Kein Bild aus Bayern - aber auch im Freistaat sollen erneuerbare Energien massiv ausgebaut werden.
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Koalitionsbilanz: Stillstand statt Ausbau bei der Windkraft

Koalitionsbilanz: Stillstand statt Ausbau bei der Windkraft

Flächenverbrauch, Windenergie, Klimagesetz: CSU und Freie Wähler hatten sich bei Umwelt- und Klimaschutz viel vorgenommen. Erreicht haben sie bei weitem nicht alles. Teil 3 der BR24-Serie über die Versprechen der Staatsregierung.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Nach fünf Jahren Regierung von CSU und Freien Wählern ist es Zeit für eine Bilanz: Welche Punkte auf der To-do-Liste wurden abgehakt, welche bleiben offen?

BR24 hat den Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern nach konkreten, gut messbaren Vorhaben durchsucht und sowohl gehaltene als auch nicht gehaltene Versprechen herausgearbeitet. Dazu sei gesagt, dass diese Legislatur auch von unvorhersehbaren Krisen wie Corona und Krieg geprägt war – für manches Versprechen haben sich die Vorzeichen geändert. Herausgekommen ist eine fünfteilige BR24-Serie, deren Folgen jeweils ein Themenfeld beleuchten. Im dritten Teil geht es um Themen, bei denen es zwischen Staatsregierung und Opposition besonders scharf zugeht: Umwelt, Energie und Klimaschutz.

Versprechen 1: Flächenverbrauch deutlich senken

Nicht nur mit Wäldern, auch mit Flächen allgemein hatte sich die Koalition einen schonenderen Umgang vorgenommen: "Wir wollen den Flächenverbrauch im Freistaat deutlich und dauerhaft senken." Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Laut aktuellen Zahlen aus 2021 liegt der Flächenverbrauch in Bayern bei 10,3 Hektar pro Tag. Das ist zwar weniger als im Vorjahr (11,6 Hektar/Tag), allerdings immer noch mehr als zum Start der Legislatur 2018, damals waren es 10 Hektar pro Tag. Flächenverbrauch bedeutet nicht gleich vollständige Versiegelung, auch Siedlungs- und Verkehrsflächen fließen in die Statistik ein. Dennoch sollen auch die sinken: Laut dem Bayerischen Landesentwicklungsgesetz strebt der Freistaat als Richtwert nur noch 5 Hektar pro Tag im Jahr 2030 an.

Im Video: Koalitionscheck Klima und Energie

Koalitionscheck Klima und Energie
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Koalitionscheck Klima und Energie

Versprechen 2: Prämie für Entsiegelungen

Die Koalition wollte nicht nur den zusätzlichen Flächenverbrauch senken, auch sollten bereits verbaute Flächen wieder entsiegelt werden: "Wir starten die bayerische Entsiegelungsprämie. Jeder Quadratmeter, der dauerhaft entsiegelt wird, wird finanziell gefördert", lautete das Vorhaben von CSU und Freien Wählern. Tatsächlich gibt es ein entsprechendes Programm seit 2018. Laut Bauministerium stellt der Freistaat dazu im Rahmen des Städtebauförderungsprogramms rund 35 Millionen Euro zur Verfügung. "Bislang erhielten 63 Gesamtmaßnahmen Finanzhilfen aus der Förderinitiative 'Flächenentsiegelung'", schreibt das Ministerium. Mehr als 12 Millionen Euro seien für die Maßnahmen an Städte und Gemeinden bezahlt worden.

Das Versprechen, eine Prämie auf den Weg zu bringen, hat die Koalition also erfüllt. Verglichen mit dem Verbrauch ist die Entsiegelung allerdings verschwindend. Bis Ende 2022 sind laut Ministerium insgesamt knapp 120.000 Quadratmeter mit der Initiative entsiegelt worden, das entspricht rund 12 Hektar in vier Jahren. Dem gegenüber stehen aktuell 10,3 Hektar Flächenverbrauch pro Tag, von denen jeweils rund die Hälfte versiegelt wird.

Versprechen 3: Ausbau der Windkraft unter bestehenden Regeln

Der Freistaat steht wegen seiner vergleichsweise wenigen Windräder immer wieder in der Kritik. Im Koalitionsvertrag schrieben die Regierungsparteien: "Wir werden den weiteren Ausbau der Windkraft im Einvernehmen mit Bürgerinnen und Bürgern und Kommunen voranbringen. Dabei halten wir an der geltenden bayerischen Rechtslage fest." Fest steht: Wirklich vorangekommen ist der Windkraftausbau in der abgelaufenen Legislatur nicht. Im gesamten Zeitraum von 2018 bis Juni 2023 wurden laut Wirtschaftsministerium gerade einmal 49 Windräder in Bayern gebaut – der Höchstwert waren 14 Anlagen 2022. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 allein entstanden noch 111 Anlagen. Die Koalition hatte sich zwar keine konkreten Zahlen vorgenommen, als gehaltene Zusage kann der Ausbau aber auch nicht betrachtet werden.

Allerdings ist ebenfalls klar: Auch das Vorhaben, "an der geltenden Rechtslage" festzuhalten, wurde gekippt. Damit ist der 10H-Mindestabstand für Windkraftanlagen zur nächsten Siedlung gemeint. Im Herbst 2022 lockerte die Staatsregierung diese Regel – auch weil Bayern laut Bundesgesetz in den nächsten Jahren 1,8 Prozent seiner Fläche als potenzielle Windkraftgebiete ausweisen muss. Von nun an gilt zum Beispiel in Wäldern, an Autobahnen oder in ausgewiesenen Vorranggebieten nur noch ein Mindestabstand von 1.000 Metern. Streng genommen haben CSU und Freie Wähler damit auch das Versprechen bezüglich der Rechtslage gebrochen – für einen schnelleren Ausbau der Windenergie könnte das aber durchaus förderlich sein. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sieht gerade in Wäldern großes Potenzial. Er hat tausend neue Windräder bis 2030 angekündigt. Das entspräche fast einer Verdopplung der bisher rund 1.140 Anlagen im Freistaat.

