Im Dezember 2023 will die Bundesregierung die Agrardieselrückerstattung von heute auf morgen streichen. Damit bringt sie die Bauern mit ihren Traktoren auf die Straßen. Eine heftiger, lauter, aggressiver Protest richtet sich gegen die vorgeschlagenen Sparmaßnahmen, gegen die Agrarpolitik der Ampel-Koalition und fordert eine Verbesserung der Bedingungen für Landwirte.
Bundesregierung lenkt schnell ein
Die Bundesregierung lenkt beim Agrardiesel angesichts der Proteste schnell ein und verkündet eine Umsetzung in drei Schritten. 2026 soll es dann auch wirklich keinen Cent mehr zurückgeben. Den Plan, die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge zu streichen, kassiert die Regierung dagegen umgehend.
Die Bauernproteste sind auch deshalb so heftig, weil die Kürzungsvorschläge alle Landwirte betreffen, egal ob groß, klein, mittel, bio, konventionell. Auch die Jahreszeit dürfte bei den Protesten eine Rolle spielen. Viele Bauern haben im Winter mehr Zeit zum Protestieren als zur Erntezeit oder im Frühjahr.
Der Tropfen, der das Fass überlaufen ließ
Doch den Bauern geht es nicht allein um den Agrardiesel. So entsteht das Bild vom Tropfen (Agrardiesel), der das Fass (Bürokratie, Auflagen, fehlende Wertschätzung) zum Überlaufen gebracht hat.
Aus diesem Fass ist als Folge der Bauernproteste bereits ordentlich abgeschöpft worden. Zum einen die lediglich schrittweise Abschaffung der Agrardiesel-Vergünstigungen und der Erhalt des grünen Kennzeichens, also die KFZ-Steuerbefreiung für Schlepper und Co. Zum anderen deuten sich viele weitere Zugeständnisse an.
Ampel schiebt Gesetze auf lange Bank
Kurz vor der entscheidenden Sitzung im Bundesrat zum Agrardiesel sagt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), er wolle Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten für Landwirte schlanker gestalten. Konkrete Maßnahmen mit den Bundesländern sollen "schnellstmöglich" umgesetzt werden, sagt er.
Die Ampel-Koalition verschiebt ein neues Düngegesetz und die Verordnung für eine verschärfte Stoffstrombilanz. Beim Düngegesetz geht es vor allem um strengere Regeln für Landwirte, bei der Stoffstrombilanz müssen Landwirte fast alles penibel dokumentieren. Welches Feld wurde wann gedüngt? Und womit: Gülle, Mist, Kompost oder Mineraldünger? Und wie viel davon? Das setzt viele Landwirte unter Druck und belastet sie. Dass jetzt die Ampel bei diesen Gesetzesvorhaben zögert, nährt die Hoffnung vieler Bauern, dass es doch nicht so streng wird wie angekündigt.
Werden Biokraftstoffe wiederbelebt?
Die Bauern argumentieren, dass Agrardiesel weiterhin subventioniert werden muss, da es keine sofort verfügbaren Alternativen gibt, wie E-Traktoren oder Wasserstoff-Traktoren. Obwohl Bio-Diesel eine Möglichkeit wäre, gibt es Bedenken hinsichtlich seiner CO₂-Neutralität und des Flächenverbrauchs für dessen Herstellung.
Ursprünglich wollten die Grünen Biokraftstoffe bis 2030 abschaffen, aber aufgrund der Bauernproteste hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) eine Kehrtwende vollzogen und spricht sich nun für ihren Einsatz in der Landwirtschaft aus. Eine Steuerbefreiung für diese Kraftstoffe wird mittlerweile als sehr wahrscheinlich angesehen.
EU-Kommission dreht Umweltauflagen zurück
Die Bauernproteste waren nie nur national, sondern auch europäisch. Anfang Februar eskaliert die Situation in Brüssel, als wütende Bauern das Europaviertel mit gut tausend Traktoren blockieren und vor dem Parlament Heuballen anzünden.
Gleichzeitig findet der EU-Gipfel statt, bei dem Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) das Gespräch mit den Bauernverbänden sucht und Verständnis für deren Sorgen äußert. Sie betont die bedeutende Rolle der Landwirte in der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft sowie deren Beitrag zur Ernährungssicherheit und Lebensweise. Eine Ode an die Bauern. Danach schafft sie Fakten.
Von der Leyen nimmt Pestizidgesetz zurück
Wenige Tage später nimmt Kommissionschefin von der Leyen höchst persönlich den Vorschlag für das Pestizidgesetz zurück. Ein Signal für die Bauern nach dem Motto: Seht her, wir hören euch! Nach der geplanten Verordnung sollten Bauern in der EU den Einsatz von Pestiziden bis 2030 halbieren.
Eigentlich sollten Landwirte in der EU vier Prozent ihrer Flächen zum Wohle der Artenvielfalt stilllegen. In der Folge der Bauernproteste wiederum stoppt die EU nun im Eilverfahren eine der wesentlichen Maßnahmen des Green Deals. Umweltverbände stehen unter Schock. "Das ist Bumerang-Politik auf Kosten von Landwirtschaft, Klimaschutz und Natur", heißt es bei der Umweltstiftung WWF. Der Naturschutzbund (NABU) warnt eindringlich vor der immensen Absenkung des Natur- und Klimaschutzes in der EU-Agrarpolitik.
Die Rolle der Europawahl
Es ist eine lange Erfolgsliste für die Bauern in Deutschland und in Europa. Weitere Zugeständnisse sind auch auf dem Weg: etwa Steuererleichterungen, weniger Kontrollen, Ausnahmen bei Auflagen, Zölle auf Agrarprodukte aus der Ukraine. Die Landwirte haben ihre Mobilisierungskraft ins Gedächtnis gerufen und die Politik reagiert. Das hat allerdings nicht nur mit den Protesten zu tun, auch die Europawahl im Juni spielt eine Rolle. Vor allem für konservative Kräfte sind Landwirte eine Kern-Wählerschaft.
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