Der Prozess hätte zum Mammutverfahren werden können. 74 Termine bis zum Januar 2026 wurden bereits angesetzt, dann einigten sich das Gericht, die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten auf einen Deal und damit auf ein Strafmaß für 14 von 15 mutmaßlichen Tätern. Das verkürzte die Verfahrenszeit enorm. Die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidiger wurden an einem Tag gehalten und so konnte am Mittwoch in Bamberg schon das Urteil im Geldautomatensprenger-Prozess verkündet werden.
Strafen von bis zu fast sechs Jahren
Die Strafen, die das Landgericht Bamberg verhängt hat, liegen für die 15 Verurteilten zwischen einem Jahr und neun Monaten und fünf Jahren und elf Monaten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass elf Angeklagte der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit Bandendiebstahl oder schwerem Bandendiebstahl schuldig sind. Vier Angeklagte wurden wegen Beihilfe verurteilt, in zwei Fällen wurde die Vollstreckung außer Vollzug gesetzt. Die Verurteilten erwarten zudem Geldersatzforderungen von bis zu 60.400 Euro. Die Summe kann vollstreckt werden.
In seiner Urteilsverkündung betonte der Richter, dass das Verfahren mit keinem anderen bereits geführten zu vergleichen sei. Ausschlaggebend bei den Ermittlungen waren vor allem die von den niederländischen Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellten Unterlagen. Sie waren umfassend: von SMS-Nachrichten über Videomaterial bis zu DNA-Abtastungen.
Dass sich der Prozess nicht, wie erst geplant, bis in das Jahr 2026 zieht, sei aber dem Umstand zu verdanken, dass sich die Angeklagten, die Staatsanwaltschaft und das Gericht auf entsprechende Deals einigen konnten. Außerdem hätten viele Verteidiger beispielsweise auf Einsicht in das vorliegende, fast 200 Stunden umfassende Videomaterial verzichtet.
Die Stimmung im Gericht war schon in den letzten Verhandlungstagen gelöst. Die Angeklagten, die zwar alle eine niederländische Staatsbürgerschaft haben, aber in vielen Fällen in Afghanistan geboren sind, zeigten sich zuversichtlich, auch vor der Urteilsverkündung.
"Hochprofessionell, rigoros und rücksichtslos"
In ihrem Schlussvortrag beschrieb die Staatsanwaltschaft die Täter als "hochprofessionell, rigoros und rücksichtslos". Die Bande sei ein eingespieltes Team gewesen, "nur so seien die Überfälle mit hoher Schlagzahl" möglich gewesen. Es handle sich um organisierte Kriminalität. Insgesamt wurden die Täter für 30 Geldautomatensprengungen angeklagt. Mutmaßlich sind sie jedoch für viel mehr Sprengungen verantwortlich.
Ihren Sitz hatten sie in den Niederlanden. Von dort aus starteten sie zu den Überfällen im Bundesgebiet, unter anderem in Oberfranken, in der Oberpfalz und in Schwaben. Dabei erbeuteten sie 3,3 Millionen Euro und verursachten einen Schaden von 5,5 Millionen Euro. In den Rechtsgesprächen konnte sich das Gericht mit den Angeklagten und der Staatsanwaltschaft auf einen Strafrahmen zwischen einem Jahr und neun Monaten bis zu sieben Jahren und zwei Monaten einigen. Das Urteil fiel nun innerhalb dieses Rahmens.
Die Anklage lautete in den überwiegenden Fällen auf "schweren Diebstahl in Tateinheit der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion". Manche der Angeklagten waren nur an einem Fall, andere an bis zu neun Sprengungen beteiligt. Einige der Täter sitzen bereits seit Januar vergangenen Jahres in U-Haft, andere seit September 2023. Über Hintermänner oder Auftraggeber schwiegen alle.
Kritik an der Arbeit der Staatsanwaltschaft
"So wie das Verfahren stattgefunden und abgelaufen ist, kann man das nur kritisieren", äußerte sich der Verteidiger Martin Nitschmann. Er vertritt einen der Angeklagten und sparte in seinem Plädoyer nicht mit harten Worten, gerichtet an die Staatsanwaltschaft. Und er ist nicht der einzige Rechtsanwalt, der sich so äußert. Die Anklagebehörde habe sich komplett verhoben. "Hier sind Aktenbestandteile nicht nachgeliefert worden oder nur tröpfchenweise. Dann kamen die Akten wieder 'wasserfallartig'."
Das hatte auch zur Folge, dass im Mai der Prozess ausgesetzt werden musste. Der Grund damals: Verteidiger der Angeklagten hatten bemängelt, dass sie Akten und Videomaterial erst so spät bekommen hätten, dass eine Sichtung nicht möglich wäre. Das Gericht gab ihnen recht und setzte den Prozess bis Mitte Juni aus.
Rechtsanwalt Nitschmann kritisiert aber auch, dass für seinen Angeklagten Besuchserlaubnisse nicht erteilt wurden. "Teils wurde auch auf Schriftsätze der Verteidigung nicht reagiert. Das gipfelte in einem Plädoyer einer Oberstaatsanwältin, der noch nicht einmal der Inhalt des getroffenen Deals bekannt war." So etwas, erklärt der Rechtsanwalt weiter, habe er in seiner 17-jährigen Dienstzeit noch nicht erlebt.
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