Für den bayerischen Innenminister kommt das Urteil gerade im richtigen Moment - das Urteil, das die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall bestätigt. Dass das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen dieses Urteil just an dem Tag gefällt hat, an dem der bayerische Innenminister den Integrationspreis überreicht - Zufall. Und doch, Joachim Herrmann lässt es sich nicht nehmen, zu betonen, dass unsere Gesellschaft "stark und widerstandsfähig" sein müsse gegenüber Extremismus.
In "weiten Teilen" der bayerischen AfD, sagt Herrmann kurz nach der Verleihung, sind "klar rechtsextremistische Ströme erkennbar." Dies würden Beobachtungen des bayerischen Verfassungsschutzes nahelegen.
AfD Bayern: Urteil politisch motiviert
Seit Juni 2022 beobachtet der bayerische Verfassungsschutz die AfD - mit ersten Erkenntnissen: Demnach sucht die bayerische AfD verstärkt den Kontakt zu Rechtsextremisten und rechtsextremen Organisationen. "Vernetzungsaktivitäten haben in Quantität und Qualität zugenommen", sagt der Präsident des Bayerischen Verfassungsschutzes, Burkhart Körner.
Für die bayerische AfD ist das gestern gesprochene Gerichtsurteil politisch motiviert: "So kurz vor der Europawahl ist das für mich ein klares Zeichen", sagt etwa Stephan Protschka, der Vorsitzende der AfD in Bayern. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Landtags-AfD, Ingo Hahn, spricht von einem "bösen Verdacht": Es habe sich um einen Schau-Prozess gehandelt, von dem "nur die Regierungsparteien profitieren".
Streit um über 400 Beweisanträge der AfD
Rechtsextreme Strömungen, von denen der bayerische Innenminister spricht, kann Ingo Hahn in seiner Fraktion nicht erkennen. Auch nicht darin, dass sich AfD-Abgeordnete in der Vergangenheit mit der rechtsextremen Identitären Bewegung getroffen haben und ihre Unterstützung für rechtsextremistische Vereine wie "Ein Prozent" oder "Info Direkt" bewarben. Der AfD-Fraktionsvize sieht in den betreffenden Abgeordneten "lupenreine Demokraten".
Im Gegenteil wirft Hahn dem OVG Nordrhein-Westfalen vor, 400 Beweisanträge, die die AfD eingebracht hatte, nicht geprüft zu haben. "Die sind einfach so vom Tisch gewischt worden", behauptet Hahn. Laut dem OVG sind die Anträge sehr wohl geprüft worden. Allerdings hätten sie nichts zur Urteilsfindung beitragen können. Es seien beispielsweise Anträge dabei gewesen, mit denen die AfD herausfinden habe wollen, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitet. "Das ist reine Ausforschung, ohne dass das zur Urteilsfindung beiträgt", sagt eine OVG-Sprecherin dem BR.
Ab Juni wird in Bayern über Beobachtung verhandelt
Der bayerische Innenminister sieht das nordrhein-westfälische Urteil jetzt als "gute Grundlage" für Bayern. Denn auch im Freistaat klagt die AfD gegen ihre Beobachtung: Ab Mitte Juni verhandelt das Münchner Verwaltungsgericht darüber, ob die AfD im Freistaat als Gesamtpartei beobachtet und die Öffentlichkeit über die Ergebnisse informiert werden darf. Die SPD im bayerischen Landtag findet, "Ja".
"Jeder muss das wissen", sagt der Fraktionsvorsitzende Florian von Brunn. Wissen, dass die AfD "gegen unsere Freiheit, gegen unsere Demokratie" ist und die Menschenwürde "verachtet". Auch der CSU-Fraktionsvorsitzende, Klaus Holetschek, bemerke im Landtag "mehr Radikalität, mehr Anhänger von Höcke". Wenn er sich ansehe, wie sich die AfD im Landtag benehme, könne er "das Urteil nur unterstreichen".
Grüne fordern AfD-Verbot und nachrichtendienstliche Überwachung
Die Landtags-Grünen fordern als Reaktion auf das gestrige Urteil, ein mögliches AfD-Verbot in Bayern zu prüfen. Zudem solle die bayerische AfD mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht werden. Laut eigenen Aussagen beobachtet der bayerische Verfassungsschutz die AfD bislang nicht mit sogenannten nachrichtendienstlichen Mitteln. Das wären beispielsweise V-Männer, Abhörmaßnahmen oder Observationen. Genutzt würden bislang lediglich öffentlich zugängliche Quellen, wie Social-Media Posts oder Parteiprogramme.
Ob sich das künftig ändert? Ausschließen möchte der Innenminister nicht: Da müsse man "das Gerichtsverfahren im Juni abwarten".
Im Video: AfD weiterhin rechtsextremistischer Verdachtsfall
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