreiche Helfer und viel Zeit erforderlich. Mittlerweile gibt es hier bessere Alternativen.
Für Privathaushalte eignen sich besonders einfache Lösungen wie L-förmige Elemente, die nebeneinander aufgestellt werden. Der kurze Schenkel zeigt in Richtung des Hochwassers und wird vom steigenden Wasser nach unten gedrückt, wodurch die Wand stabil bleibt. Eine weitere schnell aufbaubare Methode ist ein Baukastensystem aus Europaletten oder anderen Platten, die mit Stützen aufrecht gestellt und mit einer robusten Folie abgedeckt werden. Reinhard Vogt beschreibt, wie schnell der Aufbau geht: "Diese Plattensysteme, da haben wir zum Beispiel 600 Meter in viereinhalb Stunden aufgebaut." Für eine ähnliche Fläche brauche man 60.000 Sandsäcke. Und das würde nur kaum in vier Stunden gehen und wäre nicht annähernd so effektiv.
Hochwasserschutz ist eine langfristige Investition
Neben diesen Schutzmethoden gibt es auch noch sogenannte Dammbalken-Wände, aufrechtstehende abgedichtete Dielenwände aus Aluminium. Ob Polder, Stauwehre oder mobile Maßnahmen – fest steht, und darauf weist auch Hochwasserexperte Reinhard Vogt hin: "Mobiler Hochwasserschutz ist eine Investition, auch wenn sie sich auf Dauer rechnet. Aber keiner weiß natürlich, wann das nächste Hochwasser ist." Langfristig gesehen gehört aber auch dazu, im Überschwemmungsgebiet eines Flusses gar nicht erst zu bauen und der Natur somit ihren Raum zu geben.
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