In letzter Zeit machen sich mehr Menschen Sorgen nicht über die Zuwanderung selbst, sondern über die Auswirkung von Migration auf die Gesellschaft. Gleichzeitig scheint aber eine allgemeine Willkommenskultur weiter intakt zu sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung.
Für Studienautorin Ulrike Wieland ist das kein Widerspruch: "Das spricht eher dafür, dass die Migration-Skepsis, die wir jetzt sehen, sich nicht gegen die ankommenden Menschen richtet, also keine Ablehnung der Menschen an sich ist, sondern dass diese Skepsis sich eher auf die gesellschaftlichen Kapazitäten bezieht", erklärt die Expertin für Demokratie und Zusammenarbeit bei der Bertelsmann-Stiftung.
Skepsis richtet sich nicht gegen die Menschen
Gut Dreiviertel der Befragten gaben an, grundsätzlich eine positive Haltung in der Bevölkerung und den Kommunen Zugewanderten gegenüber wahrzunehmen. Zugleich erwarten ebenso viele eine zusätzliche finanzielle Belastung für den Sozialstaat. 74 Prozent fürchten Wohnungsnot in Ballungsräumen, und rund 71 Prozent sorgen sich um Probleme an den Schulen.
Auffallend dabei: Es macht einen Unterschied, ob jemand zur Ausbildung oder zum Arbeiten eingewandert ist, oder als politischer Verfolgter Asyl sucht. So nehmen 67 Prozent der Befragten eine offene Grundeinstellung gegenüber Geflüchteten in den Kommunen wahr. Bei Arbeitsmigranten sind es 78 Prozent. "Da ist die Offenheit größer", erklärt Ulrike Wieland. "Da machen manche Menschen in ihrer Wahrnehmung schon einen Unterschied, weil sie im Falle der Arbeitsmigrantinnen wirtschaftliche Vorteile für die Gesellschaft sehen, als möglichen Ausgleich für den Fachkräftemangel."
Ablehnende Haltung in der Minderheit
Die Studie belegt zwar, dass insgesamt mehr Skepsis gegenüber Migration da ist, und dass auch der Anteil derjenigen, die sich sehr ablehnend äußern, in den letzten Jahren zugenommen hat: von 20 auf 27 Prozent. Dieser Teil der Befragten gaben etwa an, Geflüchtete seien Gäste auf Zeit, die gar nicht erst in Deutschland integriert werden sollten. Trotzdem sei diese Haltung "immer noch eine Minderheitenposition", sagt Wieland.
Dass die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung der Migration gegenüber stabil ist, kann auch Fabian Gülzau vom Sachverständigenrat für Integration und Migration bestätigen. Alle zwei Jahre gibt der Expertenrat einen "Integrationsbarometer" heraus. Darin werden Menschen mit und ohne Migrationshintergrund danach befragt, wie sie das Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft erleben, ganz konkret in ihrem Alltag.
"Da zeigt sich doch ein eher positives Bild, zum Beispiel, wenn es um die eigene Nachbarschaft geht", erklärt Soziologe Fabian Gülzau. "90 Prozent erleben da eher positive Seiten der Migration." Man müsse zwischen den stark überhitzten parteipolitischen Debatten unterscheiden, die mitunter Ängste in den Menschen wecken, etwa vor einer Zuwanderung, die sich nicht mehr steuern lässt, sagt Fabian Gülzau. Und gleichzeitig müsse man die Sorgen ernst nehmen, die auch in der Bertelsmann-Umfrage zutage getreten sind, wie beispielsweise das Problem der Wohnungsnot.
Insgesamt wünscht sich ein Großteil der Befragten eine bessere Steuerung der Migration, auch auf EU-Ebene. Mehr Investitionen ins Bildungssystem und in den Wohnungsbau. Und 78 Prozent sprachen sich dafür aus, den Zugang von Geflüchteten auf den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Auch das geht aus der Studie der Bertelsmann-Stiftung hervor. "Im Endergebnis zeigt die Studie, dass ein Großteil der Bevölkerung nicht per se gegen Migration ist", sagt Ulrike Wieland, "dass sie sich jedoch von der Politik einen anderen Umgang damit wünscht."
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