Bayern ist laut Innenministerium bei der Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber "voll im Zeitplan" und damit weiter in der "Poleposition": Nach einer europaweiten Ausschreibung hat der Freistaat dem Unternehmen "Paycenter" aus Freising nun den Zuschlag erteilt, wie Innenstaatssekretär Sandro Kirchner (CSU) mitteilte. "Die Ausschreibung ist abgeschlossen."
Damit könne die Bezahlkarte wie geplant ab März in den vier ausgewählten Pilot-Kommunen - den Landkreisen Fürstenfeldbruck, Traunstein, Günzburg und der kreisfreien Stadt Straubing - in die Testphase gehen. Der genaue Termin für den Start steht noch nicht fest.
Bayern geht Sonderweg
Der Freistaat hatte, wie auch Mecklenburg-Vorpommern, nicht auf ein bundeseinheitliches Verfahren zur Einführung der Bezahlkarte warten wollen und eine eigene Ausschreibung gestartet. Der "teils kritisierte" Vorstoß Bayerns unmittelbar nach dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz im November sei "richtig gewesen", betonte Kirchner. Denn es zeige sich, dass die übrigen "Bundesländer, die auf den Bund warten, deutlich später dran sein werden".
14 von 16 Bundesländern hatten sich Ende Januar auf ein gemeinsames Vergabeverfahren geeinigt, das bis zum Sommer abgeschlossen sein soll. Erarbeitet wurde das Vorgehen von Hamburg, das als erstes Bundesland seine "SocialCard" seit Mitte Februar an neu ankommende Asylsuchende ausgibt, die in Erstaufnahmeeinrichtungen leben.
Die bayerische Staatsregierung hatte bereits im November für sich beansprucht, bundesweiter Vorreiter bei der Bezahlkarte zu sein. Hamburg war zu diesem Zeitpunkt aber schon deutlich weiter: Denn dort war die europaweite Ausschreibung zur Bezahlkarte schon mehrere Monate vor dem Bund-Länder-Beschluss gestartet worden - und zum Zeitpunkt der Entscheidung des bayerischen Kabinetts bereits abgeschlossen. Seit 15. Februar wird die Karte in einem Pilotprojekt ausgegeben.
Söder: Bayerische Karte "härter"
In Bayern soll die Bezahlkarte nach dem Willen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) "härter" sein als in anderen Ländern - auch als in der Hansestadt. "Die Hamburger Bezahlkarte, die letzte Woche für Schlagzeilen sorgte, ist nicht die Karte, die wir wollen", stellte Innenstaatssekretär Kirchner jetzt klar. Denn die Hamburger Karte ermögliche in Gemeinschaftsunterkünften untergebrachten Asylbewerbern "eine hundertprozentige Barabhebung".
Die Hamburger Sozialbehörde teilte dagegen vergangene Woche mit, dass die SocialCard lediglich eine "Bargeldauszahlung von bis zu 50 Euro monatlich pro volljährige Person" erlaube (externer Link). Die in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebrachten Flüchtlinge würden "vornehmlich mit Sachleistungen versorgt". Darüber hinaus werde ihnen "der bundesrechtlich festgelegte Betrag" in Höhe von 185 Euro (204 Euro abzüglich der Fahrkarte für öffentliche Verkehrsmittel) über die Bezahlkarte zur Verfügung gestellt. Somit können die Asylbewerber nur etwa ein Viertel der monatlichen Zahlung in bar abheben.
Mit der neuen Karte können Flüchtlinge in Hamburg in Geschäften bezahlen - für Online-Bestellungen oder im Ausland kann sie aber nicht genutzt werden. "Auch Überweisungen ins Ausland sind nicht möglich", teilte die Sozialbehörde mit. "Damit soll verhindert werden, dass Betroffene dazu gedrängt werden könnten, ihr persönliches Guthaben ins Ausland zum Beispiel an kriminelle Schleppernetzwerke weiterzuleiten." Damit hat die SocialCard mehrere Funktionen, die auch in Bayern geplant sind. Im Freistaat soll es laut Staatsregierung darüber hinaus möglich sein, bestimmte Händlergruppen auszuschließen und den Einsatzbereich geografisch auf eine bestimmte Region zu beschränken.
Vorwurf an den Bund: "Versuch, zu verzögern"
Auch der bayerische Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) bezeichnete es nach einer Kabinettssitzung als "richtig", dass der Freistaat bei der Bezahlkarte vorangehe. "Wer sich auf den Bund verlässt, der ist verlassen", sagte er mit Blick auf die aktuelle Debatte über die passende Rechtsgrundlage zur Einführung der Bezahlkarte. Die "ideologisch geführten" Diskussionen seien ein "geradezu grotesker Streit" und "nur wieder ein Versuch, das Projekt insgesamt zu verzögern", kritisierte Herrmann. "Das haben wir irgendwie schon im Gefühl gehabt, dass da wieder irgendwas ums Eck kommt."
Die Ampelparteien in Berlin sind sich uneinig, ob es für die Einführung der Bezahlkarte eine bundesgesetzliche Regelung in Form einer Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes braucht. SPD und FDP sind dafür, die Grünen dagegen. Nach Ansicht der bayerischen Staatsregierung ist die Einführung der Bezahlkarte mit der geltenden Rechtslage vereinbar. "Trotzdem ist es natürlich sinnvoll, wenn da noch Zweifel bestehen, die dann gesetzgeberisch auszuräumen", sagte Herrmann.
Nach Auffassung des CDU-geführten Justizministeriums von Baden-Württemberg dagegen ist eine Rechtsänderung notwendig. "Wir erwarten, dass der Bundesgesetzgeber die Voraussetzungen zügig und wie vereinbart schafft", teilte die Landesregierung mit. "Wir können es uns nicht leisten, dass die Karte eingeführt und dann erfolgreich beklagt wird", betonte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).
Grüne weisen Kritik zurück
Grünen-Bundestagsfraktionschefin Katharina Dröge widersprach derweil in Berlin Vorwürfen, die Grünen wollten Bezahlkarten für Flüchtlinge verhindern. "Niemand diskutiert darüber, ob eine Bezahlkarte kommt. Alle Bundesländer werden eine Bezahlkarte einführen", sagte Dröge. Auch alle grün mitregierten Länder beteiligten sich an einer gemeinsamen Ausschreibung dafür. Eine bundesgesetzliche Regelung halte sie nicht für nötig, betonte sie wie am Vortag schon die Parteivorsitzende Ricarda Lang. Dafür habe sie noch kein einziges Argument gehört.
Dröge verwies darauf, dass im Länderkreis weiterreichende Auflagen für die Nutzung der Karte diskutiert würden, zum Beispiel der Einsatz in nur einem Postleitzahl-Bezirk. Dies könne für Geflüchtete, die auf einem Dorf lebten, die Einkaufsmöglichkeiten massiv einschränken. Auch Auflagen zum Kauf gebrauchter Dinge wie Möbel oder Kleidung seien nicht sinnvoll - oder die Vergabe der Karte an Menschen, die schon viele Jahre in Deutschland lebten. "Wenn es jemanden gibt, der das diskutieren möchte, dann muss er es sagen. Dann soll er aber nicht so tun, als würde es um die Frage des Ob gehen."
Mit Informationen von dpa
Video: Sitzung des bayerischen Kabinetts
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