Dach mit Pflanzen.
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Das Industrie Center Obernburg (ICO) im Landkreis Miltenberg zeigt mit seinem Gründach, wie Wirtschaft und Wohlstand zusammen gelingen können.

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Biosphärenregion Spessart: Eine Barriere für die Wirtschaft?

Soll es eine Biosphärenregion im Spessart geben? Die Wirtschaftsverbände haben sich bisher öffentlich zurückgehalten. Dabei stehen der Mensch und das Wirtschaften im Mittelpunkt einer UNESCO-Biosphärenregion. Ein Beispiel aus der Wirtschaft.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

"So schön habe ich es noch nie gesehen!" Andreas Schneider steht auf dem Dach des neuen Logistikzentrums am Industriecenter Obernburg, drei Jahre hat er sich damit beschäftigt. Es setzt neue Maßstäbe in Sachen Biodiversität. Gerade blüht es in vielen Farben. Projekte wie dieses sind es, die in einer möglichen Biosphärenregion weiter vorangetrieben werden sollen.

Der Mensch und sein Wirken und Wirtschaften stünden im Mittelpunkt einer Biosphärenregion, heißt es von Seiten des UNESCO-Nationalkomitees. Der BR begleitet die Diskussion um eine mögliche Biosphärenregion Spessart. Sie wird kontrovers diskutiert.

Bayerns größtes Gründach

Andreas Schneider ist Standortentwickler im Industriecenter Obernburg. Es ist Europas größter Chemiefaserstandort. Als vor ein paar Jahren das neue Logistikzentrum gebaut wurde, das so groß wie zehn Fußballfelder ist, musste das ICO für Ausgleich sorgen. Andreas Schneider war für die Idee eines Gründaches, musste aber feststellen: "Eigentlich sind die Regelwerke für Gründächer, verglichen mit dem, was mit unserem Klima passiert, viel zu schwach ausgestaltet!"

Also legte er noch ein paar Zentimeter Substratgranulat drauf. Das mache sich sofort in der Vegetation bemerkbar. Sedumpflanzen, auch als Fetthennen bekannt, blühen in gelb, rosa und lila – auf 71.000 Quadratmeter. Sie können Wasser sehr gut speichern und kommen auch mit Hitze und Trockenheit zurecht. Das sei vor allem in der Mainfranken-Region wichtig.

Wasser und Teiche, Totholz und Waldboden

"Jeder Liter Regenwasser bleibt in diesem Gründach, geht in die Atmosphäre oder versickert im Grund", betont Andreas Schneider stolz. Er gräbt mit einem Stock im Boden. Auf einem Teil der Fläche hat er experimentiert und den früheren Waldboden, der dem Logistikzentrum weichen musste, aufs Dach geholt. Insgesamt 50 Tonnen. Viele erklärten ihn für verrückt. "Wir denken, es kann schon die Zukunft sein, dass man den Oberboden, der heute auf jeder Baustelle ein lästiges Übel ist, den man weit weg fährt – dass man den eins zu eins auf dem Dach ansiedelt. Wenn Vögel hier Halt machen, dann immer genau da!", sagt Schneider.

Dach bindet 39 Tonnen CO²

Das Biodiversitätsgründach am ICO ist laut Unternehmen das größte Gründach Bayerns. Wissenschaftler der Technischen Universität Braunschweig betreiben hier eine Messstation und untersuchen die CO²-Bindung. Erste Ergebnisse liegen seit Kurzem vor: Das Dach bindet 39 Tonnen des Treibhausgases jährlich. "Dieses Dach nimmt so viel CO² auf wie jede Fläche im Außenbereich und es kann auch mit dem ein oder anderen Hektar Wald konkurrieren!", betont Andreas Schneider. Der Industriebau suche in der Zukunft nach Akzeptanz. Mit Projekten wie diesem könne man zeigen, dass durch neue Bauwerke zwar Fläche versiegelt wird, dass dies aber keinen Nachteil für die Natur darstellen muss.

Biosphärenregion will nachhaltiges Wirtschaften stärken

Das Biodiversitätsgründach des ICO trägt sowohl der Nachhaltigkeit als auch dem Klimaschutz Rechnung. In der Logistikhalle herrschen etwa Sommer wie Winter die gleichen Temperaturen, eine Klimaanlage braucht es nicht. Es muss kein Regenwasser in den Kanal geleitet werden. Insofern entspricht es dem Gedanken von nachhaltigem Wirtschaften in einer Biosphärenregion.

Thomas Habermann ist Landrat im Biosphärenreservat Rhön und Mitglied im UNESCO Nationalkomitee und erklärt auf Nachfrage: "Wir wollen neue Chancen entwickeln aber nicht so, dass wir unseren Planeten kaputt machen und die nächste Generation das auszubaden hat. Wir wollen auch in Zukunft Gewerbegebiete haben – auch in der Biosphärenregion – wir wollen auch Autobahnen und Straßen bauen, aber wir wollen sie vielleicht so bauen und so nutzen, dass es nachhaltiger, dass es umweltverträglicher wird!"

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