Sebastian Brehm, Volker Ullrich und Claudia Küng haben gewonnen – und dürfen sich doch nicht freuen. Die drei CSU-Direktkandidaten haben ihre Wahlkreise Nürnberg-Nord (Brehm), Augsburg-Stadt (Ullrich) und München-Süd (Küng) zwar für sich entschieden, der Einzug in den Bundestag bleibt ihnen aber trotzdem verwehrt.
Bundestag wird kleiner, teils zu Lasten der Wahlkreissieger
Das liegt am von der Ampel beschlossenen neuen Wahlrecht dieser Bundestagswahl. Es hatte zum Ziel, den Bundestag kleiner zu machen – und die Zahl der Sitze deshalb auf 630 begrenzt. Überhangmandate, die wiederum eine Vielzahl an Ausgleichsmandaten zur Folge hatten und so das Parlament aufblähten, gibt es nicht mehr. Bisher bekamen die Parteien Überhangmandate, die über die Wahlkreise mehr Erststimmensieger hatten, als ihnen gemäß Zweitstimmen zustanden. 2017 und 2021 hatte unter anderem die CSU von dieser Regelung profitiert. Doch damit ist jetzt Schluss.
Aufgrund ihres Zweitstimmenergebnisses von 37,2 Prozent in Bayern (6 Prozent bundesweit) stehen der CSU im nächsten Bundestag 44 Sitze zu. Allerdings gewannen die Christsozialen alle 47 Wahlkreise in Bayern. Das führt dazu, dass die drei Wahlkreissieger mit dem niedrigsten Erststimmenergebnis im Freistaat leer ausgehen: Brehm, Ullrich und Küng.
CSU holt Münchner Wahlkreis zurück – doch es reicht nicht
Sebastian Brehm ist Landesschatzmeister der CSU und Mitglied im Parteivorstand. 2021 gewann er den Wahlkreis Nürnberg-Nord mit 28,5 Prozent der Erststimmen und zog erstmals in den Bundestag ein. Zwar kann Brehm sein Ergebnis bei dieser Wahl auf 30,2 Prozent steigern – es ist trotzdem das schwächste Ergebnis aller CSU-Direktkandidaten in Bayern.
Nur einen Hauch besser schneidet Claudia Küng mit 30,4 Prozent im Wahlkreis München-Süd ab. Ihr gelingt es damit zwar, den einzigen bayerischen Wahlkreis, den die CSU 2021 nicht gewonnen hatte, zurückzuholen – ihr Sieg über Grünen-Kandidaten Jamila Schäfer reicht für Küng aber trotzdem nicht für den Einzug in den Bundestag. Interessant: Die im Wahlkreis knapp unterlegene Schäfer schafft es ins Parlament, weil sie auf der bayerischen Grünen-Liste an erster Stelle stand.
Ullrich attackiert Roth: "Sie sind keine Demokratin"
Volker Ullrich kommt im Wahlkreis Augsburg-Stadt auf 31,1 Prozent. Wie bei jeder Wahl seit 2013 holt der CSU-Politiker damit deutlich mehr Erststimmen als die Konkurrenz, dennoch endet seine Zeit im Parlament. Der offenkundige Frust darüber war noch am Wahlabend aus Ullrich herausgebrochen. Als seine Wahlkreiskonkurrentin Claudia Roth (Grüne) bei der Wahlversammlung in Augsburg auf ihn zutrat, um ihm die Hand zu schütteln, lehnte Ullrich ab und sagte: "Gehen Sie weg. Sie sind keine Demokratin."
"Eine Unverschämtheit", entgegnete Roth. Wenig später entschuldigte sich Ullrich bei ihr. Allerdings finde er es "etwas zynisch und heuchlerisch, mir gratulieren zu wollen, in dem Wissen, dass ich den Einzug in den Deutschen Bundestag verpasst habe", sagte Ullrich am Tag darauf zu BR24. "Vor allem, wenn man wie Frau Roth für diese Wahlrechtsreform gestimmt hat." Auf X schrieb der CSU-Politiker: "Das neue Wahlrecht ist unfair und undemokratisch."
Exakt dieselben Worte benutzte am Montag CSU-Chef Markus Söder. Friedrich Merz (CDU) sprach von einem "Schaden an unserer Demokratie". Nach seinem Wahlsieg will der Kanzlerkandidat der Union möglichst bald Gespräche mit den Sozialdemokraten über eine nächste Regierung führen. "Wir müssen mit der SPD über eine erneute Änderung des Wahlrechts sprechen", erklärte Merz. Das Wahlrecht sei in dieser Form "inakzeptabel".
Im Video: Zwischenfall in Augsburg - Ullrich attackiert Roth
Zwischenfall in Augsburg - Ullrich attackiert Roth
23 Wahlkreise betroffen – vier sind überhaupt nicht vertreten
Insgesamt 23 Wahlkreisgewinner in ganz Deutschland ziehen aufgrund des neuen Wahlrechts nicht in den Bundestag ein. Neben den drei CSUlern sind 15 CDU-Kandidaten betroffen, außerdem vier Erststimmensieger der AfD sowie eine SPD-Kandidatin.
Dass diesen Direktkandidaten der Einzug verwehrt bleibt, bedeutet aber nicht automatisch, dass ihre Wahlkreise "verwaist", also überhaupt nicht im Parlament repräsentiert sind. Aus den drei betroffenen Wahlkreisen in Bayern schaffen über die Landeslisten jeweils mindestens zwei Kandidaten von anderen Parteien (Grüne, SPD, AfD) den Sprung nach Berlin. Von den insgesamt 299 Wahlkreisen in Deutschland werden vier nicht im Bundestag vertreten sein. Drei davon liegen in Baden-Württemberg, einer in Hessen.
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