Bäckermeister Nico Scheller in seiner Backstube in Oberhaching
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Bürokratie in der Backstube: Bäcker verzweifeln an Verordnungen

Bürokratie in der Backstube: Bäcker verzweifeln an Verordnungen

Die Deutschen lieben ihr Brot. Doch viele Bäcker geben auf. Das liegt auch an der Flut von Verordnungen, die ihre Arbeit erschweren. Kontrovers – Die Story begleitet einen Bäckermeister zwischen Backstube und Büro.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Für ein gutes Brot braucht es an sich nur wenig Zutaten: Mehl, Salz, Hefe, Wasser. Und natürlich: Ruhe, Hingabe, Geduld. Doch in der Praxis kommt noch einiges mehr dazu, bevor das Brot über den Verkaufstresen wandert. Es sind lange, komplizierte Wörter, zusammengesetzte Nomen, die nicht gut klingen: Belegausgabepflicht, Verpackungsverordnung, Kühlungsprotokoll – das und vieles mehr müssen Bäckerinnen und Bäcker beachten. Das Handwerk, besonders das Bäcker-Handwerk, ächzt unter der Bürokratie: ständig neue Gesetze und Auflagen, die die Bäcker vom Backen abhalten und hinter den Schreibtisch verdammen.

Laut einer Umfrage der bayerischen Bäckerinnung geben sechs von zehn Bäckern, die aufhörten, auch die Bürokratielast als Grund an. Kontrovers – Die Story geht der Frage nach, wie viel Bürokratie unser Brot noch aushält – und macht sich auf die Suche nach Bäckermeistern aus der Region, die uns mitnehmen in ihren Alltag zwischen Backstube und Büro. Am Ende des Films sollen zwei Parteien an einen Tisch gebracht werden: die Macher der Gesetze und jene, die davon betroffen sind.

Im Büro: Registrierarbeiten für den Staat

Nico Scheller, Inhaber der Lokalbäckerei "Brotzeit", sagt: "Sein Handwerk selbst gut zu machen, das ist eigentlich die Kernaufgabe. Und diese ganzen Themen halten einen davon ab." Was alles dazugehört, will er uns in seiner Bäckerei in Oberhaching zeigen.

2011 hat Scheller mit zwei Freunden "Brotzeit" gegründet, inzwischen beschäftigt er knapp 90 Mitarbeiter in vier Filialen. Und mit dem Wachstum der Bäckerei schrumpfte seine Präsenz in der Backstube. Dabei geht es längst nicht nur um Dinge, die ein Betriebsinhaber notwendigerweise erledigen muss: Personalwesen, Finanzen, Vertrieb. Sondern um Registrierungs- und Dokumentationspflichten in seiner Branche, etwa die Verpackungsverordnung. Die sieht vor, dass sämtliche Verpackungen, die eine Bäckerei in den Umlauf bringt, wohl sortiert in verschiedene Register eingetragen werden. Die Absicht dahinter ist zunächst nachvollziehbar: Verpackungsmüll reduzieren.

Doch für Nico Scheller zielt das Gesetz "am Thema vorbei", wie er sagt. Denn "Brotzeit" hat bereits 2013 ein nachhaltiges System eingeführt: Jeder Kunde, der seine Tüte von zuhause mitbringt, sammelt Prämienpunkte. Bei zehn Punkten gibt es ein Heißgetränk oder einen Laib Brot umsonst. So habe man den Verpackungsmüll bereits um ein Drittel reduzieren können, sagt Scheller. Trotzdem muss er seine Tüten und Kaffeebecher in ein Online-Register eintragen. Stephan Kopp, Geschäftsführer der bayerischen Bäckerinnung, resümiert das so: "Man sitzt im Büro, macht auch nichts für seinen Betrieb, bestellt keine Waren, man macht keine Personalplanung. Sondern es sind einfach nur Registrierarbeiten für den Staat."

Im Video: Kontrovers - Die Story: Bürokratie in der Backstube: Bäcker verzweifeln an Verordnungen

Steuernachzahlung: Wenn zu wenig Milch zum Problem wird

Die Gesetze und Verordnungen einfach zu ignorieren, ist jedoch auch keine Lösung: "Die Kommunikation ist da ganz klar – Strafen, Bußgelder", sagt Nico Scheller. Das musste er auch schon selbst erleben. Bei seiner ersten Steuerprüfung sei der Milchanteil im Cappuccino zum Mitnehmen nachgemessen worden, mit einer Waage. Das kostete ihn zwischen 14.000 und 15.000 Euro. Denn Milch gilt als Grundnahrungsmittel und wird deshalb geringer besteuert als Kaffee. Ein Cappuccino zum Mitnehmen mit weniger Milchanteil als vorgeschrieben wird deshalb höher besteuert. Bei Schellers Prüfung lag der Milchanteil etwa zwei Prozent unter der vorgeschriebenen Norm – er musste für jeden verkauften Cappuccino deshalb rückwirkend die Mehrwertsteuer-Differenz nachzahlen.

Wir fragen beim Bundesfinanz-, Bundesumwelt-, und Bundeswirtschaftsministerium an, ob ein Vertreter der Ministerien bereit wäre, mit Nico Scheller über die Regelungen zu diskutieren. Leider habe man uns aus Zeitgründen keine Mitarbeiter schicken können, so die Antwort der drei Ministerien.

Wir finden einen Mann, der im Bürokratiedickicht eine wichtige Rolle spielt – er soll es lichter werden lassen, soll dafür sorgen, dass die vielen Gesetze wenige werden. Walter Nussel (CSU) ist Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für Bürokratieabbau und will sich mit Nico Scheller für die Story von Kontrovers treffen.

Bäckermeister: "Viel Zeit haben wir nicht mehr"

Die Probleme der Bäcker sind Nussel bekannt. Vor einem halben Jahr hat ihm die Innung schon einmal eine Liste mit bürokratischen Hürden übergeben – und auch mit Lösungsvorschlägen. Was davon konnte er bislang konkret umsetzen – so die Frage von Nico Scheller. Nussel verweist auf Entlastungen, die kürzlich auf den Weg gebracht worden seien. Zunächst seien das Erleichterungen im Baurecht, später wolle man auch andere Branchen berücksichtigen, darunter das Handwerk.

Das Gespräch in Schellers Bäckerei in Oberhaching geht über eine Stunde, es dreht sich um politische Zuständigkeiten von Bayern über Berlin bis nach Brüssel, um die Bedeutung des Handwerks, und, na klar, um das Verpackungsgesetz. Am Schluss sagt Nico Scheller: "Allzu viel Zeit haben wir nicht mehr." Er könne es verstehen, dass viele Unternehmer sagen, die bürokratischen Auflagen raubten ihnen so viel Energie, dass sie aufgeben. Die Luft werde immer dünner, so Scheller. Die Problemlage sei längst bekannt, jetzt müsse gehandelt werden, brauche es spürbare Entlastung.

Und das ist es dann auch, was Walter Nussel aus dem Gespräch mitnimmt: Soll das Handwerk erhalten bleiben, müsse er mit noch mehr Nachdruck die einzelnen Bereiche angehen. Denn der Beauftragte für Bürokratieabbau räumt ein: "Es ist fünf vor zwölf."

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