Archiv: Zahlreiche Menschen halten sich am 13.06.2015 in Pfaffenhofen an der Ilm (Bayern) vor der Moschee der türkischen Gemeinde auf. Dort wurde die Moschee der türkischen Gemeinde eröffnet
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Archiv: Zahlreiche Menschen halten sich am 13.06.2015 in Pfaffenhofen an der Ilm (Bayern) vor der Moschee der türkischen Gemeinde auf.

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40 Jahre Ditib: Türkisch, bayerisch, integriert und angepasst?

40 Jahre Ditib: Türkisch, bayerisch, integriert und angepasst?

Seit 40 Jahren gibt es den türkisch-muslimischen Verband Ditib in Deutschland – in Südbayern und Nordbayern ist der Verband deutlich jünger. In Bayern steht der Verband für mehr als einen Moscheeverein.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Glauben Zweifeln Leben am .

Recep Bal führt in die Teestube der Ditib-Ensar Camii in Pfaffenhofen an der Ilm, der einzigen Moschee in der oberbayerischen Kreisstadt. Er zeigt auf die türkische Flagge an der Wand. Die Moscheegemeinde ist türkisch geprägt und gehört zum größten Islamverband in Deutschland: Ditib, die Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion – hier ist das definitiv nicht zu übersehen.

Moschee in Pfaffenhofen als Begegnungsraum

Seit 1985, also seit 39 Jahren, ist der türkische Verband Ditib in Pfaffenhofen beheimatet, fast so lange wie es den Bundesverband gibt. Der hat heuer 40-jähriges Bestehen gefeiert. Das Moscheegebäude in Pfaffenhofen ist neu: 2015 wurde es eröffnet – der Bau war nur durch Spenden finanziert, wie Vorstand Recep Bal betont. Vor dem hellen, gelb gestrichenen Kubus ist ein Kinderspielplatz. Hinter großen Fenstern verbergen sich im oberen Stock der Gebetsraum, im unteren Teestube, Waschräume und ein Kindermoscheeraum. Hier könnten sich Eltern und Kinder treffen, um ans religiöse Leben herangeführt zu werden.

Der Raum erinnert mit seinen bunten Postern an der Wand, den weißen Holzmöbeln, dem Kaufladen, den Puzzle, Steckspielen und Büchern an einen Kindergarten. Die Ditib-Moschee – das wird hier spätestens klar – ist viel mehr als ein Ort, an dem man sich zum Freitagsgebet trifft. Hier finden sich Frauengruppen, Jugendarbeit, Hilfe und Beratung bei Familien- und Eheproblemen, Pflege, Demenz und am Lebensende.

Größter Islamverband in Bayern - Geld kommt aus der Türkei

Die meiste Arbeit in den bayerischen Ditib-Gemeinden stemmen Ehrenamtliche. Meltem Kulacatan, Professorin für Soziale Arbeit der Internationalen Hochschule Nürnberg, sagt, sie würden viele Aufgaben übernehmen, die Kommunen und Städte nicht leisten, wie etwa die Bestattung und Überführung in die Türkei.

Knapp jede zweite Moschee in Bayern gehört zu Ditib – 153 der insgesamt rund 350 Gebetshäuser. An die 30.000 Mitglieder hat der Verband eigenen Angaben zufolge in Bayern. An Festtagen und bei Freitagsgebeten aber kämen ein Vielfaches gläubiger Muslime in die Moscheen.

Derzeit teilt sich der Verband in zwei Landesverbände auf: Ditib Nord- und Südbayern. Die Trennung ist historisch gewachsen. Aus internen Kreisen hört man, dass man daran arbeite, einen gemeinsamen bayerischen Landesverband zu gründen – um dann in politischen Fragen mit einer Stimme sprechen zu können.

Finanziell waren und sind alle Ditib-Gemeinden in Bayern angewiesen auf Unterstützung aus der bundesweiten Ditib-Zentrale in Köln und somit auf Geld aus der Türkei, sagt die Nürnberger Professorin Kulacatan.

Kritik an Ditib und Zusammenarbeit mit Ditib

Ditib wurde in der Vergangenheit immer wieder kritisiert, vor allem wegen seiner engen Verbindung zur Türkei und dessen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Imame von Ditib-Moscheen sind angestellt bei der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Zu Beginn des Gaza-Krieges stellten FDP und Grüne die staatliche Zusammenarbeit mit dem größten Islamverband in Deutschland infrage. Ihnen fehlte bei Ditib eine klare Distanzierung von anti-israelischen und antisemitischen Haltungen. Andere argumentieren, der Verband biete in Deutschland gewachsene Strukturen, man müsse mit ihm im Gespräch sein und bleiben.

Längst ist die Gemeindearbeit auch nicht nur auf türkischstämmige Muslime ausgerichtet. In der Moschee in Pfaffenhofen etwa wird nicht nur auf Türkisch, sondern auch auf Arabisch und Deutsch gepredigt. Zum Freitagsgebet kommen auch Muslime mit bosnischen, syrischen oder somalischen Wurzeln. Wenn der ehemalige Vorsitzende von Ditib Südbayern und Pfaffenhofener Moscheevorstand Recep Bal über das Verhältnis zum Ditib-Dachverband spricht, klingt das ein bisschen so, wie wenn mancher katholische Pfarrgemeinderat über sein Verhältnis zum Vatikan spricht: "Das, was Politik angeht, hat mit uns nichts zu tun." Er sei Gemeindevorstand, aber kein Politiker. Für ihn stehe deshalb auch im Vordergrund, Muslimen in seiner Heimat Pfaffenhofen ein religiöses Zuhause zu schaffen.

Stolz zeigt er den Gebetsraum. Die meterhohen Fenster lassen viel Licht durch, sie sollen für Offenheit stehen. Das Minarett sei angepasst, sodass sich niemand daran störe. Und der blau-weiße Teppich ist für Bal ein gutes Beispiel für Bayern. "Dieses Bauwerk hat sich sehr schön in die Umgebung integriert und angepasst", findet er.

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