In der Werkstatt der Paralympischen Spiele in Paris wird gehämmert, gebohrt und geschliffen. Das Team um Orthopädie-Techniker Heinrich Popow repariert und wartet die von den Athletinnen und Athleten benutzten Prothesen aus Carbon und Titan-Stahl.
Sportprothesen auf Stand der 90er Jahre
Jede Prothese wird passgenau abgestimmt: auf den Arm- oder Beinstumpf, aufs Gewicht und den Laufstil. Die Technik hat sich zwar entwickelt, so wie auch ein heutiger Laufschuh anders ist als einer von vor 30 Jahren. Aber es wird immer noch die im Prinzip selbe Grundtechnik verwendet, so Popow: "Die Sportprothese ist Technikstand 1990. Dieses Verständnis, dass die Technologie den Athleten antreibt, ist falsch. Es ist der Athlet, der die Technologie antreibt."
Im Profisport nur kleine technische Verbesserungen
In den 1990er-Jahren gab es für Prothesen im Sport die größten technischen Entwicklungen. Carbon, Titan-Stahl und spezielle Kunststoffe ersetzten Holz und Schaumgummi. Damit konnte sich der Weitsprung enorm entwickeln, erklärt der Biomechaniker Johannes Funken von der Deutschen Sporthochschule in Köln: "Wenn wir im letzten Schritt vom Brett abspringen, wollen wir viel Energie speichern. Wir kommen mit einer hohen Anlaufgeschwindigkeit und wollen diese dann umlenken in eine Abfluggeschwindigkeit. Die Prothesen sind sehr gut darin, diese Energie zu speichern und Energie wieder zurückzugeben."
Neue Rekorde mit Hilfe besserer Prothesen
Trotz dieser Energieabgabe der Prothesen sind Behinderte aber nicht im Vorteil gegenüber Nichtbehinderten. Aber sie helfen dabei, die Leistungen stetig zu verbessern. So lag bei oberschenkelamputierten Athleten der Weltrekord im Weitsprung 1990 noch bei 4,49 Metern. Aktuell springen die Athleten weit über sieben Meter.
Solche Sportprothesen kosten bis zu 15.000 Euro und sind damit für Sportler aus ärmeren Ländern oft nicht erschwinglich. Damit der Wettkampf trotzdem möglichst fair abläuft, sind zumindest der Ausstattung der Sportprothesen Grenzen gesetzt, so Heinrich Popow: "Das Reglement sorgt dafür, dass Prothesen, die man bei den Paralympics benutzt, mindestens neun Monate vor den Paralympics am Markt sind, damit die Leute damit auch trainieren können, ihren Bewegungsablauf darauf anpassen können und Chancengleichheit hergestellt ist. Und generell gilt, dass elektronische Hilfsmittel untersagt sind."
High-Tech im Alltag, normale Technik im Profi-Sport
Während also im Profi-Sport normale Technik benutzt wird, kommt im Alltag Spitzen-Technologie zum Einsatz. Mikroprozessoren unterstützen die Schrittabfolge automatisch. Im Alltag geht es nicht um einen mit fairen Mitteln ausgetragenen Sprint-Wettbewerb auf der Tartanbahn, sondern um sicheren Gang auf wechselndem Untergrund oder ums Treppensteigen.
Der Alpinskifahrer Christoph Glötzner ist oberschenkelamputiert und in seinem Sport ohne Prothese unterwegs. Im Alltag hingegen hilft ihm eine High-Tech-Prothese: "Ich kann entweder per App oder dadurch, dass ich ein paarmal auf der Prothese rumwippe, den Fahrrad-Modus aktivieren. Und dann kann ich mit derselben Prothese aufs Fahrrad aufsteigen und ganz normal in die Universität fahren. Wenn ich absteige, mache ich den normalen Modus rein und kann dann wieder gehen."
Es gibt aber auch Neuerungen, von denen Prothesenträger sowohl im Alltag als auch im Sport profitieren. Mittels 3D-Scans oder 3D-Druck kann zum Beispiel ein Prothesenschaft viel schneller passgenau angefertigt werden.
Springen mit Prothese anders als mit gesundem Bein
Dennoch ist für die sportliche Qualität der Wettkämpfe bei den Paralympics vor allem die Professionalisierung im Behindertensport entscheidend, meint Johannes Funken: "Was sich entwickelt hat, ist eben die Leistungsfähigkeit der Athleten beziehungsweise die Fähigkeit der Athleten, die Sportprothesen auch gezielt einzusetzen. Und da ist es dann auch ganz wichtig, das entsprechende Forschung betrieben wird, um zu verstehen, dass das Springen mit Sportprothese anders funktioniert als das Springen oder Laufen mit einem biologischen Bein."
Hightech-Prothesen helfen Athletinnen und Athleten in der alltäglichen Fortbewegung. Die Energie, die sie so sparen, stecken sie ins Training, um bei den Paralympics ihre sportliche Bestleistung zeigen zu können – mit Hilfe von Sportprothesen, die sie nur mit eigener Muskelkraft steuern.
Rundschau-Video: Paralympische Spiele: Prothesen für den Spitzensport
Abendschau-Video: Prothesen für Höchstleistungen - und den Alltag
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