Die Unterzeichnerländer der sogenannten Berner Konvention haben die Voraussetzungen für einen schnelleren Abschuss des Wolfes geschaffen. Für die Senkung des Schutzstatus von "streng geschützt" auf "geschützt" hatten sich vor allem die EU-Länder eingesetzt. Deutschland hatte dazu seine Meinung ebenfalls geändert, vor allem die bayerische Staatsregierung hatte darauf gedrängt. Entsprechend positiv fallen die Reaktionen nun aus.
Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir: Weidetiere besser geschützt
Die Zahl der Wölfe in Europa ist in den letzten zehn Jahren stark angewachsen. In der EU schätzen die Staaten die Zahl der Nutztiere, die von Wölfen gerissen werden, auf insgesamt mehr als 60.000 pro Jahr. Das sind vor allem, Schafe, Ziegen, Kälber und Ponys.
Deshalb ist der Druck in verschiedenen Ländern auf die Politik gewachsen. So schreibt etwa das Bundeslandwirtschaftsministerium, dass weiter strenge Regeln gelten, aber der Abschuss bestimmter "auffällig gewordener Wölfe" leichter geworden ist. Weidetierhaltung und Wolfsschutz könnten besser in Einklang gebracht werden, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) als Reaktion auf die Entscheidung. So könne beides gelingen, "die Zahl der Wölfe zu reduzieren und sie zu schützen". Die tragfähige Balance zwischen dem Schutz landwirtschaftlicher Existenzen und dem Naturschutz könne mit klaren, rechtssicheren Regeln besser gelingen.
Kaniber: "Wichtiger Schritt, dem weitere folgen müssen"
Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) spricht ebenfalls von einem "guten Tag für die Weidetierhalter und die Biodiversität". Sie sei erleichtert, aber für ein "aktives Bestandsmanagement" müsse schnellstmöglich die FFH-Richtlinie der EU geändert werden. Sie forderte darüber hinaus, dass der "günstige Erhaltungszustand für den Wolf für ganz Deutschland" festgestellt werden müsse.
Das ist umstritten, weil es in Norddeutschland sehr viele Wölfe gibt, in Bayern dagegen deutlich weniger. Ziel der Bayerischen Staatsregierung ist es, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Die CSU-Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber sagte, das Wachstum der Wolfsbestände müsse verringert werden, nur ein Dreiklang aus Herdenschutz, aktivem Bestandsmanagement und Schnellabschuss könne zum Erfolg führen.
Aiwanger: Wolf muss bejagt werden können
Nicht der Wolf sei gefährdet, "sondern die Weidehaltung." Wie es weitergeht bei den nötigen Rechtsänderungen, liege an der künftigen Bundesregierung. Eine Aufnahme ins Jagdrecht strebt auch der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) an, der für die Jagd zuständig ist.
Die Entscheidung des Europarats sei überfällig gewesen, heißt es in der Stellungnahme des Bayerischen Wirtschafts- und Jagdministers Aiwanger. Die Zahl der Wölfe in Europa habe sich innerhalb der vergangenen zehn Jahre fast verdoppelt und werde in Deutschland jährlich weiter bis zu 30 Prozent ansteigen, heißt es. Die Nutztierrisse hätten stark zugenommen, stark davon betroffen seien Almwirte, deren Schafe oder Rinder sich nur schwer vor Wolfsübergriffen schützen lassen.
Naturschützer gehen von langsamerem Wachstum aus
Die Prognosen zur Entwicklung der Wolfspopulationen in Deutschland gehen indes auseinander. Einen knapp 30prozentigen Anstieg der Wolfsterritorien verzeichnete das Bundesamt für Naturschutz (BfN) zwischen 2000 bis 2019. Seit 2020 hat der Anstieg deutlich nachgelassen, zuletzt lag er bei 3,4 Prozent. Der Bund Naturschutz in Bayern bezeichnet es deshalb als "Unsinn", wenn die Staatsregierung behaupte, der Wolfsbesatnd würde ohne Bejagung unkontrolliert wachsen.
Bauernverband: Europäische Staaten nehmen Sorgen der Bauern ernst
Der Bayerische Bauernverband begrüßt die Senkung des Schutzstatus für den Wolf ausdrücklich. Die Entscheidung würde "eine praxistaugliche Regulierung des Wolfsbestandes" ermöglichen. Der CSU-Europaabgeordnete Stefan Köhler, Umweltpräsident des Bayerischen Bauernverbands, spricht von einem wichtigen Meilenstein.
Die Entscheidung schaffe "endlich die Grundlage für schnellere und effektivere Maßnahmen, um die Weidetierhaltung zu schützen und Konflikte zwischen Mensch und Wolf zu reduzieren". Jetzt sei die EU-Kommission gefordert, die Jagdregeln für Wölfe anzupassen.
Bund Naturschutz sieht in Jagd auf Wölfe keine Lösung
Der Bund Naturschutz in Bayern setzt auf Herdenschutzmaßnahmen. So rechnet Richard Mergner, der Vorsitzende des BN in Bayern, nicht damit, dass sich viel ändern werde, denn es gelte nach wie vor, dass ein günstiger Erhaltungszustand im jeweiligen EU-Land und der Region gelten müsse. In Bayern sei das nicht der Fall.
Deshalb werde der Wolf auch in den nächsten Jahren nicht ohne weiteres bejagt werden dürfen, so Mergner: "Auch wenn das eine Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber oder ein Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger gerne hätten. Auch wolfsfreie Zonen sind trotz der Herabstufung rechtlich nicht möglich."
Darum sei Herdenschutz das einzige Mittel, um Weidetiere vor Wolfsangriffen zu schützen. Bejagung ohne Herdenschutz führe dagegen "zu hohen Risszahlen, wie Beispiele aus anderen Ländern wie Norwegen zeigen." Der Streit um den Wolf in Bayern – er wird weitergehen.
Wolfsgebiete - Hier leben Wölfe. Stand Ende Oktober
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