Versprechen 4: Klimaschutz in Verfassung und Klimaschutzgesetz

Das erste Versprechen im Kapitel Umwelt des Koalitionsvertrags lautet: "Wir geben dem Klimaschutz Verfassungsrang und werden ein Bayerisches Klimaschutzgesetz schaffen." Der erste Teil dieses Satzes war kühn formuliert, schließlich hätte es für eine Verfassungsänderung die Stimmen der Opposition gebraucht. Doch Grüne und SPD enthielten sich bei einer Landtagsabstimmung Anfang 2019 und warfen den Regierungsfraktionen "Worthülsen" und "Symbolpolitik" vor, ihr Handeln sei unglaubwürdig. So kam es nicht zur Zwei-Drittel-Mehrheit, die für eine Volksabstimmung über die Frage nötig gewesen wäre. Zwar steht weiter der "Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen", nicht aber konkret der Klimaschutz als Staatsziel in der Bayerischen Verfassung.

Ein erstes bayerisches Klimaschutzgesetz haben CSU und Freie Wähler hingegen verwirklicht. Anfang 2021 trat es in Kraft und sollte den Freistaat bis 2050 klimaneutral machen. Kritiker bemängelten fehlende Verbindlichkeit auf dem Weg dorthin. Kurz darauf platzte vor dem Bundesverfassungsgericht eine politische Bombe: Das Gericht erklärte das bundesdeutsche Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig. Söder reagierte und kündigte an, sein Gesetz zu überarbeiten – die Novelle kam Anfang 2023 samt 150 Maßnahmen und eine Milliarde Euro pro Jahr, nun mit dem Ziel "Bayern klimaneutral bis 2040". Deutliche Kritik an zu langsamem Tempo gibt es weiterhin. Das Versprechen, ein Gesetz zu schaffen, hat die Koalition aber gehalten.

Versprechen 5: Staatliche Waldfläche aus der Nutzung

CSU und Freie Wähler hatten sich vorgenommen, Wälder in Bayern stärker zu schützen: "Wir nehmen dauerhaft rund 10 Prozent der staatlichen Waldflächen als nutzungsfreie Naturschutzflächen und Naturwaldflächen von der forstwirtschaftlichen Nutzung aus.“ Der Bayerische Staatswald ist rund 808.000 Hektar groß. Auf Anfrage teilt das Umweltministerium mit: "Aktuell sind etwa 83.760 Hektar staatliche Waldflächen aus der Nutzung genommen." Das entspricht rund 10,4 Prozent, ihr Versprechen hat die Staatsregierung gehalten.

Versprechen 6: Alpenplanänderung rückgängig machen

Unter Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte die Staatsregierung 2017 den Alpenplan geändert. Das Riedberger Horn im Allgäu wurde aus der strengsten Schutzzone C herausgenommen, da dort ein Skilift entstehen sollte. Das Vorhaben war hochumstritten, Umweltverbände klagten gegen die Änderung. Als Markus Söder das Amt des Ministerpräsidenten im Frühjahr 2018 übernahm, legte er das Projekt für zehn Jahre auf Eis. Nach der Wahl vereinbarten CSU und Freie Wähler dann: "Die Änderungen im Alpenplan werden wir rückgängig machen." Die Staatsregierung stand zu ihrem Wort. Im April 2019 stellte sie die alten Schutzzonen am Riedberger Horn wieder her.

Versprechen 7: Flächen im Vertragsnaturschutzprogramm verdoppeln

Das "Vertragsnaturschutzprogramm" fördert die schonende Bewirtschaftung von ökologisch wertvollen Wiesen, Weiden, Äckern und Teichen. Dabei verpflichten sich Landwirte, diese Flächen in der Regel fünf Jahre lang nach den Zielen des Naturschutzes zu bewirtschaften. Für den zusätzlichen Aufwand und den entgangenen Ertrag erhalten sie eine Entschädigung. So soll die Artenvielfalt bewahrt werden. CSU und Freie Wähler vereinbarten dazu im Koalitionsvertrag: "Die Flächen für das Vertragsnaturschutzprogramm wollen wir verdoppeln." Dieses Ziel wurde knapp verfehlt. Zwar erreichte das Programm in diesem Jahr laut Umweltministerium einen neuen Höchstwert, rund 160.000 Hektar – einer Verdoppelung der rund 90.000 Hektar aus dem Jahr 2018 entspricht das jedoch nicht ganz.

Versprechen 8: Landesagentur für Energie und Klimaschutz

CSU und Freie Wähler wollten die Energiewende beschleunigen: „Um diese Ziele zu erreichen, bauen wir eine Landesagentur für Energie und Klimaschutz auf und stellen hierfür 20 Millionen Euro zur Verfügung.“ Dieses Versprechen wurde gehalten. Ende 2019 fiel der Startschuss für den Aufbau der Agentur in Regensburg. Laut dem Landesamt für Umwelt hat der Freistaat dafür bis 2023 die angekündigten 20 Millionen Euro bereitgestellt. Die Agentur unterstützt und begleitet unter anderem Kommunen und Landkreise bei der Umsetzung von Windkraft- und Wasserstoffprojekten.

Folgende Teile zur Bilanz der Staatsregierung sind bereits auf BR24 erschienen:

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