Schüler in Wasserschule in Hobbach
Bildrechte: Katrin Küx / BR

Wie wichtig ist der Spessart als Lernort für Kinder? Schüler forschen in der Wasserschule in Hobbach.

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Biosphärenregion Spessart: Ein Lernort für unsere Kinder?

Im Spessart wird diskutiert, ob sich die Region bei der Unesco bewerben soll – als Biosphärenregion. Holzrechtler sind skeptisch, Gastronomen und Hoteliers uneinig, ob ihnen der Naturschutz nützt. Doch was bringt der Spessart unseren Kindern?

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

"Ich hab‘ eine Schlange gefunden!" ruft Johann. Er ist in der 6. Klasse der Faulbacher Mittelschule, die gerade zu Gast in der Hobbacher Wasserschule im Spessart ist. Tatsächlich stellt sich die Schlange als Neunauge heraus, ein fischähnliches Fossil. Aber was zählt, ist der Spaß der Kinder am Lernen in der Natur – und der Spaßfaktor ist dort wesentlich höher als im geschlossenen Klassenzimmer. Während die Kinder Steine umdrehen und im Sand graben, lernen sie ganz nebenbei: Der Artenreichtum sagt etwas über die Wasserqualität aus.

Biologe: "Weniger Erfolgsdruck – mehr Mut zur Natur"

"Die Natur ist als Lernort immens wichtig", betont Hermann Bürgin. Der Biologe betreibt seit 20 Jahren Umweltbildung im Roland-Eller-Umweltzentrum, in dem die stationäre Wasserschule angesiedelt ist, angeschlossen ans Schullandheim Hobbach im Landkreis Miltenberg. Bürgin hofft, dass sich die Region bei der Unesco bewerben wird – als Biosphärenregion Spessart. Davon würden alle Generationen profitieren.

Naturerlebnis ist wichtig für kindliche Entwicklung

Ganz behutsam streift Bürgin eine winzige Eintagsfliegenlarve von einem Pinsel in ein Wasserschälchen. Die Kinder der Faulbacher Mittelschule schauen gespannt zu. Dann gehen die Sechstklässler mit Gummistiefeln selbst auf Spurensuche.

Der Biologe hat früher bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gearbeitet und weiß, welche Rolle die Natur in der kindlichen Entwicklung spielt: "Riechen, schmecken, tasten, fühlen, das geht hin zu Bewegungsabläufen, Beobachtung, betrachten, vergleichen, und all das ist in der Hirnforschung natürlich längst gesetzt, dass man das braucht und dass es Zeit braucht." Das bedeute im Prinzip auch, dass Lernräume geschaffen werden müssen, die diese Zeit geben und dass die Gesellschaft wegkommen müsse vom permanenten Erfolgsdruck in Schule und Ausbildung, so Bürgin.

Streuobstwiesen als Lernorte im Spessart

Solche Lernräume sind beispielsweise auch Streuobstwiesen, so wie bei Sulzbach. Auf dem artenreichen Biotop ist die Naturschutzjugend des LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) auf Spurensuche. Und die Kinder werden schnell fündig: "Da gibt es zum Beispiel die Wildbiene, die ist für uns Menschen auch besonders wichtig, denn ohne sie hätten wir keine Birnen und Äpfel, denn sie bestäuben die ja", weiß der mit einer Lupe bewaffnete zehnjährige Linus Usak. Die Kinder finden unbewohnte Steinkauzhöhlen und mögliche Unterschlüpfe für den Siebenschläfer.

Die Streuobstwiesen am Untermain sind ein ganz besonderer Kulturlebensraum, betont Sabine Michael vom LBV und hofft, dass sich die Region bei der Unesco bewerben wird – als Biosphärenregion Spessart. Nicht nur, weil es mehr Gelder zur Pflanzung von Bäumen und für die Pflege und den Erhalt von Streuobstwiesen gäbe. Auch die Kinder würden davon profitieren: "Ich glaube, es ist bei allen Kindern ähnlich, dass sie das große Interesse und die Faszination für die Natur haben. Dann ist das Erstaunen immer groß über das, was man da findet und man merkt, dass den Kindern die Natur sehr am Herzen liegt."

Acht Naturpark-Schulen im Spessart

Dass die Natur immens wichtig ist als Lernumgebung, davon ist auch die Grund- und Mittelschule Faulbach überzeugt. Sie ist eine von acht Naturpark-Schulen im Spessart, die sich dem Lernen in und von der Natur verschrieben haben. Regelmäßig unternehmen sie Exkursionen in Wald, Wiese und Gewässer – oder eben in die Wasserschule nach Hobbach. Schulleiter Axel Keppler spricht von einem gewinnbringenden Konzept für die Kinder, die die regelmäßigen Exkursionen mit dem Naturpark-Ranger lieben. In die Debatte um eine mögliche Biosphärenregion will er sich nicht einmischen. Er wünscht sich dabei vor allem weniger Emotionalität. Schützenswertes gelte es jedoch immer zu schützen, so der Schulleiter.

Junge Menschen befürworten Biosphärenregion Spessart

Naturschützer wie Hermann Bürgin können die Aufregung um eine Biosphärenregion ohnehin nicht nachvollziehen: "Weil ich denke, dass wir nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweisen regional in Modellen erproben können. Global schaffen wir es nicht mal in Ansätzen. Das ist die Chance von so einem Biosphärenmodell."

Und was sagt die junge Generation? Sie wurde im Zuge der Machbarkeitsstudie zu einer Biosphärenregion Spessart in Form von Workshops mit einbezogen. Sie finden die Idee gut, haben viele Anregungen eingebracht und wünschen sich, dass die Schulen das Konzept einer solchen Modellregion – die nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise – stärker thematisieren sollten.

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